Der Jahresrückblick 2023 der Aichacher Zeitung
Veröffentlicht am 01.09.2023 23:00, aktualisiert am 03.09.2023 18:34

Die angemessene Unterbringung von Geflüchteten wird immer schwieriger

<b>Landrat Klaus Metzger</b> auf der Baustelle des Erweiterungsbaus für das Landratsamt. (Foto: Carina Lautenbacher)
Landrat Klaus Metzger auf der Baustelle des Erweiterungsbaus für das Landratsamt. (Foto: Carina Lautenbacher)
Landrat Klaus Metzger auf der Baustelle des Erweiterungsbaus für das Landratsamt. (Foto: Carina Lautenbacher)
Landrat Klaus Metzger auf der Baustelle des Erweiterungsbaus für das Landratsamt. (Foto: Carina Lautenbacher)
Landrat Klaus Metzger auf der Baustelle des Erweiterungsbaus für das Landratsamt. (Foto: Carina Lautenbacher)

AZ:: Herr Dr. Metzger, während wir hier sitzen, steigt draußen das Thermometer wieder zuverlässig über 30 Grad. Das Klima ist auch in diesem Sommer ein Dauerthema. Mitunter sieht es so aus, als würden sich im Landkreis im Kleinen die großen Probleme der Klimakrise, der Mobilitäts- und der Energiewende spiegeln. So wurde beispielsweise eine Halbtagsstelle für die Umsetzung des Radverkehrskonzepts abgelehnt. Vielleicht nur eine Kleinigkeit oder doch bezeichnend?

Landrat Dr. Klaus Metzger:: Die großen Probleme bilden sich im Kleinen komplett ab, das sehe ich genauso. Ebenso übrigens die jeweiligen politischen Haltungen und Sichtweisen. Deswegen ist es auch manchmal mühsam, damit umzugehen. Wir gehen hier auch aus diesem Grund einen anderen Weg. Ich habe im Landratsamt ein neues Sachgebiet Mobilität eingerichtet. Das Thema hat viel mit Klimaschutz zu tun. Wir bündeln die vorhandenen Kräfte im Öffentlichen Personennahverkehr und beim Radverkehrskonzept, um da besser voranzukommen. Flankiert wird das zum Beispiel von Gremien wie dem Nachhaltigkeitsbeirat.

AZ:: Schon in den vergangenen Jahren ist die Diskussion um Stellenmehrungen im Natur-, Klima- und Umweltschutzbereich zu einer Art Stellvertreterdebatte geworden. Da ging es oft um mehr als um eine halbe Stelle hier oder dort, sondern um grundsätzliche Fragen, heutzutage würden viele sagen „ideologische“ Fragen, obwohl der Begriff völlig falsch ist. Täuscht dieser Eindruck?

Metzger:: Nein, das kann man so sehen. Aber auch deshalb das neue Sachgebiet. Wenn wir im Landkreis etwas bei der Mobilität verändern wollen, dann müssen alle, die mit der Mobilität zu tun haben eng zusammenarbeiten.

AZ:: Bleiben wir bei der Mobilität: Die Verbesserung der Verbindungen zwischen den Landkreisen Aichach-Friedberg und Dachau kommen nicht voran, eher im Gegenteil. Dabei ist gerade der S-Bahnhof in Altomünster für Pendler aus Aichach interessant, es gibt aber keine ÖPNV-Verbindung. Die beiden Landkreise und auch die Stadt schieben sich da die Verantwortung hin und her.

Metzger:: Die Problematik ist mir bewusst, ich habe erst vor kurzem mit dem Altomünsterer Bürgermeister Michael Reiter gesprochen, der deswegen bei mir war. Das Problem beim ÖPNV ist und bleibt die Finanzierung. Für die Linie Dachau-Aichach müsste zum Beispiel die Stadt Aichach finanziell mit ins Boot. Da gibt es einen entsprechenden Grundsatzbeschluss im Kreis. Das hat die Stadt aber bisher abgelehnt.

Wie geht es weiter mit der Linie Dasing-Pasing?

AZ:: Für die Verbindung Dasing-Pasing ist ein Nachfolgemodell mit einer anderen Aufteilung und einem reduzierten Takt im Gespräch.

Metzger:: Als die steigenden Zuschusskosten aufkamen, sind wir genau mit solch einem Vorschlag an den Landkreis Dachau herangetreten. Problematisch scheint die Förderung durch den Freistaat, die an die gegenwärtige Ausrichtung gebunden ist. Die Auslastungszahlen sind bei uns nicht sehr gut, zudem haben Dasing und Adelzhausen beschlossen, die höhere Finanzierung nicht zu übernehmen. Aber auch da gibt es eine klare Vereinbarung, der Landkreis kann nicht einspringen. Ich war bei der Linie immer skeptisch. Es hat sich gezeigt, dass die Verbindung wohl sinnvoll ist, den Landkreis Aichach-Friedberg aber noch nicht in dem Maß nach München bringt, wie es wünschenswert wäre.

