Der Jahresrückblick 2023 der Aichacher Zeitung

Zirkel und Zirbelnuss: Ein Blick hinter die Mauern der Augsburger Freimaurer

Winkelmaß, Zirkel, in der Mitte die Zirbelnuss: Die drei Elemente bilden das Emblem der Loge Augusta. Die 23 Sternzacken stehen je für eines der Gründungsmitglieder, die vor 145 Jahren die Freimaurerei nach Augsburg holten. (Foto: Janina Funk)
Winkelmaß, Zirkel, in der Mitte die Zirbelnuss: Die drei Elemente bilden das Emblem der Loge Augusta. Die 23 Sternzacken stehen je für eines der Gründungsmitglieder, die vor 145 Jahren die Freimaurerei nach Augsburg holten. (Foto: Janina Funk)
Winkelmaß, Zirkel, in der Mitte die Zirbelnuss: Die drei Elemente bilden das Emblem der Loge Augusta. Die 23 Sternzacken stehen je für eines der Gründungsmitglieder, die vor 145 Jahren die Freimaurerei nach Augsburg holten. (Foto: Janina Funk)
Winkelmaß, Zirkel, in der Mitte die Zirbelnuss: Die drei Elemente bilden das Emblem der Loge Augusta. Die 23 Sternzacken stehen je für eines der Gründungsmitglieder, die vor 145 Jahren die Freimaurerei nach Augsburg holten. (Foto: Janina Funk)
Winkelmaß, Zirkel, in der Mitte die Zirbelnuss: Die drei Elemente bilden das Emblem der Loge Augusta. Die 23 Sternzacken stehen je für eines der Gründungsmitglieder, die vor 145 Jahren die Freimaurerei nach Augsburg holten. (Foto: Janina Funk)

Um die Freimaurer ranken sich zahlreiche Mythen und Verschwörungstheorien. In diesem Jahr feiert das weltweite Bündnis sein 300-jähriges Bestehen. In Augsburg gibt es die Geheimgesellschaft seit 145 Jahren.

Winkelmaß und Zirkel prangen auf dem massiven Holzportal in der Augsburger Schießgrabenstraße, hinter dem sagenumwobene Rituale stattfinden sollen. Totenköpfe, Sanduhren und Kerzen kommen dabei, so heißt es, in dunklen Zimmern zur Anwendung. Eine Geheimgesellschaft, um die sich vielerlei Verschwörungstheorien ranken, trifft sich seit 1897 hinter dieser Türe: die Bruderschaft der Freimaurer.

Schwungvoll öffnet Sascha Ratzinger den Zugang zum Hauptquartier der Augsburger Freimaurer. Der Mitvierziger in Jeans, blauem Hemd und grauem Sakko lächelt - und räumt gleich mit einem Vorurteil auf: „Wir öffnen unsere Türen gerne für Besucher.” An den Verschwörungstheorien über die Freimaurer sei „gar nichts dran”.

Ratzinger ist einer von über 80 Brüdern der Loge Augusta und „Meister vom Stuhl”, so die interne Bezeichnung, die sich vom englischen Chairman ableitet. Zudem, erklärt er, sei er Vorsitzender der Loge, die, wie jeder andere Verein auch, einen „ordentlichen Vorstand” besitze.

„Wir sind eigentlich ziemlich unspektakulär”, sagt der Mann mit Brille und Seitenscheitel und führt eine weitläufige Wendeltreppe hinauf. Im ersten Stock, in einem Saal mit Fischgrätenparkett und hohen Fenstern steht Hans-Jürgen Herzog. Auch er Freimaurer, auch er in Hemd und Jackett. Den schwarzen Anzug, die berühmten weißen Handschuhe, den Zylinder und den symbolischen Maurerschurz trage man nur zur sogenannten Tempelarbeit, erklärt er. Was bei den Treffen genau stattfindet und worüber gesprochen wird, ist dann aber doch ein bisschen geheim.

Nur so viel: Ein dunkler Raum, Totenkopf, Sanduhr und Kerze spielen beim Aufnahme-Ritual von neuen Mitgliedern tatsächlich eine Rolle. Um die Symbolik gehe es dabei, erläutert Herzog. Das kleine Zimmer stehe für die geistige Umnachtung der Menschen, das Licht für die Erleuchtung, Stundenglas und Schädel für den Tod. „Freimaurer befassen sich mit dem Leben und dem Sterben”, sagt der 77-Jährige, der seit 17 Jahren Mitglied der Loge ist. Die rituellen Treffen könne man sich ähnlich wie Messen vorstellen. Nur ohne dogmatisches Denken. Näheres zu den Inhalten möchte Herzog nicht verraten.

