Reinhard Obst ist in Königsberg geboren. Er ist in Heimen aufgewachsen, war ein „ganz armer Junge”, wie er selbst über sich sagt. Oft ist er ausgerissen, um schlechter körperlicher und medizinischer Versorgung zu entkommen. Bis er in eine Einrichtung in einem Mönchskloster kam, wo man ihn nach eigenen Angaben gut behandelt hat, er sich erholen konnte und viel gelernt hat. Im Laufe seines Lebens kam er in der Welt rum, bis nach Afrika, hat teilweise bis zu 10 000 Kilometer monatlich für seinen Job zurückgelegt. Und der hat sich immer wieder geändert. Obst hat eine Ausbildung als Dachdecker absolviert, in jungen Jahren half er im Winter im Kohlebergbau aus, auch in einer Eisengießerei und bei einer Gebäudereinigungsfirma hat er schon gejobbt. Und ein Wein- und Spirituosen-Geschäft betrieben. Er war Zeitschriftenwerber, dann -verkäufer, schließlich -verkaufsmanager und hat sich bis zum Verleger hochgearbeitet. Nach acht Jahren im Zeitschriftenverkauf hat er sich selbstständig gemacht, im Maximum 17 Mitarbeiter beschäftigt und im Laufe seiner Arbeitsjahre insgesamt sieben Buchverlage gegründet oder vor dem Konkurs gerettet, wie er erzählt. Als Verlagsmanager habe er bis zu 16 Stunden täglich gearbeitet, berichtet er. Und sein Einkommen sei sehr hoch gewesen. „Ich hatte viele Konten und wusste gar nicht mehr, wie viel Geld ich habe”, erinnert er sich schmunzelnd. Er war immer ein Mann der Tat, hat sich nicht lange mit der Theorie aufgehalten - und daher auch nicht um Bürokram wie Buchhaltung gekümmert. Dass ihm das über den Kopf wächst, wurde ihm klar, als er 980 000 Mark an Steuern nachzahlen musste. „Ich hatte aber noch drei Millionen, daher war das nicht so schlimm”, sagt er grinsend. Jedes Jahr leistete er sich ein neues Auto, musste immer mindestens zwei haben. In seiner erfolgreichsten Zeit zwischen dem 32. und 48. Lebensjahr waren es auch mal fünf. Und vier Wohnungen. „In dieser Zeit war ich durchgehend reich”, erklärt der 81-Jährige. Denn davor und danach nahm er sich immer wieder mal eine Auszeit vom Leben der Reichen. „Dann war ich das satt und hab' wieder gegammelt”, sagt er. Während dieser Zeit schlief er unter Brücken oder in Parks, auch mal in einem Ziegenstall. Wenn sein Erspartes aufgebraucht war, hat er wieder gearbeitet - und sich schnell wieder finanziell erholt. Er sei ein „Nichtsnutz, der immer wieder Erfolg hatte,” gewesen, sagt Obst heute. Dabei sei ihm Geld noch nie sehr wichtig gewesen. „Kapitalismus ist schlecht. Was zählt ist nur, dass man sich etwas zu essen, zu trinken, ein Zuhause und Gesundheit leisten kann”, findet er. „Viel Geld macht oft charakterlos, mir hat's nicht gefallen.” Teilweise habe er es verschenkt oder damit gemeinnützige Projekte unterstützt, darunter Krankenhaus-Aufenthalte für Straßenkinder. Wichtiger als Geld sei, im Beruf und im Leben überhaupt, Erfahrung: „Ohne Wissen geht gar nichts, man muss immer dazulernen.” Denn er hat erkannt: „Lieber arm und glücklich als reich und überarbeitet.” Mit 48 Jahren, als er gerade einen eigenen Verlag zu verantworten hatte, brach er zusammen. Herzstillstand. Er lag sechs Tage im Koma, kämpfte sich aber wieder ins Leben zurück. Ein Jahr lang dauerte es, bis er wieder laufen konnte. Der Verlag war danach Geschichte, seine ehemalige Partnerin hat ihn Obst zufolge bis zu seiner Genesung kaputt gewirtschaftet. Vor rund 15 Jahren hat es Reinhard Obst nach Aichach verschlagen. Auch hier kennt er beide Seiten - gut situiert und arm: Er lebte zuerst im Hotel, später im Aichacher Obdachlosenheim im Sozial-Wohnhaus an der Martinstraße 9. Seit drei Jahren ist er im Heilig-Geist-Spital, wo er sehr gut versorgt wird, wie er beim Gang durch die Räumlichkeiten - mit Hilfe eines Rollators, auf dem Kopf sein Markenzeichen: ein Strohhut - berichtet. Er unterstützte Projekte für Straßenkinder - und lebte selbst auf der Straße