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Der Jahresrückblick 2023 der Aichacher Zeitung

36-jähriger Familienvater schüttelt schreiendes Baby: Nun steht er wegen versuchten Totschlags vor Gericht

Der fünf Monate alte Sohn hört nicht mehr auf zu schreien, da packt ihn der Vater und schüttelt, bis er Ruhe gibt. Daraufhin bangte der Säugling mit Gehirnblutungen im Klinikum Augsburg um sein Leben. Nun muss sich der 36-jährige Familienvater ein Jahr nach der Tat wegen versuchten Totschlags vor der Schwurgerichtskammer des Landgerichts Augsburg verantworten. Ihm droht eine Haftstrafe. Das Urteil wird Anfang Mai erwartet.
Dem eineinhalb Jahre alten Kind geht es heute wieder gut, dennoch sitzt sein Vater, ein 36-jähriger gebürtiger Kasache, seit April vergangenen Jahres in der JVA Gablingen. In dem laufenden Prozess geht es vor allem darum, ob der Angeklagte zum Tatzeitpunkt unter dem Einfluss von Alkohol und Drogen stand. In seiner Vergangenheit in Kasachstan und später in Russland habe er regelmäßig Alkohol, Marihuana und Heroin konsumiert, erklärt er mit Hilfe einer Dolmetscherin. Seit Ende 2017 ist er in Deutschland. Anfang 2018 heiratete er eine 35-jährige Deutsche und bekam eine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis.

Im Gegensatz zu seiner Frau ist er arbeitslos und verbringt viel Zeit zu Hause, wie er sagt: „Wenn man den ganzen Tag nichts zu tun hat, dann trinkt man.“ Bis zu 15 Dosen Bier waren es täglich, gibt er zu.

25 Zeugen sagten bereits aus, darunter ein Polizeibeamter. Dieser hatte am Nachmittag vor der Tatnacht einen Alkoholtest mit dem Angeklagten durchgeführt. Der 36-jährige Angeklagte und sein kleiner Sohn hatten seine Frau, die wegen Depressionen behandelt wurde, im Krankenhaus besucht. Auf dem Heimweg kam es in der Straßenbahn zu einer Auseinandersetzung mit einem betrunkenen Fahrgast. Dieser stolperte wohl über den Kinderwagen und beleidigte den Vater. Daraufhin schlug der 36-Jährige den Pöbler und flüchtete. Der Schaffner rief die Polizei, die Beamten nahmen den Kasachen fest.

Der Polizist sagt: „Der Angeklagte ist sehr ruhig gewesen, ich war überrascht, dass der Alkoholtest positiv war.“

Anschließend berichtet eine psychiatrische Gutachterin von widersprüchlichen Aussagen des Angeklagten. Vor Gericht gab dieser seine Alkohol- und Drogenabhängigkeit zu, ihr gegenüber soll er aber bei Gesprächen in der JVA vehement einen Heroinkonsum abgestritten haben. Auch habe er noch nie einen Vollrausch gehabt. Allerdings liegt dem Gericht ein Schreiben des Uniklinikums vor, wonach der Arbeitslose einmal schlafend in einem Auto aufgefunden wurde – zu betrunken, um ansprechbar zu sein.

Zum Tatzeitpunkt soll der Angeklagte, wie mehrere Polizisten, Feuerwehrleute, Ärzte und Nachbarn berichten, keinerlei Ausfallerscheinungen gehabt haben, die auf einen Konsum von Alkohol und Drogen hindeuten würden. Er hingegen behauptet, wegen einer Erkältung zwar nicht so viel getrunken zu haben wie sonst, aber dennoch ein paar Dosen Bier. Obendrein will er Marihuana konsumiert haben.

Er legte sich hin, und als sein erst wenige Monate alter Sohn anfing zu schreien, schüttelte er ihn. Als der Säugling sich nicht mehr rührte, wollte er zuerst den Notruf wählen, ließ es aber aufgrund seiner schlechten Deutschkenntnisse bleiben und rief stattdessen seine Frau in der Klinik an, die den Notarzt verständigte.

Richterin Susanne Riedel-Mitterwieser liest aus einem Brief vor, den der Angeklagte seiner Frau im März aus der Untersuchungshaft geschickt hat: „Ich habe meine Kraft falsch eingeschätzt und wollte ihm nie wehtun. Ich war mit der Situation überfordert.“
Der Prozess wird am Donnerstag, 2. Mai, fortgesetzt.


Von Patrick Bruckner
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