Freispruch? Trotz erwiesener Täterschaft? Wenn ein Gutachter einem Angeklagten attestiert, dass dessen Schuldfähigkeit zur Tatzeit womöglich aufgehoben war, kann er nicht bestraft werden. Richard Gruber, Arzt für Neurologie und Psychiatrie, stellte fest: Der 27-Jährige hat paranoide Schizophrenie, deutliche Denk- und Effektstörungen. Gruber erklärte, zur Tatzeit habe eine verminderte Steuerungsfähigkeit und eine krankhafte seelische Störung vorgelegen. Doch die psychotische Verfassung habe sich danach rasch verflüchtigt. Auch aktuell sei der 27-Jährige wieder in guter Verfassung - obwohl er noch keine Medikamente erhalte. Zwar war der Wiesenbacher schon als Kind auffällig, verstand sich nicht mit anderen und hatte Lernprobleme, doch beschrieben ihn viele Zeugen als freundlich, höflich, umgänglich und leistungsmotiviert. Erst in den zwei Jahren vor der Tat kapselte er sich sozial ab und blieb auch zu Hause für sich. In seinem Handy war kein einziger Kontakt gespeichert. Er telefonierte nie, nutzte weder WhatsApp noch Facebook. Aber er las viel auf Wikipedia. Über Politik und den Brexit, physikalische Phänomene, Parallelwelten und Völkermord. Zwischendurch faselte er einmal, er sei der Sonnengott, der „Herr des Planeten”. Er lebte mit seiner Mutter, deren Lebensgefährten und seiner Großmutter in einem Haus in Wiesenbach. Jeden Tag fuhr ihn seine Oma zur Arbeit. Pünktlichkeit war ihm wichtig. Er legte großen Wert auf Struktur. Nur am Tattag, dem 1, April, war das anders. Irgendetwas ging ihm bei der Arbeit gegen den Strich. Gegen 10.30 Uhr stempelte er einfach aus. Mittags kamen seine Familienmitglieder heim und wunderten sich, dass er da war. Er saß auf dem Balkon, hörte Musik und sah einem Bauern bei der Feldarbeit zu. Es gab Streit. Doch gezankt wurde in der Familie öfter. Was an diesem Tag anders war? Das, sagte Staatsanwältin Martina Neuhierl, werde man wohl niemals erfahren. Dem Täter wie den Opfern fehlt die Erinnerung.