Der Jahresrückblick 2023 der Aichacher Zeitung
Veröffentlicht am 19.07.2021 16:26

Was wir verloren haben: Ecco Meineke in Aindling

Als die Shtetlmusikanten   erinnerten Ecco Meinecke (rechts) und Andreas Arnold bei ihrem Auftritt in Aindling an die verlorene jüdische Kultur in Europa. 	Foto: Michael Wollmann (Foto: Michael Wollmann)
Als die Shtetlmusikanten erinnerten Ecco Meinecke (rechts) und Andreas Arnold bei ihrem Auftritt in Aindling an die verlorene jüdische Kultur in Europa. Foto: Michael Wollmann (Foto: Michael Wollmann)
Als die Shtetlmusikanten erinnerten Ecco Meinecke (rechts) und Andreas Arnold bei ihrem Auftritt in Aindling an die verlorene jüdische Kultur in Europa. Foto: Michael Wollmann (Foto: Michael Wollmann)
Als die Shtetlmusikanten erinnerten Ecco Meinecke (rechts) und Andreas Arnold bei ihrem Auftritt in Aindling an die verlorene jüdische Kultur in Europa. Foto: Michael Wollmann (Foto: Michael Wollmann)
Als die Shtetlmusikanten erinnerten Ecco Meinecke (rechts) und Andreas Arnold bei ihrem Auftritt in Aindling an die verlorene jüdische Kultur in Europa. Foto: Michael Wollmann (Foto: Michael Wollmann)

Ecco Meineke, seit vielen Jahrzehnten ein fester Bestandteil der süddeutschen Kulturszene, ist so vielseitig und kreativ, dass mancher seiner Kollegen neidisch sein dürfte. Mit Werner Schmidbauer im Duo „Jedermann” wurde er in den frühen 1980ern Jahren in der Kleinkunstszene Münchens und durch diverse TV-Auftritte überregional schnell bekannt. Viele hochkarätige Musikprogramme folgten, und auch als Kabarettist bei der Münchner Lach- und Schießgesellschaft stand er nicht nur auf der Bühne, sondern schrieb auch zahllose Texte und Stücke. Der Rest ist Kulturgeschichte.

Auch als Ecco DiLorenzo kennen ihn einige, wenn es um ihn als Soul- und Jazz-Musiker geht. Er gilt als extrem vielseitig und virtuos und ist sich als Künstler und Musiker über die Jahrzehnte immer treu geblieben.

Aber was passierte zwischen Bühne und Fernsehauftritt, was für ein Mensch steht eigentlich hinter dem prominenten Ecco Meineke? Um ihn ganz unkompliziert näher kennenlernen zu können, begann sein Auftritt auf dem noch nassen Marktplatz in Aindling mit seinem Soloprogramm. Sofort zogen seine ruhige, ausgeglichene Art und seine wohlig warme Stimme den aufmerksamen Zuhörer in seinen Bann. Das ganze war schon fast wie ein Open-Air-Wohnzimmer-Konzert.

Sehr offen, persönlich, zwischenmenschlich und unverkrampft. Er erzählte und sang von seiner Kindheit und Jugend im Allgäu, der ersten Platte von Jethro Tull, die er von seiner Schwester geschenkt bekam, sang seinen kritischen Song aus Jugendtagen über Kaufbeuren, der dem Stadtrat wohl damals nicht so gefallen hat. Einige seiner eigenen Lieder wurden durch seine eigene Lebensgeschichte mit Interpretationen von anderen Songs verwoben und gaben eine wundervoll unverkrampfte Möglichkeit, den Menschen hinter dem Künstler besser kennenzulernen.

Billy Joels Titel „Miami 2017” war zum Beispiel für ihn der passende Song, über die letzte bittere Erfahrung seiner „Entmietung” im letzten Jahr aus seiner Münchner Wohnung zu erzählen, die nach der Zwangssanierung plötzlich doppelt so teuer war und ihn und seinen Sohn zwang, sich nach 15 Jahren etwas anderes zu suchen.

Er erzählt nicht nur vom Sonnenschein und besingt den Zauber der Sonne von Saint Nic, sondern er lässt tief blicken, rüttelt auf sympathische Art und Weise auf und hält wach. Seine Message scheint zu sein: Seid zufrieden und glücklich, aber bleibt aufmerksam. Beachtet und achtet Euch und fangt nicht an wegzuschauen. Ein sehr schöner und persönlicher Auftritt, den die Aindlinger da genießen konnten. Unaufdringlich, zurückhaltend und tief. Für die Gestaltung des Abendprogramms holte er einen langjährigen Wegbegleiter und hochkarätigen Musiker auf die Bühne. Mit dem virtuosen Klarinetten-Spieler Andreas Arnold verzauberte er den Marktplatz Aindlings mit seiner jiddischen Klezmer-Musik mit lebensfrohen Klängen und Geschichten aus vergangenen Zeiten.

Mit dem Programm der „Shtetlmusikanten” brachte er den Zuhörern nicht nur die Jahrhunderte alte und immer noch lebendige Klezmer-Musik mit jazzigen Variationen näher, sondern erzählte auch unterhaltsame und informative Geschichten aus dem damals in ganz Europa gegenwärtigen jüdischen Leben, über die Geschichte der Musik, die verschiedenen Einflüsse und spannenden Geschichten aus dem eigenen Leben.

Ein Stück widmeten die beiden etwa einem Herrn Zeitlmann, den sie bei einem Auftritt in der KZ-Gedenkstätte Dachau kennengelernt hatten. Dabei stellte sich heraus, dass der damals deportierte gebürtige Grieche nach seiner Befreiung aus dem KZ dort jeden Tag auf eine Zigarette im Hausmeisterhäuschen vorbeikommt. Oder das Lied eines belgischen Rechtsanwalts, dessen Noten im jüdischen Dokumentationszentrum aus Stapeln von Papier heraus sortiert wurde, um hier in Aindling wieder zum Leben erweckt zu werden.

Ein Auftritt, die nicht nur zwei virtuose Musiker gezeigt hat, die sich über viele Jahre aufeinander eingespielt haben, sondern auch eine Musik, die uns zeigt, welche kulturelle Vielfalt und inspirierende Musik wir in unserer Geschichte verloren haben und die uns nun durch Ecco Meineke und Andreas Arnold wieder in Erinnerung gerufen wurde.

Ecco Meineke wird am 4. September beim Kultursommer in Kissing nochmal in zwei anderen Konstellationen auftreten. Ein wahrer Tausendsassa, der sich auf Vielseitigkeit spezialisiert hat. Weitere Informationen auf

Unaufdringlich, zurückhaltend und tief


Von Berndt Herrmann
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