„Verschwiegen sind wir, das ist sicher so”, sagt Ratzinger. Und Herzog ergänzt: „Das hat historische Gründe.” In Zeiten der Gewalt habe man in der „Bauhütte” offen seine Meinung sagen können, ohne um Leib und Leben fürchten zu müssen. Verschwiegenheit sei damals eine Notwendigkeit gewesen. „Daher hat es auch nicht lange gedauert, bis die Freimaurerei verboten wurde.” Heute habe die Verschwiegenheit schlicht symbolischen Charakter.

„Bauhütte” sei im übrigen kein abfälliger Name, auch nicht für einen Prachtbau in der Augsburger Innenstadt. Der Gebrauch der Bezeichnung geht auf keinen Geringeren als Johann Wolfgang von Goethe zurück. Nur einer von vielen berühmten Freimaurern. In der illustren Ahnengalerie der Geheimgesellschaft finden sich unter anderem Wolfgang Amadeus Mozart, Louis Armstrong, Winston Churchill, George Washington. 53 der 56 Unterzeichner der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung seien Freimaurer gewesen, sagt Herzog. Auch daher rühren die Mythen und Sagen rund um die Bruderschaft.

George Washington hin oder her - politischen Einfluss auszuüben, habe die Organisation nie versucht, versichern die beiden Augsburger Freimaurer unisono. Die Arbeit an einem selbst stehe im Mittelpunkt - „die Arbeit am rauen Stein”. Jeder einzelne müsse an seinen Ecken und Kanten, an seinem Charakter feilen, um ein besserer Mensch zu werden. Etwas kryptisch schiebt Ratzinger hinterher: „Das Geheimnis ist, das zu erleben, was es mit einem macht.” Der 44-jährige Chef einer Internetfirma sagt, er sei durch die Freimaurerei ein besserer Mensch geworden. Toleranter und verständnisvoller. „Es geht um die Verbesserung der eigenen Persönlichkeit. Und unsere humanistischen Ideale trage ich auch in die profane Welt.”

Diese „profane Welt” ist für die Brüder alles außerhalb der Loge. Im Falle Ratzingers etwa der eigene Betrieb. Der Unternehmer stellt einen Vergleich an: Wenn Politiker analog die Werte der Freimaurer in die Politik tragen würden, sei dies doch eine positive Sache.

Ratzinger selbst ist seit neuneinhalb Jahren Freimaurer. Mit seiner Mitgliedschaft in dem Geheimbund sei er von Anfang an offen umgegangen. Als selbstständiger Unternehmer sei er schließlich niemandem Rechenschaft schuldig. Viele der Brüder würden ihre Zugehörigkeit zu den Freimaurern in der Öffentlichkeit jedoch geheim halten, erzählt er. Schuld seien Vorbehalte in der Gesellschaft gegenüber den Freimaurern.

Zur Bruderschaft kam Ratzinger damals, weil er „einen roten Faden” für sein Leben gesucht habe. Gefunden habe er die Loge Augusta - wie das eben heutzutage so sei - über das Internet. „Ich habe gleich online eine Anfrage gestellt.” Entscheidende Aufnahmebedingung sei die Identifikation mit der freimaurerischen Tradition der Humanität. „Uns ist jeder freie Mann von gutem Ruf willkommen, der zu uns passt und dem wir gefallen”, fasst Ratzinger zusammen.

Weibliche Freimaurer gibt es in dem altehrwürdigen Verein nicht. Augsburg hat allerdings seit zwei Jahren eine zweite Loge, die „Saint Germain”, in der Frauen und Männer Mitglieder werden können. Die Augusta-Brüder indes bleiben lieber unter sich. „Das ist einfach Tradition”, sagt Herzog.

Nach einem halben Jahr Gast-Status in der Loge war es für Sascha Ratzinger dann soweit: Dunkles Zimmer, Sanduhr, Totenkopf, Kerze. Das mit dem Ritual dürfe man aber auch nicht überbewerten, betont er. Denn was bedeute das Wort denn schon? Ratzinger lächelt. „Auch Zähneputzen ist ein Ritual.”


Von Janina Funk

Redakteurin Augsburg-Redaktion

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