Der Jahresrückblick 2023 der Aichacher Zeitung
Veröffentlicht am 18.10.2022 13:35

1985 wurde Joschka Fischer zum hessischen Umweltminister vereidigt. Dabei trug der ehemalige Taxifahrer und Weitwurf-Spezialist weiße Turnschuhe. Denn Turnschuhe galten lange Zeit als das Markenzeichen der Grünen. Lange wurden die Grünen-Abgeordneten von den anderen herablassend als "Turnschuh-Fraktion" bezeichnet. Die jungen Wilden trugen die legeren Treter als Statement, um sich abzusetzen gegen Konzerne, gegen Anzugträger, gegen das Establishment. Man kann es wohl als Treppenwitz der Geschichte ansehen, dass weiße Turnschuhe, die freilich nicht mehr Turnschuhe, sondern Sneaker heißen, längst zur modischen Ausstattung eben dieses einst verpönten Establishments gehören. Denn die Sneaker stehen für Agilität und Ausdauer, die Farbe Weiß für Unschuld und Reinheit. Komischerweise sieht man das sportliche Schuhwerk an den Füßen der Grünen nur noch selten, obwohl die Grünen mittlerweile selbst zur politischen Elite und also zum Establishment gehören.

Egal. Der modische Trend der weißen Sneaker hat nun auch die Familie des Kollegen W. erreicht, genauer die siebenjährige Tochter. Die erklärte dem Kollegen kürzlich mit der unwiderlegbaren Logik, die ausschließlich Kindern und Egomanen zu eigen ist: Sie brauche weiße Turnschuhe, weil sie weiße Turnschuhe möchte. Ja ne, is klar. Weil sie tatsächlich aus ihren Latschen nach gefühlt zwei Wochen schon wieder herausgewachsen war, gab die Mutter dem Schuh-Ansinnen nach und kaufte dem Mädl tatsächlich All-White-Sneaer. Und siehe da: Die Treter sehen wirklich stylisch aus. Der klitzekleine Haken bei der Sache: Die Schuhe ziehen Schmutz magisch an.

Also nahmen die Eltern die Siebenjährige kurz beiseite, um ihr einzubläuen: Pass gut auf, wo Du hintrittst! Gehört hat die Zweitklässlerin die Mahnung schon, allein richtig angekommen ist die Information bei ihr nicht. Denn nachdem sie am Samstag bei einer Freundin war, waren die Schuhe plötzlich nicht mehr weiß, sondern sahen, wie soll man es ausdrücken, irgendwie verändert aus. Um es mal in einem Bild auszudrücken: Die ehedem modische Fußbekleidung wirkte, als hätte es etwas angestellt und sei dann zur Strafe mit Schlamm beschmiert und mit Blättern beklebt worden, so eine Art Teeren und Federn für Schuhe. Und wo wir gerade bei längst vergangenen Zeiten sind: Im 15. Jahrhundert kamen in Spanien und Italien und dort vor allem in der Damenmode von Venedig die kunstvoll gearbeiteten Chopinen auf. Das waren sehr hohe Schuhe, die von Patrizierdamen und Kurtisanen getragen wurden, und den Zweck hatten dem Straßendreck zu entgehen. Aber vielleicht tuen es ja

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