Bertolt Brecht hat es ja schon gewusst: „Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral!“ Vom Wahrheitsgehalt dieses Satzes konnte sich Kollege M. während seines Urlaubs auf Korfu überzeugen. Zum ersten – und vermutlich auch zum letzten – Mal hatte er mit seiner Familie einen All-Inclusive-Hotelaufenthalt gebucht. Das dauerhafte Tragen eines Armbändchens berechtigte M., seine Frau und seine beiden Töchter zur Teilnahme an einer wahren Fressorgie: Frühstück ab 7 Uhr, für Langschläfer sogar bis 11 Uhr, Snacks ab 10 Uhr, Mittagessen ab 12 Uhr, danach noch mehr Snacks und ab 19 Uhr dann das große Abendessen. Man sollte also meinen, jeder Hotelgast müsste rund um die Uhr satt sein, doch weit gefehlt.
Zu jeder großen Mahlzeit, also dreimal täglich, wiederholte sich das gleiche Schauspiel. Schon zehn Minuten, bevor das Hotelpersonal die Pforten zum Restaurant öffnete und damit den Weg zum Buffet freimachte, drehten die Menschen vor der Türe aufgeregt ihre Runden wie ein Rudel Riffhaie. Als dann endlich das Essen gefasst werden durfte, wurde gedrängelt, geschubst und besonders fies dreingeschaut. Nicht wenige schaufelten sich gleich drei Teller voll mit Essen, die dann mühevoll zum Sitzplatz manövriert wurden. Was genau diese offensichtliche Angst vor dem Verhungern im Urlaub ausgelöst haben könnte, blieb für M. ein ungelöstes Rätsel.
Auch an der Snackbar ließen sich viele Hotelgäste von einem übertriebenen Überlebenstrieb leiten. Das wiederum veranlasste M.s Töchter dazu, sich einen Spaß daraus zu machen, besonders gierig scheinenden Hotelgästen die vermeintlich letzten Bissen vor der Nase wegzuschnappen. Während sich etwa eine ältere Dame, die laut M.s Tochter definitiv schon genügend Pizza gegessen hatte, umständlich die Gebäckzange krallte, sauste das Mädchen heran und griff beherzt mit der bloßen Hand nach dem letzten Stück Italien-Torte. Voller Stolz brachte sie ihre Trophäe ihrem Vater, der es sich freilich schmecken ließ und ziemlich stolz war, dass sich seine Töchter als Sand im Getriebe der Fressmaschinerie erwiesen hatten.
Das nächste Mal wieder Halbpension, raten die Reiseleiter der Augsburg-Redaktion