Der Jahresrückblick 2023 der Aichacher Zeitung

Sperrstunde in Augsburg gefordert: Entscheidung wohl frühestens im März

Der Antrag, wieder eine Sperrstunde in Augsburg einzuführen, löst Diskussionen aus. Lokale sollen zwischen 2 und 3 Uhr schließen. Die Polizei befürwortet das Ansinnen. Eine Entscheidung wird wohl frühestens im März fallen.

„Gute Nacht, Freunde. Es ist Zeit für mich zu gehen“, schwelgt Liedermacher Reinhard Mey trällernd in der Melancholie, die einem Zapfenstreich innewohnen kann. Mey erkennt im wohl rausschmeißerhaftesten Rausschmeißer, der je komponiert wurde, von selbst, wann die Feier vorbei ist. Eine Zigarette und ein letztes Glas im Stehen müssen noch drin sein – dann aber ab nach Hause. So wie der Barde können es bisweilen auch die Augsburger Nachtschwärmer halten. Party, soweit die Füße tragen.

Das könnte sich bald ändern. Die Stadtratsfraktion der CSM beantragt nämlich, für Augsburg wieder eine Sperrstunde einzuführen. Um 2 bis 3 Uhr, das wäre laut Antrag denkbar, sollen Bars, Klubs und sonstige Etablissements der Nacht ihre Türen schließen. „Zahlen und Studien zeigen: Gewaltdelikte in der späten Nacht nehmen überdurchschnittlich zu, die Täter sind überwiegend unter 30 Jahre alt“, begründet die Partei.

Die Polizei bestätigt das auf Nachfrage. „Wir würden eine Sperrzeit für bestimmte Bereiche der Augsburger Innenstadt ausdrücklich begrüßen“, sagt daher Polizeioberrat Thomas Rieger und bittet gleichzeitig um Verständnis. „Wir sehen uns in diesem Zusammenhang auch nicht als Spielverderber oder Spaßbremse“. Die Weltoffenheit Augsburgs würde darunter ebenfalls nicht leiden, findet Rieger.

Ihm gehe es nunmal auch um die Sicherheit der Beamten. Seit einigen Jahren, so führt er aus, sei der „nachlassende Respekt gegenüber der Polizei auch in Augsburg leider deutlich wahrzunehmen“. Alkohol sei da der stärkste Katalysator. Rieger spricht von Pöbeleien, Beleidigungen, Widerstandshandlungen und zum Teil massiven Körperverletzungen.

Dagegen sollen zum einen „Body-Cams“ – Kameras, die Polizisten am Körper tragen – helfen. Demnächst werden sie in Augsburg im Einsatz getestet. Und zum anderen eben auch eine Sperrstunde.

Freilich, sagt Rieger außerdem, komme die Polizei ihrem Auftrag nach, im Nachtleben für Sicherheit zu sorgen. „Es muss aber auch die Frage erlaubt sein, ob es richtig ist, dass die uns zur Verfügung stehenden, begrenzten Personalressourcen regelmäßig in den führen Morgenstunden durch wenige alkoholisierte Gewalttäter gebunden sind.“

Die CSM formuliert es noch drastischer: „Argumente, dass eine Großstadt ein Rund-um-die-Uhr-Angebot für die Spaßgesellschaft anbieten müsse, sind unter den geänderten Rahmenbedingungen in Frage zu stellen.“ Schließlich habe die Polizei mit der erhöhten Terrorgefahr andere Probleme, als etwa bei testosteron- und alkoholgeschwängerte Keilereien zwischen ein paar Halbstarken auf der Maxstraße einzuschreiten.

Heißt es in Augsburg also künftig um 3 Uhr „Licht an, Musik aus“, um der Polizei im Kampf gegen den Terror zu unterstützen? Ein populistisches Argument, um diesen „Antrag aus dem Nichts heraus“ zu stützen, findet CSU-Stadtrat und Gastronom Leo Dietz. Zum einen müsse die Polizei eben besser aufgestellt werden oder man müsse in der Konsequenz auch Großveranstaltungen wie Plärrer oder Fußballspiele hinterfragen, die weit mehr Einsatzkräfte bedürfen als die Nächte in Augsburgs Innenstadt.

Eine Sperrzeit hält Dietz, so sie denn sein muss, nur landesweit für sinnvoll – so wie es eben bis 2005 der Fall war. „Verhängen wir die Sperrstunde nur über das Augsburger Stadtgebiet“, erläutert Dietz, „dann fahren die ganzen Betrunkenen um 3 Uhr raus nach Stadtbergen, Königsbrunn oder Friedberg. Die werden dann dafür in Mitleidenschaft gezogen“.

Während die alte Regelung galt, hatten Lokale die Möglichkeit, längere Öffnungszeiten zu beantragen. Fielen sie negativ auf, wurde ihnen diese Genehmigung wieder entzogen. Ein Vorteil, findet Dietz. So seien damals alle Gastronomen hinterher gewesen, „dass in ihrem Laden alles gut läuft“.

Dirk Wurm, Ordnungsreferent der Stadt, will sich zum Antrag nicht äußern, bevor sich der Allgemeine Ausschuss damit befasst hat. Dessen nächste Sitzung ist auf den 2. März terminiert, erst zwei Wochen später wäre das Thema somit im Stadtrat. Mindestens bis dahin trällert Reinhard Mey in Augsburg Nachtschwärmer und Trunkenbolde dann aus den Lokalen, wann immer es deren Betreibern passt.


David Libossek
David Libossek

Sportredakteur

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