Es war ein Zufall. Und der erwies sich für Patrizia M. (Name geändert) und ihren Mann als Glücksfall. Die 73-Jährige pflegt ihren an Demenz erkrankten Partner, und sie kann sich nicht vorstellen, wie das ohne den Rat und die Hilfe von Kundry Stern möglich gewesen wäre.
Die Sozialpädagogin Stern ist Beraterin im Büro des Pflegestützpunktes in Friedberg. Zusammen mit ihren Kolleginnen Theresia Völkl und Ina Albes, die die Büros in Aichach und Mering leiten, sitzt sie an diesem Vormittag in den hellen Räumen des Pflegestützpunkts am Stadtplatz in Aichach. Dabei ist auch Theresa M., die erzählt, wie der Zufall und die Kompetenz der Beratungen ihr Leben verändert haben.
Die rüstige Frau berichtet sehr klar, wie sie die Anzeichen der Krankheit an ihrem heute 82-jährigen Mann festgestellt hat. Er wurde vergesslicher, orientierungsloser, seine sensible Gattin merkte schnell, dass da mehr dahinter steckte als die üblichen Gedächtnislücken im Alter. Untersuchungen von Ärzten bestätigten das. Die Diagnose: kein Alzheimer, aber Altersdemenz.
Für die 73-jährige Frau war das trotz ihrer geistigen und körperlichen Fitness eine große Aufgabe und Belastung. „Mein Mann hat alle finanziellen Dinge geregelt, das musste ich jetzt selbst machen. Die Reparaturen am Haus konnte er auch nicht mehr erledigen.“ Und eine besondere Herausforderung: Ihn davon abzubringen, noch selbst mit dem Auto zu fahren. Ina Albes nickt: „Das ist besonders bei Männern mit Demenz ein großes Problem.“ Zum Glück, berichtet Patrizia M., sei ihr Mann nicht aggressiv und mache alles mit.
Schon kurz nach der Diagnose habe ihre im Ausland lebende Tochter den Rat gegeben, sich an einen Pflegestützpunkt zu wenden. „Ich bin nicht hingegangen“, gibt Theresa M. selbstkritisch zu. Eltern hören nicht gerne auf ihre Kinder. Aber dann war sie doch dort. Da kommt der Zufall ins Spiel.
Sie habe in der Zeitung eine Anzeige gelesen, erzählt sie, in der auf eine Aktion hingewiesen wurde, die die Pflegestützpunkte zusammen mit der Fachstelle für pflegende Angehörige und dem Projekt demenzfreundliche Apotheke in Mering und Friedberg durchführten: „demenzfreundlicher Marktplatz“. Zusammen mit ihrem Mann ging die 73-Jährige zu dem Infostand, traf dort Kundry Stern und hatte wenig später einen Beratungstermin.
Für die pflegende Frau und den von ihr betreuten Partner ein entscheidender Schritt. Die Beraterin informierte sie über die verschiedenen Möglichkeiten von Unterstützung, gab entscheidende Tipps bei der Beantragung eines Pflegegrades und empfahl den Kurs „Hilfe beim Helfen“. In acht Modulen lernen pflegende Angehörige dort zum Beispiel, was Demenz ist und wie die Krankheit zu verstehen ist, wie man den Alltag meistert, was bei Pflegeversicherung und rechtlichen Themen zu beachten ist, und wie die Angehörigen entlastet werden können. „Ich wusste vorher gar nicht, was Demenz ist“, berichtet Patrizia M. Nun könne sie ihren Mann besser verstehen und sei sich in schwierigen Phasen bewusst, „dass er eben krank ist“.
Was aus ihrer Sicht aber fast genauso wichtig ist: Man trifft bei den Kursen Menschen in ähnlicher Lage, kann sich austauschen, gegenseitig Tipps geben oder vielleicht auch einfach nur Trost erhalten oder spenden.
Der Hinweis auf den Kurs verdeutlicht, wie die Pflegestützpunkte arbeiten. Angesichts der Vielzahl von Hilfsmöglichkeiten, die kompliziert und verwirrend ist, spricht man oft vom „Pflegedschungel“. Ein bisschen abgegriffen, aber die drei Beraterinnen halten den Begriff für durchaus treffend. In diesem Dschungel helfen sie als „Lotsen“. Nicht dadurch, dass sie für die Klienten alles erledigen, sondern „wir befähigen dazu, den nächsten Schritt zu tun“, wie es Kundry Stern formuliert.
Ina Albes findet ein anderes Bild: „Die Angehörigen von pflegebedürftigen Menschen stehen zunächst einmal vor einem Berg. Wir machen aus dem Berg viele kleine Maulwurfshügel.“ Von dem Hilfsnetzwerk, das die Beraterinnen gut kennen, von Struktur und Klarheit ist in diesem Teil des Gesprächs viel die Rede; und davon, den Blick zu öffnen.
Beides, Struktur und Klarheit, hat auch Patrizia M. Sie benennt sehr deutlich die in Zukunft anstehenden Aufgaben. Das für zwei alte Menschen viel zu große Haus etwa. Ist es nicht besser, gemeinsam in ein betreutes Wohnen zu ziehen? Was macht man mit dem – ebenfalls viel zu großen – Auto? Und die alle älteren Pflegenden beschäftigende Frage: „Was ist, wenn ich selber nicht mehr kann?“.
Wenn die Pflegenden selbst schwerer erkranken, zu alt sind oder einfach angesichts der psychischen und physischen Belastungen einfach nicht mehr können, steht der Pflegestützpunkt ebenfalls parat. „Wir haben die Angehörigen immer auch im Blick“, sagt Theresia Völkl. Im Bedarfsfall steht für sie ebenfalls eine Beratung und ein System von Hilfen zur Verfügung.
Wie die Beratungen generell ablaufen und wie intensiv sie sind, ist dabei sehr verschieden. Manchmal reiche ein einziges Gespräch, um die richtigen Weichen zu stellen und die notwendigen Informationen zu bekommen, sagt Ina Albes. Manchmal seien mehrere Gespräche notwendig, oder die Angehörigen melden sich nach einer gewissen Zeit wieder, weil eine Veränderung beim gepflegten Menschen eingetreten ist. Wenn dann doch Platz in der Tagespflege oder in einem Heim notwendig ist, geben die Beraterinnen wieder Tipps und Hinweise.
Wie wichtig die Pflegestützpunkte sind, zeigt eine Zahl. Im vergangenen Jahr haben Ina Albes, Theresia Völkl und Kundry Stern exakt 2099 Beratungsgespräche durchgeführt. Die Tendenz, bestätigen alle drei, ist stark steigend, der Bedarf wird angesichts der demographischen Entwicklung weiter zunehmen.
Sie sage zu ihrem Mann immer wieder: „Wir schaffen das”, erzählt Theresa M. Sie weiß heute, wie wichtig dafür die Arbeit der Pflegestützpunkte ist. „Man muss was machen, und man kann was machen“, ist das Resümee ihrer bisherigen Erfahrungen. Deshalb macht sie auch Mundpropaganda bei Freunden und Bekannten, die in ähnlichen Situationen sind. Damit die nicht auf einen Zufall warten müssen.