AZ:: Wird nicht auch das neue Sachgebiet relativ schnell vor ähnlichen Hindernissen stehen?

Metzger:: Nicht unbedingt. Die große Aufgabe wird sein, das Radverkehrskonzept mit einem klugen ÖPNV-Konzept im Landkreis zu verknüpfen. Also mit dem Rad zum Punkt A zu fahren und mit dem ÖPNV weiter zum Punkt B. Da können wir noch das eine oder andere tun.

AZ:: Wird man dabei Schwerpunkte setzen?

Metzger:: Das wird nicht anders gehen. Wir werden uns an den Magistralen, an den Hauptverkehrsachsen orientieren müssen. Das zeigt auch die Erfahrung mit dem 49-Euro-Ticket. Das ist bei den starken Strecken erfolgreich, auch auf dem Land. Das 49-Euro-Ticket oder ein entsprechendes Nachfolgemodell ist auf jeden Fall der Ansatz, um beim ÖPNV etwas zu verändern.

AZ:: Müsste man mit dem 49-Euro-Ticket nicht auch Dasing-Pasing nochmal anders bewerten?

Metzger:: Wir haben da, wie auch bei Dachau-Aichach, zudem das Problem der beiden Verkehrsbünde, MVV (Münchner Verkehrsverbund) und AVV (Augsburger Verkehrsverbund), die aufeinander treffen. Will man wirklich vorankommen, wäre endlich ein großer Wurf nötig. Wenn ich mal eine Utopie entwerfen darf: Ich kann mir einen „MAVV” oder „AMVV” vorstellen. Das würde viele Schwierigkeiten mit einem Schlag lösen. Wir brauchen andere Strukturen.

AZ:: Zumindest die Anknüpfung des Fahrradverkehrs an die Bahnhöfe und zentralen Buslinien kann der Landkreis selber leisten.

Metzger:: Ja, das liegt in unserer Kompetenz. Es macht mich auch zuversichtlich, wenn ich sehe, was sich auf dem Radsektor, von Lastenrädern über E-Bikes bis zu Velomobilen, tut. Was der ÖPNV nicht leisten kann, ist jeden individuellen Wunsch auf dem Land zu erfüllen.

Ist der 15-Minuten-Takt zwischen Friedberg und Augsburg verloren?

AZ:: Bei der Anbindung an die Bahnhöfe ist man aber schon wieder in der Anhängigkeit. Stichwort: 15-Minuten-Takt zwischen Friedberg und Augsburg, für dessen Erhalt Sie sich wie viele Politikerinnen und Politiker eingesetzt haben. Den wird es nur noch bis 2030 geben. Schon die nächste Blockade für sinnvolle Konzepte.

Metzger:: Ja, das ist nicht klug geplant. Ich hatte erst vor kurzem Vertreter der Bahn im Haus und wir haben darüber gesprochen. Das sind Fehler, die beim Ausbau der Strecke München-Augsburg gemacht wurden. Diese Fehler werden sich nicht beheben lassen. Darauf muss man sich einstellen. Diese Investition wird die Bahn nie machen. Auch die Verbesserung auf der Strecke nach Ingolstadt kann man sich wünschen, ich halte sie aber momentan für unrealistisch.

AZ:: Kommen wir zu einem Thema, das noch schwieriger ist. Immer deutlicher ist in den politischen Debatten zu hören, dass eine weitere Zunahme der Zahl der Geflüchteten nicht mehr bewältigt werden kann. Im Jahr 2016 hat der Landkreis Aichach-Friedberg bis zu 1600 Menschen aufgenommen. Aktuell sind es etwa 1700 in den Unterkünften des Landkreises, und regelmäßig gibt es Neuankömmlinge. Das geschieht im Landkreis relativ geräuschlos. Dennoch stellt sich die Frage, wie lange das noch gut gehen wird.

Metzger:: Ich nehme für mich in Anspruch, das Thema schon immer unaufgeregt, aber mit klarer Meinung behandelt zu haben. Immer mit Blick auf die Menschen und in guter Zusammenarbeit mit den Kommunen. Ich gehöre nicht zu denen, die das Zündeln anfangen. Wir machen das gut und so, dass es für die Menschen so gut wie möglich passt. Allerdings kommen wir an einen Punkt, wo es schwierig wird, eine angemessene Unterbringung zu gewährleisten.

AZ:: Der Landkreis ist dabei auf die Mitarbeit der Städte und Gemeinden angewiesen.

