Warum kommen die Schüler nun zu Martina Osterhuber? Die Gründe sind vielfältig, wie sie den Mitgliedern des Finanz- und Verwaltungsausschusses des Aichacher Stadtrates erläuterte. Es geht um Probleme mit Lehrern, Freunden oder in der Familie, um psychische Probleme, Mobbing, Schwierigkeiten in der Schule, um Drogen, Sucht, aber auch um Konflikte mit der Polizei. Die Gespräche finden mit den Schülern allein, zusammen mit den Eltern oder auch Lehrern statt. Das ist je nach Einzelfall unterschiedlich. Mehr als 80 Prozent der Schüler kommen alleine, also ohne Vermittlung durch Dritte, zu der Beratung der Jugendsozialarbeit an Schulen (JaS), wie der offizielle Name lautet. Die kann nur kurz, unter Umständen aber auch langfristig sein. Von den 121 Schülern, die in diesem Jahr gekommen sind, haben 56 Prozent einen Migrationshintergrund, bei der Gesamtschülerschaft ist das bei 45 Prozent der Fall. Die Gründe für den steigenden Bedarf sind vielfältig und nicht ohne Blick auf die Gesamtgesellschaft zu identifizieren - wobei zumindest bei den Aichacher Stadträten die Erklärungsansätze unterschiedlich sind. Für Hermann Langer (CSU) liegen sie in einer gestörten Beziehung zwischen Eltern und Kindern, weil die Kinder immer früher betreut würden: „Wir geben immer mehr Geld dafür aus, um Kinder von zu Hause wegzubringen”, argumentierte er. Auch Kristina Kolb-Djoka (SPD) sieht ein Defizit, weil Eltern ihrem Erziehungsauftrag nicht mehr gerecht würden. Schulleiter Franz Negele beurteilt das durchaus ähnlich. „Die Kompetenz der Eltern in der Erziehung nimmt ab”, erläuterte er den Aichacher Stadträten, „und wir bekommen das voll ab.” Problematisch sind dabei zwei Tendenzen, die er und Osterhuber ansprachen. Die Ganztagsschule sei durchaus ein geeignetes Mittel, um Erziehungsdefizite aufzufangen und für eine sinnvolle Beschäftigung ansonsten unbeaufsichtigter Kinder am Nachmittag zu sorgen. Nur: „Wenn die Kinder älter sind, haben sie keine Lust mehr, und die Eltern melden sie von der Ganztagsklasse wieder ab.” Die Konsequenz sei oft ein Leistungsabfall, „unter Umständen schaffen sie dann den Quali eben nicht.” Eine ebenso beunruhigende Tendenz: Die Probleme werden von „unten”, sprich aus den Grundschulen, importiert. Das habe sich in den vergangenen Jahren verstärkt, sagte Osterhuber: „Die fünften Klassen werden immer schwieriger, sie brauchen viel Aufmerksamkeit und Zeit, die sie zu Hause nicht bekommen.” Fast die Hälfte der Beratungen fanden in den fünften und sechsten Klassen statt, nur elf Prozent in der zehnten Jahrgangsstufe. Umso wichtiger ist es, dass es in verstärktem Maß JaS auch an Grundschulen gibt. Jugendsozialarbeit an Schulen (JaS) ist mittlerweile an 25 Schulen im Landkreis Aichach-Friedberg etabliert. Sie wurde und wird stetig ausgebaut - weil der Bedarf steigt. Längst ist die pädagogische Unterstützung von Lehrern nicht mehr umstritten, von den Schulen kommt immer wieder der Wunsch, das Angebot auszubauen. Nach einer Erhebung, die Mathias Matuschka vom Jugendamt zusammen mit dem Schulamt und den Schulen durchgeführt hat, wurde 2017 ein Konzept erstellt. Mittlerweile sind nun alle vorgesehenen 25 Stellen bewilligt und sollten bis zum Jahreswechsel auch besetzt sein, so Matuschka. Erstmals bekommen auch alle vier Realschulen im Landkreis eine JaS-Stelle. Realschulen waren bis vor Kurzem nicht in dem staatlichen Förderprogramm enthalten. Zudem arbeiten - zum Teil seit vielen Jahren - an den Mittelschulen und den beiden Berufsschulen Sozialarbeiter, außerdem an neun Grundschulen. Nicht alle Schulen haben allerdings eine Vollzeitstelle, einige Sozialpädagogen sind an mehreren tätig. JaS wird durch den Freistaat, die Kommunen und Landkreise finanziert. Die Stadt Aichach zahlt beispielsweise für JaS an ihren Schulen insgesamt 80 000 Euro im Jahr. Außerdem schießt die Gesellschaft zur Förderung beruflicher und sozialer Integration (Gfi), die der Träger von JaS im Landkreis ist, einen Eigenanteil zu. Einen Sonderfall stellt die Sozialarbeit an der Aichacher Edith-Stein-Schule dar, die komplett vom Jugendamt finanziert wird. Für Franz Negele ist die Jugendsozialarbeit, die es an der Geschwister-Scholl-Schule schon seit 2003 gibt, nicht mehr wegzudenken und Martina Osterhuber, die seit 2013 da ist, sei längst ein Teil des Kollegiums geworden. Das war das Stichwort für Bürgermeister Klaus Habermann: Er kritisiert seit Langem, dass die Jugendsozialarbeit an Schulen von den Städten, Gemeinden und Landkreisen mitfinanziert werden muss, weil sie als „Sachaufwand” gilt. Personalkosten übernimmt dagegen voll der Freistaat. Und natürlich, so könnte man seinen auch im Kreistag immer wieder formulierten Einwand übersetzen, ist Frau Osterhuber kein Sachaufwand... Stadt Aichach zahlt 80 000 Euro pro Jahr für Sozialarbeit an Schulen