Der Jahresrückblick 2023 der Aichacher Zeitung
Veröffentlicht am 29.07.2019 12:00

Umjubelte Premiere bei Karl-May-Festspielen

20.15 Uhr, es war immer noch exakt 30 Grad heiß, die Bewohner der Clanton-Ranch betraten nach der Begrüßungsrede des Geschäftsleiters der Western-City, Volker Waschk, die Arena: Der ewige Kampf zwischen Gut und Böse konnte beginnen. In der Titelrolle des Trappers Old Surehand steckt der Münchener Sven Kramer (zugleich Erzähler), der im vergangenen Jahr sein Debüt in Dasing hatte und unter anderem „Tatort”- und „Die Rosenheim-Cops”-Erfahrung vorweisen kann. Und Surehand zeigt sich in einer Eleganz, so wie sie Karl May in seinen Büchern beschrieben hat. Kramer spielt den ruhigen Helden - den besten Schützen des Wilden Westens - in bester Manier und hat ein gutes Rollenverständnis für den Charakter entwickelt („Auch ich suche nach der Vergangenheit: Jenen Mann, der meinen Vater getötet hat”). Matthias Mühlbauer alias „Matthias M.” - der dienstälteste Bühnen-Winnetou Deutschlands - verkörpert den edlen und stolzen Apachen-Häuptling Winnetou, der im Wilden Westen mit seiner „Silberbüchse” auf seinem Pferd Iltschi für Gerechtigkeit und Frieden kämpft („Unrecht hat viele Gesichter” und „Es gibt vieles, das nicht erklärt werden kann”). Eine Augenweide, wie sich Matthias M. ohne Mithilfe des Steigbügels auf sein Pferd schwingt!

Mit mitreißenden Stunts und vielsagender Mimik glänzt auch Peter Görlach als Komantschen-Häuptling Apanatschka („Winnetou wird kommen und über den Frieden mit uns sprechen” und „Apanatschka wird sich nicht ohne Kampf ergeben”). Ein Schuft ist der arrogante und skrupellose Bösewicht General Douglas, verkörpert durch den ausdrucksstarken Marco Braun („Wir haben die Zivilisation ins Land gebracht”). In die Rolle des Captain Taylor - die rechte Hand des Generals - schlüpft Thomas Dadlhuber und setzt sich hervorragend in Szene („Wir werden uns diesen Medizinmann vorknöpfen”). Michael Gleißner spielt authentisch Old Wabble. Der ungeduldige „König der Cowboys” verfolgt mit Vorliebe Indianer („Es ist mir immer ein Vergnügen, diese verdammten Rothäute an den Galgen zu bringen”).

Claudia Jung überzeugt als Ärztin Dr. Susan Thomson („Was ist, wenn Marianne all ihre Hoffnung verliert?”). Die Rolle ist ihr auf den Leib geschneidert: Die mystische Indianerin Kolma (Schwarzauge) wird von Gisela Bönisch darstellerisch überaus stark gespielt („Nur ich weiß um diese Legende” und „Großer Geist, hilf ihnen, wenn einer den anderen erschlägt”). Der schrullige Erfinder Dr. Eugenius Eugendorf (Björn Trenner; „Habt ihr das gesehen: die erste Dampfmaschine”) sorgt zusammen mit dem Präriepoeten und Dichter Gunstic Uncle (Michael Englert; „Am Abend fährt der Wagen, aber nun knurrt mir der Magen”) immer wieder für Humor. Als stimmsichere und engagierte Ensemblemitglieder entpuppen sich der kriegerische Häuptling Ketana Saritsch (Michael Scherer; „Du bist von Sinnen, weißer Mann”), die gehbehinderte Marianne (Jessica Ried; „Meine Tante glaubt tatsächlich, dass ein Medizinmann mir helfen kann”), die Ranchbesitzerin Roseanne Clanton (Petra Laschner; „Wollt ihr mir nun endlich erzählen, was ich mit dem Leben von Old Surehand zu tun habe?”), der Medizinmann und heilige Schamane Mato Sapa (Reinhold Summer; „Die weiße Frau kennt den Weg zum Gold”) sowie der Händler Lothaire Thibaut (Erwin Heilgemeir; spielt im Wechsel mit Stefan Schwegler).

Bemerkenswert waren die professionell inszenierten Kampfszenen, die bestens gelungenen Masken und aufwendig gestalteten Kostüme, die hervorragend funktionierende und beeindruckende Licht- und Tontechnik sowie die pyrotechnischen Effekte. Und: Alle Mitwirkenden waren mit großem Eifer dabei, und auch die Textmengen waren perfekt einstudiert. Das bewährte Schauspielteam umfasst viele Personen aus einer guten Mischung unterschiedlicher Charaktere. Zweifelsohne, alle Darsteller wussten mit ihrer Präsenz und ihrem Zusammenspiel zu gefallen.

Zudem ist er für Musikauswahl und Stuntkoordination mitverantwortlich. Damit nicht genug: Auch das Textbuch hat Regisseur Peter Görlach geschrieben, der eigene Gedanken und Handlungsstränge in die Originalvorlage einbaute. Dabei hat er die Inszenierung aus dem Jahr 2010 überarbeitet.

Die erste Aufführung der 15. Karl-May-Festspiele in Dasing wurde mit viel Applaus und auch Jubel-Rufen quittiert. Insgesamt gehören etwa 80 Darsteller sowie 25 Pferde zum Ensemble. Alle 25 eingesetzten Tiere werden im sogenannten RAI-Reitstil geritten. Die Premiere zeigte, dass der Wild-West-Mythos nach wie vor ein Besuchermagnet ist. Regisseur und Textbuchautor Peter Görlach ist zweifelsohne der Spagat zwischen Action, Spannung und Humor gelungen. Und: Nicht zuletzt ist die Mythologie, und vor allem das spirituelle Leben der Indianer - Respekt vor allem Leben - ein wesentlicher Bestandteil der Aufführung.

Die weiteren Aufführungen finden vom 3. August bis 8. September am Wochenende und feiertags statt, samstags jeweils um 16 und 20 Uhr, sonn- und feiertags nur um 16 Uhr. Das Festspiel-Gelände ist an allen Vorstellungstagen bereits ab 12 Uhr zugänglich. Die Gastronomie hat dann geöffnet und es gibt ein Rahmenprogramm mit Vorführungen im RAI-Reiten und Cavalry-Show. Weitere Informationen und Tickets im Vorverkauf erhalten Interessierte über die Homepage karlmay-festspiele.de. „Am Abend fährt der Wagen, aber nun knurrt mir der Magen”


Von Robert Edler
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