Metzger:: Das war Thema beim kurzfristig angesetzten Treffen der Bürgermeister. Wir haben noch einmal eindringlich appelliert, alle Unterbringungsmöglichkeiten zu nutzen, denn wir kommen an Grenzen. Es ist übrigens ein Unterschied, geflüchtete Menschen privat in Familien aufzunehmen oder sich der Pflicht der Flüchtlingsunterbringung zu stellen. Natürlich ächzen auch Bürgermeisterin und Bürgermeister, klar und nachvollziehbar. Auch hier: das Große im Kleinen.

AZ:: Wie blicken Sie bei diesem Thema auf die Bundespolitik?

Metzger:: Es waren viele Jahre Zeit seit 2015, verbessert hat sich nichts. Das ist bitter. Bereits Beschlossenes und aktuelle Gesetzesvorhaben, etwa das Fachkräftezuwanderungsgesetz, das Staatsangehörigkeitsgesetz oder das Chancenaufenthaltsrecht, deuten in eine andere Richtung, als das, was auf EU-Ebene als Begrenzungsmaßnahmen diskutiert wird. Gleichzeitig gibt es in der Gesetzgebung des Bundes zudem die Tendenz, noch mehr Aufgaben auf die die Landkreise und kreisfreien Städte zu verlagern.

AZ:: Was meinen Sie damit konkret?

Metzger:: Beim Chancengleichheitsgesetz will man zum Beispiel den Landratsämtern Spielräume geben zu entscheiden, wer in den Genuss des Bleiberechts kommt. Das ist der komplett falsche Weg, weil damit die ein Bleiberecht zuerkannt bekommen, die eigentlich ausreisen müssten, bislang aber nicht abgeschoben werden konnten. Hier handelt es sich um eine sogenannte „Soll“- Regelung, das heißt grundsätzlich ist ein Aufenthaltsrecht zu erteilen, es sei denn es liegt ein atypischer Fall vor. Den zuständigen Ausländerbehörden wurde damit ein Spielraum gegeben, der in Vorwürfe und hinkende Vergleiche münden kann. Durch die Neuregelungen im neuen Fachkräfteeinwanderungsgesetz und im Staatsangehörigkeitsrecht wird es wohl zu einer deutlichen Steigerung der Fallzahlen kommen, was die ohnehin stark belasteten Ausländerbehörden weiter beanspruchen wird. Wie das zu stemmen sein wird, wird spannend.

Jede Woche kommen 20 bis 30 Geflüchtete an

AZ:: Nochmal zur Notunterkunft in Dasing. Es gelingt noch, dass die Menschen dort nur so lange bleiben, bis sie ein anderes Quartier gefunden haben?

Metzger:: In dem einen Fall klappt es, in dem anderen nicht, das kann man nicht generell sagen. Derzeit bekommen wir wöchentliche Zuweisungen von 20 bis 30 Personen und etwa alle zwei bis drei Wochen einen Bus mit Geflüchteten aus der Ukraine. Wir haben erst vergangene Woche einen Bus mit 30 unregistrierten Menschen aus der Ukraine bekommen, die eigentlich die Regierung von Schwaben hätte aufnehmen müssen. Da gibt es dann einen kurzen Anruf und wir müssen parat stehen.

AZ:: Gelingt es noch, neue Unterkünfte anzumieten?

Metzger:: Das ist praktisch völlig ausgereizt. Das hat auch das treffen mit der Bürgermeisterin und den Bürgermeistern wieder gezeigt.

AZ:: Was berichtet das zuständige Sachgebiet Migration über die Betreuung? Es gibt weniger freiwillige Helferinnen und Helfer, ist Integration etwas, über das früher viel gesprochen wurde, das aber jetzt nicht mehr funktioniert?

Metzger:: Ich glaube, noch funktioniert es. Aber bei den Ehrenämtlern ist ein Maß an Frust und Ärger da, auch Frust darüber, dass sich an der Situation über die Jahre, seit 2015, nichts geändert hat. Viele haben sich damals engagiert, in dem Bewusstsein, dass man etwas für die Menschen tut, ihnen hilft, und dass sich dann irgendwann wieder ein Zustand wie „vorher” einstellt. Das ist nicht so, es kommen immer neue Menschen, immer neue Herausforderungen, immer neue Aufgaben und Belastungen. Dass dann manche das Handtuch werfen, ist für mich schon nachvollziehbar.

AZ:: Das sprengt zwar die Grenzen der Lokalpolitik, aber: Wenn immer weiter immer mehr Menschen kommen, stellt sich zwangsläufig die Frage, bis zu welchem Zeitpunkt wir als Gesellschaft das noch leisten können. Dabei geht nicht nur um eine angemessene Unterbringung.

