Der Jahresrückblick 2023 der Aichacher Zeitung
Veröffentlicht am 06.10.2022 12:30

Betriebe haben eine Mitschuld am Personalmangel

Cornelia Nieberle-Schreiegg: Schulleiterin der Beruflichen Schulen Wittelsbacher Land.<br><br>Nach ihrem Realschulabschluss in Schwabmünchen und einer Ausbildung zur Bürokauffrau besuchte Nieberle-Schreiegg die Berufsoberschule in Augsburg. Von 1982 bis 1987 studierte sie Wirtschaftspädagogik mit Zweitfach Deutsch an der Ludwig-Maximilians-Universität in München und machte ihren Abschluss als Diplomhandelslehrerin. Nach einem zweijährigen Vorbereitungsdienst war sie ab 1989 Lehrerin für Wirtschaftswissenschaften und Deutsch an der Staatlichen Berufsschule Kaufbeuren. 2010 wurde sie Fachbetreuerin im Bereich Wirtschaft und Verwaltung und 2015 stellvertretende Schulleiterin an der Berufsschule Kaufbeuren. Seit dem 1. August 2018 ist die 61-Jährige Schulleiterin der Beruflichen Schulen Wittelsbacher Land. (Foto: tw)
Cornelia Nieberle-Schreiegg: Schulleiterin der Beruflichen Schulen Wittelsbacher Land.

Nach ihrem Realschulabschluss in Schwabmünchen und einer Ausbildung zur Bürokauffrau besuchte Nieberle-Schreiegg die Berufsoberschule in Augsburg. Von 1982 bis 1987 studierte sie Wirtschaftspädagogik mit Zweitfach Deutsch an der Ludwig-Maximilians-Universität in München und machte ihren Abschluss als Diplomhandelslehrerin. Nach einem zweijährigen Vorbereitungsdienst war sie ab 1989 Lehrerin für Wirtschaftswissenschaften und Deutsch an der Staatlichen Berufsschule Kaufbeuren. 2010 wurde sie Fachbetreuerin im Bereich Wirtschaft und Verwaltung und 2015 stellvertretende Schulleiterin an der Berufsschule Kaufbeuren. Seit dem 1. August 2018 ist die 61-Jährige Schulleiterin der Beruflichen Schulen Wittelsbacher Land. (Foto: tw)
Cornelia Nieberle-Schreiegg: Schulleiterin der Beruflichen Schulen Wittelsbacher Land.

Nach ihrem Realschulabschluss in Schwabmünchen und einer Ausbildung zur Bürokauffrau besuchte Nieberle-Schreiegg die Berufsoberschule in Augsburg. Von 1982 bis 1987 studierte sie Wirtschaftspädagogik mit Zweitfach Deutsch an der Ludwig-Maximilians-Universität in München und machte ihren Abschluss als Diplomhandelslehrerin. Nach einem zweijährigen Vorbereitungsdienst war sie ab 1989 Lehrerin für Wirtschaftswissenschaften und Deutsch an der Staatlichen Berufsschule Kaufbeuren. 2010 wurde sie Fachbetreuerin im Bereich Wirtschaft und Verwaltung und 2015 stellvertretende Schulleiterin an der Berufsschule Kaufbeuren. Seit dem 1. August 2018 ist die 61-Jährige Schulleiterin der Beruflichen Schulen Wittelsbacher Land. (Foto: tw)
Cornelia Nieberle-Schreiegg: Schulleiterin der Beruflichen Schulen Wittelsbacher Land.

Nach ihrem Realschulabschluss in Schwabmünchen und einer Ausbildung zur Bürokauffrau besuchte Nieberle-Schreiegg die Berufsoberschule in Augsburg. Von 1982 bis 1987 studierte sie Wirtschaftspädagogik mit Zweitfach Deutsch an der Ludwig-Maximilians-Universität in München und machte ihren Abschluss als Diplomhandelslehrerin. Nach einem zweijährigen Vorbereitungsdienst war sie ab 1989 Lehrerin für Wirtschaftswissenschaften und Deutsch an der Staatlichen Berufsschule Kaufbeuren. 2010 wurde sie Fachbetreuerin im Bereich Wirtschaft und Verwaltung und 2015 stellvertretende Schulleiterin an der Berufsschule Kaufbeuren. Seit dem 1. August 2018 ist die 61-Jährige Schulleiterin der Beruflichen Schulen Wittelsbacher Land. (Foto: tw)
Cornelia Nieberle-Schreiegg: Schulleiterin der Beruflichen Schulen Wittelsbacher Land.

