Das spielte für Axel Hellriegel aber auch keine entscheidende Rolle. Für den Aichacher Amtsrichter war vielmehr ausschlaggebend: Wer auf diese Weise den öffentlichen Frieden stört und derart die Kontrolle verliert, verdient eine Strafe, zumal, wenn wenigstens eine junge Frau von den Geschehnissen dieses Abends nachhaltig beeindruckt ist und es sich künftig zwei Mal überlegen wird, ob sie zu vorgerückter Stunde noch einmal den Tandlmarkt besuchen wird, wie es Hellriegel formulierte.Davon abgesehen war es wohl für alle Beteiligten ein gehöriger Schock. Das zumindest ging aus den verschiedenen Zeugenaussagen hervor, mit denen Richter Axel Hellriegel versuchte, Licht in den denkwürdigen Abend zu bringen. Was war geschehen? Letztes Jahr im August, die Temperaturen sind angenehm, kommen am Tandlmarkt abends ein paar junge Leute zusammen, sie reden, rauchen, genießen die laue Sommernacht. Alles ist friedlich.Plötzlich wird es laut, zwei junge Männer kommen aus Richtung des alten Rathauses, sie schreien etwas in einer fremden Sprache, einer von ihnen fuchtelt mit einem langen Messer herum, schlägt mit der Klinge eine dicke Kerbe in eine der Eichenstützen, die das Glasdach des Tandlmarkts tragen, und wirft eine Weinflasche nach einem der Anwesenden. Dieser flüchtet in die Gasse zwischen Hautarzt und Reisebüro, die Flasche verfehlt ihn, zerschlägt an der Hauswand oder auf dem Boden, darüber können die Zeugen nach fast einem Jahr keine einheitlichen Angaben mehr machen.Auch in anderen Punkten gab es Abweichungen: Uneins waren sich die jungen Männer und Frauen etwa auch darüber, wie knapp die Weinflasche den Mann verfehlte; ob zusätzlich zu der Flasche auch ein Glas zu Bruch ging; welche Kleidung der Angreifer trug; und ob der Afghane, der vor Gericht stand, auch tatsächlich der Täter war.Wie aber kam die Polizei dann auf den Angeklagten? Diese Frage beantworteten zwei Beamte. Demnach hatte sich der Beschuldigte vor dem Ausraster am Tandlmarkt telefonisch selbst bei der Polizei gemeldet. Er gab an, von einer Gruppe Personen angepöbelt und mit einem Feuerzeug beworfen worden zu sein. Zudem wurde er einige Zeit nach der Messerattacke persönlich auf der Polizeiwache vorstellig. Die Tatwaffe hatte er da aber nicht mehr bei sich. An jenem Abend muss es auf der Aichacher Polizeistation einen regelrechten Menschenauflauf gegeben haben. Mehrere Zeugen wollten zu den aufwühlenden Ereignissen eine Aussage machen. Mithilfe sogenannter Wahllichtbildvorlagen konnten die Beteiligten den Täter mehr oder weniger sicher identifizieren. Dabei wurden den Zeugen Bilder mit Personen vorgelegt, die dem möglichen Täter in puncto Geschlecht, Alter und Erscheinungsbild stark ähnelten.Die Zeugenaussagen und das Verfahren der Wahllichtbildvorlagen reichten Richter Hellriegel am Ende aus, den jungen Mann zu verurteilen. Der wohnt übrigens noch bei den Eltern und lebt derzeit von Arbeitslosengeld. Gravierend strafrechtlich in Erscheinung getreten ist der junge Mann bisher noch nicht.