Metzger:: Ja, ich stelle schon fest, dass die Gereiztheit bei vielen Bürgerinnen und Bürgern zunimmt, auch die Ablehnung. Das macht mir Sorgen. Ich sehe aber eine Stellschraube, die wir nutzen sollten. Wir müssen mehr geflüchtete Menschen in Arbeit bringen. Da haben wir in Deutschland, auch wir im Landkreis, eine eher mäßige Quote. In anderen Ländern funktioniert das besser. Wir müssen die Anreize so setzen, dass die Menschen in Arbeitsverhältnisse gehen. Dann ändert sich auch die Außenwahrnehmung, die Neiddebatten werden weniger. Deshalb ist die Entscheidung der Bundesregierung fatal, im kommenden Jahr den Jobcentern Gelder für die Beratung zu kürzen. Das passt alles nicht zusammen.

AZ:: Das Fachkräftezuwanderungsgesetz ist da nur ein Teil einer Lösung?

Metzger:: Ja. Unbestritten ist, dass wir wegen des Fachkräftemangels Zuwanderung brauchen. Darüber vergessen wir aber die Menschen, die schon da sind. Da dreht sich derzeit - wieder - alles um die Frage der Unterbringung. Die Integration ist ein wenig hinten runtergefallen, weil alle etwa bei den Ukrainerinnen und Ukrainer gedacht haben: Die kommen aus demselben Kulturkreis, das geht einfach. Das macht aber Integrationsmaßnahmen nicht überflüssig. Und Arbeit ist ein wesentlicher Teil von Integration. Also nochmal: Vor allem brauchen wir bessere Anreize, um Geflüchtete in Arbeit zu bringen.

AZ:: Kommen wir zu einem etwas einfacheren Thema. Wir blicken hier auf den Erweiterungsbau des Landratsamtes, der deutlich klimaschonender und energieeffizienter sein wird. Hat sich mittlerweile die Aufregung darüber gelegt, dass in dem Holz-Hybrid-Bau ganz schön viel Beton steckt?

Metzger (lacht):: Bei mir ist keine Aufregung angekommen und mittlerweile steckt auch schon ganz viel Holz verbaut.

AZ:: Insgesamt läuft der Bau gut?

Metzger:: Ja, aber mit gewissen zeitlichen Verzögerungen, unter anderem wegen der archäologischen Untersuchungen.

AZ:: Ebenfalls gleich zu Beginn der Bauphase gab es deutliche Kostensteigerungen. Bei der Vergabe von verschiedenen Gewerken lag man über 700 000 Euro über den angenommenen Kosten.

Metzger:: Und das wird vermutlich nicht das Ende sein. Die aktuellen Baupreissteigerungen werden, fürchte ich, nicht an uns vorbeigehen. Die anvisierten Kosten werden wir nicht einhalten können. Das trifft im Moment ja praktisch alle Bauprojekte. (Anm. der Red: Im Mai lag die Kalkulation für den Erweiterungsbau ohne die Sanierung des bestehenden Landratsamtsgebäudes bei 18,1 Millionen Euro).

AZ:: Was ist mit dem geplanten Ersatzparkplatz für das Landratsamt in der Nähe der JVA? Dort ist bis jetzt noch nichts passiert.

Metzger:: Wir haben die Genehmigung gerade erst bekommen. Deshalb kann dort noch nichts passiert sein. Das hat zu lange gedauert, das stimmt.

Wird die Kreisumlage steigen?

AZ:: Die Haushaltsberatungen im vergangenen Jahr waren schwierig, letztendlich mussten Schulprojekte verschoben werden. Wir stehen kurz vor dem Beginn der nächsten Haushaltsberatungen. Wie sieht es derzeit aus?

Metzger:: Mit der Aufstellung des Kreishaushalts haben wir noch nicht begonnen, aber das wird das erste sein, was wir machen, was wir nach der Urlaubszeit machen. Es wird nicht einfacher. Wir haben eine ganze Reihe Projekte vor uns, und es wird noch ein weiteres dazu kommen: die Sanierung der Realschule in Mering. Bevor wir an eine Erweiterung beziehungsweise Aufstockung des Gymnasiums in Mering denken, muss wohl die Realschule umfassend saniert werden. Dazu kommen die Neu- und Umbauten an anderen Schulen.

AZ:: In den vergangenen Jahren lag die Kreisumlage bei 48 Punkten. Dabei wird es wohl nicht bleiben. Dachau hat in diesem Jahr bereits auf 49,5 Punkte erhöht.

Metzger:: Schauen wir mal. Ich bin da sehr fürs Maßhalten. Bevor die Städte und Gemeinden noch mehr belastet werden, bin ich für Umschichtungen um Kreishaushalt. Mein Ziel war und ist es, die Kreisumlage halbwegs stabil zu halten. Aber an den Schulen und an der Bildung zu sparen, das habe ich schon oft gesagt, wäre völlig falsch.