Nach ihrem Realschulabschluss in Schwabmünchen und einer Ausbildung zur Bürokauffrau besuchte Nieberle-Schreiegg die Berufsoberschule in Augsburg. Von 1982 bis 1987 studierte sie Wirtschaftspädagogik mit Zweitfach Deutsch an der Ludwig-Maximilians-Universität in München und machte ihren Abschluss als Diplomhandelslehrerin. Nach einem zweijährigen Vorbereitungsdienst war sie ab 1989 Lehrerin für Wirtschaftswissenschaften und Deutsch an der Staatlichen Berufsschule Kaufbeuren. 2010 wurde sie Fachbetreuerin im Bereich Wirtschaft und Verwaltung und 2015 stellvertretende Schulleiterin an der Berufsschule Kaufbeuren. Seit dem 1. August 2018 ist die 61-Jährige Schulleiterin der Beruflichen Schulen Wittelsbacher Land. (Foto: tw)

Früher herrschte auf Baustellen und in Handwerksbetrieben häufig ein recht rauer Umgangston. "Schleich di, du bist doch zu blöd zum Wurstsemmel holen", gehörte noch zu den harmloseren Formulierungen. Daran hat sich mittlerweile, freilich nicht überall, aber doch spürbar etwas geändert. Der Grund dafür ist nicht, weil sich die Unternehmenskultur grundlegend geändert hätte. Ausschlaggebend dafür ist schlicht, dass es sich Betriebe aufgrund des Personalmangels schlicht nicht mehr leisten können. Ein Bauunternehmer, der einen seiner Mauerer wegen einer Kleinigkeit runtermacht, muss heute damit rechnen, dass der Gescholtene hinschmeißt und sich beim nächsten Arbeit sucht. Warum? Weil er es kann. Denn auf dem Bau werden Mitarbeiter und Lehrlinge händeringend gesucht.

Das weiß niemand so gut wie Cornelia Nieberle-Schreiegg. Die 61-Jährige ist Schulleiterin der Beruflichen Schulen Wittelsbacher Land. An drei Standorten werden hier etwa 1400 Schüler unterrichtet. Noch im Juli, berichtet die Pädagogin, sei bei ihr keine einzige Anmeldung für die Bauklasse eingegangen. Daraufhin wurde die Verantwortung in Absprache mit der Regierung von Schwaben an die Berufsschule VI in Augsburg abgegeben, „in der Annahme, dass dort genügend Auszubildende des Bauhandwerks zusammen kämen“. „Ein Trugschluss“, so die Schulleiterin, „denn am Ende werden dort nur insgesamt 13 Maurer, Fliesenleger und Betonbauer in einer Eingangsklasse beschult, neun davon aus dem Landkreis Aichach-Friedberg“.

Man muss kein Rechengenie sein, um der Schulleiterin beizupflichten, wenn sie sagt, die Entwicklung sei "dramatisch". In einer Region mit annähernd 600▎000 Einwohnern wollen in einem Jahrgang gerade Mal 13 auf dem Bau arbeiten. Da darf man sich in der Tat fragen, wer künftig die Eigenheime und Miethäuser bauen und sanieren soll. Und das Problem trifft bekanntlich nicht nur die Baubranche allein. Überall fehlen Leute: in den Gaststätten, als Busfahrer, im Kindergarten, im Einzelhandel oder im Schwimmbad. Man könnte die Liste beliebig weiterführen. Und darüber spekulieren, was sich ändern muss, damit sich die Lage zum Besseren verändert.

Cornelia Nieberle-Schreiegg hat dazu ihre eigene Theorie, die eng verknüpft ist mit ihrer Biografie. Die 61-Jährige stammt aus einem Arbeiterhaushalt. Ihr Vater, ausgebildeter Landwirt, war erst Lkw-, später Busfahrer. Ihre Mutter war im Gartenbaubetrieb ihrer Eltern als Familienangehörige verpflichtet, nach dem Krieg das Geschäft mit aufzubauen, einen Beruf zu erlernen war ihr nicht gegönnt. "Meine Eltern", sagt Nieberle-Schreiegg, "wollten etwas anderes, etwas Besseres für mich und meine Geschwister". Und so sei das eben auch heute noch. Kaum ein Vater, eine Mutter wolle, dass das Kind später unter harten körperlichen Bedingungen arbeiten müsse. Durch die Bildungsreform in den 70er Jahren stünden weiterführende Schulen zugleich nicht mehr nur wenigen, privilegierten Schülern offen.