AZ:: Das tut man offensichtlich auch nicht. Auch wenn manche Baumaßnahmen geschoben wurden, sind andererseits schon wieder neue Bildungseinrichtungen hinzugekommen: Fachakademie, die Außenstelle der Technischen Hochschule Augsburg, der Bildungslandkreis expandiert also sozusagen. Gibt es nun noch Lücken im Bildungsbereich, die man noch schließen könnte oder müsste?

Metzger:: Nein, ich glaube, es gibt nichts, was wir nicht haben.

AZ:: Genauso wichtig sind aber andere große Brocken im Haushalt. Zum Beispiel ÖPNV und Krankenhäuser. Wird es in Zukunft mehr Verteilungskonflikte zwischen den Bereichen geben? Die politische Moderation solcher Konflikte dürfte nicht einfacher werden.

Metzger:: Ich denke, wir werden wieder, wie im vergangenen Jahr, Alternativen für den Haushalt vorschlagen, also nicht mit einem Paket in die Kreisgremien kommen, dem man zustimmen kann oder eben nicht. Wir werden Varianten vorstellen, und dann muss man es politisch entscheiden. Da wird es manchen sauren Apfel geben, in den man beißen muss, aber das ist dann eben so.

Krankenhäuser: Defizite und eine schwierige Reform

AZ:: Kommen wir zu einem der großen Brocken: Die jüngsten Meldung aus den Kliniken an der Paar waren für manche Leser schwer zu verstehen. Einerseits zahlt der Landkreis 2023 sieben Millionen Euro, um deren Defizite (auch für zurückliegende Jahre), andererseits ist man damit aber ganz zufrieden. Können Sie das den Leserinnen und Lesern noch einmal kurz erläutern.

Metzger:: Das tatsächliche Defizit der Kliniken an der Paar aus dem Geschäftsbetrieb 2022 bewegt sich auf einem erträglichen Niveau, bei etwa 3,5 Millionen Euro. Das ist kein Grund zu jubeln, aber es hat schon ganz andere Zahlen und Prognosen gegeben. Das heißt: Betrachtet man den rein wirtschaftlichen Betrieb der Kliniken und die Auslastung, dann gibt es Signale, die ganz positiv sind.

AZ:: Es kommen aber noch andere Summen hinzu.

Metzger:: Ja. Die wahrscheinliche Rückzahlung der Corona-Hilfen aus den Jahren 2021 und 2022, insgesamt 2,4 Millionen Euro, die 1,1 Millionen Euro, die wir noch jedes Jahr für den Neubau finanzieren, das summiert sich dann zu den knapp sieben Millionen Euro.

AZ:: Sie und Klinikgeschäftsführer Dr. Hubert Mayer haben aber bereits darauf hingewiesen, dass die stark steigenden Personalkosten den Haushalt belasten werden.

Metzger:: Das ist in allen öffentlichen Haushalten im kommenden Jahr so, und das betrifft die Kliniken ganz massiv. Ich gönne jeder und jedem mehr Geld, darüber müssen wir nicht reden. Allerdings starten wir in das Jahr 2024 gleich mit einem Defizit von drei Millionen aufgrund der Tarifverträge, das nicht durch die Leistungsvergütung gegenfinanziert ist. Wie sollen wir das zusätzlich erwirtschaften? Es geht aber nicht nur ums Geld, sondern auch um festgeschriebene Arbeitszeitregelungen. Wir werden deswegen deutlich mehr Personal im medizinischen Bereich brauchen, wobei noch völlig unklar ist, woher das kommen soll. Dann dreht sich möglicherweise die Spirale wieder: Müsste man Stationen schließen, weil das Personal fehlt, geht die Auslastung der Kliniken nach unten, das erhöht wiederum das Defizit, die Personalkosten steigen - dann kann es sein, dass der Landkreis wieder deutlich mehr für die Kliniken zahlen muss.

AZ:: Beim Personalmangel in der Pflege hat der Klinikgeschäftsführer zuletzt von einer gewissen Entspannung gesprochen.

Metzger:: Die Zahl der krankheitsbedingten Abwesenheiten, die die Kliniken insbesondere in den letzten Coronawellen massiv belasteten, sind geringer, das ist richtig. Die Kliniken können außerdem zunehmend Absolventen aus der generalistischen Fachpflegeausbildung im Landkreis als Fachkräfte gewinnen. Wir können die meisten Anforderungen erfüllen. Im kommenden Jahr kann das schon wieder ganz anders aussehen.

AZ:: Im Moment sorgt Corona wieder für Schlagzeilen, zumindest bekommt das Thema wieder verstärkt Aufmerksamkeit. Neue Einschränkungen, vielleicht sogar Schließlungen sind sicher das Letzte, was die Kliniken brauchen können.

Metzger:: Das ist schwierig zu prognostizieren. Die Kliniken waren sicher gut beraten, jetzt mit einer - sehr moderaten - Einschränkung der Besuchszeiten zu reagieren. Aber man muss den Bürgerinnen und Bürgern schon deutlich machen, dass es noch Gefährdungslagen gibt. Die sind, zum Glück, nicht mehr so akut, aber sie sind noch da.

AZ:: Sie haben den Brandbrief der bayerischen Landräte wegen der geplanten Krankenhausreform mitunterschrieben. Dabei sind Sie, wenn wir Sie richtig verstanden haben, nicht grundsätzlich gegen Reformen. Was gefällt Ihnen denn an den Überlegungen, und wo sehen Sie Probleme?

Metzger:: Kritisch sehe ich vor allem, dass in dem Gesetz, wenn es denn so kommt, wenig zwischen Stadt und Land unterschieden wird. Man muss sich die konkreten Bedarfe ansehen! Stadt und Land sind nun mal verschieden strukturiert. Schon alleine die Versorgung mit niedergelassenen Fachärzten, die auf dem Land viel schlechter ist als in der Stadt, spricht dafür, die kleinen Krankenhäuser zu erhalten.

AZ:: Gibt es weitere Aspekte, die Sie kritisieren?

Metzger:: Wenn man eine Reform macht, wofür ich bin, und wenn man sich entscheidet, dass nicht jede Klinik alle medizinischen Angebote vorhalten muss, wofür ich ebenfalls bin, auch aus Qualitätsgründen, dann muss man sehen, was mit den Häusern passiert. Nehmen wir als Beispiel die Uni-Klinik in Augsburg, die der sogenannte Maximalversorger für unsere Region ist. Die möchte die Notaufnahme umstrukturieren. Im Moment erbringt die Klinik über 50 Prozent der Leistung in der Notfallmedizin. Aber eine Uni-Klinik hat andere Aufgaben als primär die Notfallversorgung. Was passiert aber dann mit den Menschen, die in der dortigen Notaufnahme nicht mehr aufgenommen werden? Wo gehen die hin?

AZ:: Die kommen nach Friedberg und Aichach?

Metzger:: Zumindest ist es so: Wenn in den ländlichen Regionen rund um ein Zentrum die Krankenhäuser zugemacht werden, gibt es ein Defizit in der Notfallversorgung. Diese Fragen sind in dem Gesetzesentwurf nicht gelöst, wobei das auch Fragen sind, die eine Region für sich beantworten muss. Das kann sie aber erst, wenn es ein entsprechendes Reformgesetz gibt.

AZ:: Weitere Punkte?

Metzger:: Ja. Wenn die Krankenhäuser umgruppiert werden, wie geplant, dann werden, weil wir die Notaufnahme schon vor einigen Jahren umstrukturiert haben, Aichach und Friedberg Häuser der Grundversorgung mit Notversorgung. Dann ist aber eine entsprechende Kostenerstattung notwendig. Auch nicht gelöst ist eine andere Frage: Wenn man die Aufenthaltsdauer verkürzt oder ein Krankenhaus gar nicht mehr da ist, wo gehen die Menschen hin, die nach einem Klinikaufenthalt keinen Pflegeplatz haben? Die sind bisher als sogenannte Überlieger in den Krankenhäusern, vor allem den kleinen, geblieben, die Leistung wird aber nicht vergütet. Wo diese Patienten weiter betreut werden sollen, ist auch eine ungeklärte Frage.

AZ:: Also das Fazit ist. Eine Reform ist notwendig, aber eine andere?

Metzger:: Ja. Sie muss vernünftig finanziert werden, man muss auf die Region blicken. Was gibt es dort, was ist notwendig, wie ist die Versorgung und so weiter. Dann ist eine Entscheidung notwendig, was am Standort A gemacht wird und was am Standort B. Das ist aber mit Aufgabe des Landes, da muss der Freistaat Bayern ran.

AZ:: Der Landkreis hält 37 Prozent des Biomasse Wärme-Verbundes Aichach mit seinem Blockheizkraftwerk. Können Sie uns erklären, welche Folgen die Pläne der Bundesregierung unter Umständen für das Aichacher werk haben? Muss man unter Umständen den Biomasse herunterfahren und auf andere Energieträger umsteigen?Der Aichacher Bürgermeister Klaus Habermann hat das in seinem Sommerinterview schon kritisiert.

Metzger:: Ich teile diese Kritik uneingeschränkt. Es handelt sich um viel, viel Bürokratie. Jetzt müssen sich die Städte auch noch um die Wärmeplanung kümmern. Ich fürchte, viele Kommunen werden damit überfordert sein.

AZ:: Wie stellt man sich darauf ein?

Metzger:: Man kann sich nicht darauf einstellen. Viel zu vieles ist noch offen und unklar, und wer weiß, welche Kapriolen noch folgen.