Die Folge: „Gymnasien und Realschulen haben einen immensen Zulauf an Schülern, ebenso Fachober- und Berufsoberschulen, während die Mittelschulen das Nachsehen haben“, so die Berufsschullehrerin. Alles dränge zu einem Studium. "Gleichzeitig baut sich bei vielen Eltern und Kindern etwa beim Übertritt ins Gymnasium ein enormer Druck auf“, stellt Nieberle-Schreiegg fest. Mit der Kritik an dieser Entwicklung steht die 61-Jährige nicht allein da. Seit Jahren bemängeln Industrie und Handel, dass der Boom der Studentenzahlen zulasten der dualen Berufsausbildung gehe. Viele die studieren, wären in einer Berufsausbildung besser aufgehoben, heißt es häufig. Die Forderung daraus: Die Hochschulen sollen mit sinnvollen Zugangsbeschränkungen, die sich nicht nur an den Abiturnoten orientieren dürfen, geeignete Kandidaten für die richtigen Fächer finden.

Nieberle-Schreiegg sieht die Mitschuld an der Überakademisierung aber auch bei den Betrieben selbst. Über Jahre hinweg seien die Bewerber mit einem Mittelschulabschluss nicht zum Zug gekommen und als Eingangsvoraussetzung sei häufig sogar Abitur gefordert worden, insbesondere bei den kaufmännischen Ausbildungen. "Und jetzt schlägt das Ganze ins Gegenteil um, jetzt nehmen sie quasi jeden." Aber nicht jeder, weiß die studierte Wirtschaftspädagogin, bringe auch die nötigen Voraussetzungen für eine Lehre mit. "Da fehlt es oft am Verhalten gegenüber den Vorgesetzten, an der Pünktlichkeit, den Umgangsformen, der Zuverlässigkeit", zählt Nieberle-Schreiegg auf. Auszubildende, die diese Grundlagen zu Hause nicht mitbekommen hätten, würden die Probezeit selten bestehen. Die Ausbildungsabbrecher mit Mittelschulabschluss landen dann in der Berufsschule in Klassen für Jugendliche ohne Ausbildung, "obwohl sie auf Schule eigentlich nicht die geringste Lust haben und schulmüde sind". Bei dieser, im Ganzen gesehen, kleinen Gruppe fehle es häufig völlig am Respekt gegenüber den Lehrern, dem Hausmeister, den Reinigungskräften. "Die kennen nur Rechte, aber keine Pflichten."

Nieberle-Schreiegg erwartet aber nicht nur von ihren Schülern Respekt und Achtung, sie wünscht sich auch mehr gesellschaftliche Wertschätzung gegenüber einfachen Berufen, „denn jeder trägt seinen Teil zum Ganzen bei“. Während der Corona-Pandemie, so die 61-Jährige, wurden den Pflegekräften applaudiert, Supermarkt-Mitarbeiter wurden als systemrelevant eingestuft. Davon sei wenig geblieben. "Geistige Arbeit wird noch immer sehr viel höher angesehen als körperliche. Das schlägt sich leider auch in der Entlohnung nieder." Aber es müsse eben auch jemanden geben, der die vermeintliche Drecksarbeit mache.

Da Nieberle-Schreiegg auch die Seite vor allem kleiner oder mittelständischer Betriebe kennt, sieht sie für dieses Problem keine schnelle Lösung: "Die Nettogehälter von angestellten Handwerkern, Elektrikern oder Schreinern zum Beispiel sind zu gering“. Auf der anderen Seite können die Firmen die Gehälter nicht ohne weiteres aufstocken und in die Angebote einkalkulieren, weil sie sonst nicht mehr wettbewerbsfähig sind – zumal bei europaweiten Ausschreibungen", beschreibt die Schulleiterin das aktuelle Dilemma. Dagegen seien in den Pflegeberufen schlechte Arbeitsbedingungen vorrangig Schuld an mangelndem Personal. Es gelte mehr Anreize zu schaffen, wie bessere Arbeitszeiten oder ein früheres Renteneintrittsalter für Berufe, die körperlich schwer arbeiten müssen.

Nieberle-Schreiegg sieht nach wie vor in einer Ausbildung im dualen System einen unschätzbaren Wert – für den Einzelnen und die Gesellschaft. "Es gibt mittlerweile viele, die studiert haben und dann in der Praxis merken, es fehlt ihnen etwas." „Eine Ausbildung bietet eine hervorragende Basis und so kann ein ausgebildeter Tischler mit einer entsprechenden schulischen allgemeinen Vorausbildung mühelos Innenarchitektur oder Architektur studieren.

Auch der umgekehrte Weg sei möglich, so Nieberle-Schreiegg. Dann nämlich, wenn Absolventen einer Hochschule oder Universität noch einmal die Schulbank drücken, um die Grundlagen ihres Berufszweigs zu erlernen. Die 61-Jährige selbst möchte ihre eigene Ausbildung zur Bürokauffrau niemals missen. „Denn schließlich war dies der Schlüssel zu meiner beruflichen Weiterentwicklung und meinem persönlichen Berufsglück als Lehrerin für kaufmännische Berufe und Schulleiterin.“

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