AZ:: Wir sind hier an einem Punkt, den Sie in den vergangenen Sommerinterviews immer wieder kritisiert haben: Es wird „oben”, in Berlin oder München, etwas entschieden, „unten”, bei den Landkreisen und Kommunen, soll es umgesetzt werden. Ohne klare Vorgaben, ohne für die notwendige Finanzierung und das Personal zu sorgen.

Metzger:: Ja, in dem konkreten Fall kann die Regierung den Bürgerinnen und Bürgern dann sagen: Wir haben Eure Städte beauftragt, das zu erledigen. Wenn es nicht funktioniert, beschwert euch dort. Und die Finanzierung und das fehlende Personal sind wieder Themen für sich.

AZ:: Woran liegt diese fehlenden Abstimmung zwischen Berlin, München und den Kommunen, zwischen oben und unten?

Metzger:: Ich werde nicht irgendwen an den Pranger stellen oder jemandem die Schuld in die Schuhe schieben. Mittlerweile ist alles aber so kompliziert geworden, dass wir oft handlungsunfähig sind. Was aber tatsächlich nicht funktioniert ist, dass man sich nicht kundig macht, wie es vor Ort aussieht. Das war beim Thema Asyl schon 2015 so, das war es jetzt wieder, das war beim Heizungsgesetz so, das ist bei den neuen Asylgesetzen so, bei der Energieplanung und so weiter.

AZ:: Haben Sie eine Vermutung, warum das so ist?

Metzger:: Wie gesagt, ich möchte niemanden, der sich in der Politik engagiert und sich dabei auch der öffentlichen Kritik aussetzt, irgendetwas unterstellen. Was es meiner Überzeugung nach aber schon gibt, das sind Blasen, in denen sich Politikerinnen und Politiker bewegen, und in diesen Blasen lebt man eben oft in einer eigenen Welt. Die Abkoppelung von der Lebenswirklichkeit der Bürgerinnen und Bürger ist das Problem. Das behindert schon sehr.

Die bayerischen Spitzenverbände sind in Berlin nicht einmal angehört worden.

AZ:: Haben Sie dafür ein Beispiel parat?

Metzger:: Die bayerischen Gemeinden, Städte und Landkreise haben im vergangenen Jahr gedrängt, dass uns der Bundeskanzler zum Thema Asyl einmal anhört. Da ist über Monate hinweg nicht einmal eine Antwort gekommen. Wenn drei bayerische Spitzenverbände (Anm. der Red. Gemeindetag, Städtetag, Landkreistag) nach Berlin schreiben und man es nicht einmal für nötig hält, eine Antwort zu geben, dann ist das schon bezeichnend.

AZ:: Die Kritik an der Bürokratie ist auf der kommunalen Ebene ein Dauerthema. Haben Sie ein besonders markantes Beispiel parat.

Metzger:: Nehmen wir ein Beispiel aus dem Bereich Kinderbetreuung. Die Stadt Aichach möchte einen Waldkindergarten errichten. Kita-Plätze sind dringend benötigt, das ist bekannt. Geplant sind Container, die unter anderem eine Heizung haben. Nun gibt es einen - baurechtlichen - Unterschied zwischen einem Waldkindergarten und einem Kindergarten im Wald. Und ein Waldkindergarten darf kein Gebäude mit einer Heizung haben, sondern nur, zum Beispiel, eine Jurte ohne Heizung. Deshalb sagt das Ministerium, es handelt sich nicht um einen Waldkindergarten und deshalb ist das Projekt im Außenbereich nicht genehmigungsfähig. Da versucht eine Stadt Plätze zu schaffen, den Mangel zu beheben und dann kommen baurechtliche Hindernisse - das verstehe ich nicht mehr. Priorität muss doch haben, dass die Plätze geschaffen werden.

AZ:: Das heißt also?

Metzger:: Das Landratsamt kann das Gebäude nicht genehmigen, weil die baurechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt sind. Deshalb werde ich es politisch genehmigen. Es hängt übrigens nur an der Heizung!

AZ:: Das heißt also, wenn die Kinder frieren ist es ein Waldkindergarten?

Metzger:: So kann man das sehen.

AZ:: Können Sie sich in Ihrer Amtszeit daran erinnern, dass irgendwo einmal Bürokratie abgebaut wurde?

Metzger:: Da will ich jetzt ganz redlich drüber nachdenken (lacht, überlegt lange). Ich fürchte, da fällt mir nichts ein. Nein. Doch, bei EU-weiten Ausschreibungen wird es Änderungen geben.

AZ:: Beim Sommerinterview 2018, also mitten im letzten Landtagswahlkampf in Bayern, haben Sie vermittelt, dass Sie mit dem Stil und auch den Inhalten des CSU-Wahlkampf durchaus unzufrieden waren. Wie sieht das in diesem Jahr aus?

Metzger:: Ich spreche ja ungern von „Wahlkampf“, weil ich auch da menschenfreundlich unterstelle, dass zumindest demokratische Parteien immer das aus ihrer Sicht Beste wollen. Aber ja, nach wie vor meine ich, man darf Inhalte, Stil und Rhetorik antidemokratischer Parteien nicht übernehmen. Da gab es ja nun unlängst wenig erfreuliche Beispiele. Demokratische Parteien müssen selbstbewusst auftreten, niemandem nach dem Mund reden, klares Profil zeigen. Im kommunalen Bereich geht es mir darum herauszustellen, was wir gemeinsam haben. Man muss Unterschiede haben, aber ich halte wenig davon, anderen mit der Keule auf den Kopf zu hauen. Das ist auch ein Grund für die Unzufriedenheit der Bürger. Die bekommen den Eindruck, dass keiner Zeit für die eigentliche Arbeit hat, wenn ständig nur gestritten wird.

Der Jugendkreistag hat einen eindrucksvollen Start hingelegt

AZ:: Kommen wir noch zu etwas Erfreulichem. Seit dem vergangenen Jahr hat auch Aichach-Friedberg einen Jugendkreistag. Sie haben bei mehreren Gelegenheiten betont, welch positiven Eindruck die Schülerinnen und Schüler auf sie gemacht haben. Mittlerweile ist der erste Kreistag turnusgemäß aufgelöst, die Wahlen zum nächsten stehen demnächst an. Wie sieht ihre bisherige Bilanz aus?

Metzger:: Unser Jugendkreistag, der erste in Schwaben, ist eine großartige Sache. Götz Gölitz und Matthias Matuschka (vom Bildungsbüro und der Kommunalen Jugendarbeit, Anm. d. Red.) betreuen das ganze Projekt sehr gut. Unsere Befürchtung war zunächst, dass wir den Jugendlichen das Erwachsensein „drüberstülpen” und allzu stark lenken. Es ist uns, glaube ich, gut gelungen, das zu vermeiden. Die Diskussionen waren immer munter, und es ist viel passiert, zum Beispiel eine Baumpflanzaktion und eine Kinoaktion. Man muss bedenken, dass dieser Jugendkreistag wegen Corona keine volle Amtszeit von zwei Jahren hatte.

AZ:: Können Sie ein Beispiel schildern, wie politische Bildung in dieser Form aussieht?

Metzger:: Was die Jugendlichen gelernt haben: Demokratie ist sachbezogener Kompromiss und Mehrheiten entscheiden. Spannend war, wie immer, das Geld: Der Jugendkreistag hat ein Budget von 5000 Euro. Bei vielen Diskussionen führte das zu den Fragen: „Müssen wir das aus unserem Budget zahlen?” und „Ist das in unserem Budget noch drin?”. Haushaltsdisziplin! Wie bei den „Großen”.

Kandidieren Sie noch einmal?

AZ:: Wie geht es mit dem Jugendkreistag weiter?

Metzger:: Der Jugendkreistag ist aktuell turnusgemäß aufgelöst. Wenn im neuen Schuljahr die Klassen- und Schülersprecher gewählt sind, wird sich dann wieder ein Jugendkreistag konstituieren. Es ist gerade zurzeit ganz wichtig, dass wir die jungen Menschen dabei unterstützen, sich - um einen aus der Mode gekommenen Begriff zu verwenden - staatsbürgerlich bilden.

AZ:: Sie befinden sich mitten in ihrer zweiten Amtszeit, Sie sind dieses Jahr 60 Jahre alt geworden, haben Sie schon eine Entscheidung getroffen, ob es die letzte Amtszeit sein wird?

Metzger:: Es gibt noch viel zu tun! Ich habe für mich zu Beginn dieser Amtszeit entschieden. Das gilt noch, aber es könnten Situationen eintreten, aufgrund derer ich es mir anders überlegen würde.

AZ:: Können Sie das näher erklären?

Metzger:: Nein, noch nicht.

AZ:: Bei einem Interview über Literatur, Bücher und das Lesen haben Sie letztens verraten, dass Sie seit ihrem Amtsantritt als Landrat eine tägliche Chronik führen, die mittlerweile mehrere Tausend Seiten umfasst. Sie sind Germanist, belesen und haben unter anderem mehrere Fachbücher verfasst, in dem Interview haben Sie aber verneint, literarische Ambitionen zu haben. Dennoch liegt die Frage nahe: Bergen diese Notizen nicht doch den Stoff für einen Roman? Nach Robert Menasses „Die Hauptstadt“ vielleicht „Die Kreisstadt“ oder „Der Bindestrich-Landkreis“?

Metzger (lacht):: Um Gottes willen, nein. Diese Notizen dienen eher der Selbstreflexion und Selbstvergewisserung. Aber falls mit langweilig wird irgendwann...

AZ:: Herr Dr. Metzger, wir danken für das Gespräch.

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