Am Ende eines leider recht verregneten Musikfestivals im Schloss Blumenthal stand am frühen Sonntagabend der Höhepunkt an: ein Sinfoniekonzert des Festivalorchesters Camerata Vitilo. Mit rund 500 Zuschauern war das „Festivalhaus“ im Dachboden des Wirtschaftsgebäudes der Schlossanlage zur Begeisterung der Veranstalter voll besetzt.
Den ersten Teil des Abends bestritt der Aichacher Klarinettist Professor Georg Arzberger mit dem berühmten Klarinettenkonzert von Wolfgang Amadeus Mozart. Dabei spielte er auf einer selten gehörten Bassettklarinette. Das Instrument ist rund 20 Zentimeter länger als eine gewöhnliche Klarinette und reicht mittels spezieller Spieltechnik ein paar Töne weiter in die Tiefe. Gerade bei Mozarts Konzert gibt es manche Passagen, die nur auf diesem Instrument gespielt werden können und damit die Melodielinien stimmig abschließen.
Temperamentvoll und inspiriert gleich der erste Satz mit seinen gesanglichen Melodien, die Georg Arzberger engagiert und mit großem Körpereinsatz spielte. Wunderschön schwelgerisch besonders die tiefen Passagen, die auf seinem Instrument samtig zur Geltung kamen. Aufmerksame Begleiter dazu das Festivalorchester Camerata Vitilo unter Leitung von Antonello Manacorda. Dirigent und Solist waren sichtlich im Einklang mit ihrer Interpretation des Werkes und Manacorda sorgte dafür, dass die musikalischen Motive funkelnd zwischen den Stimmen weitergegeben wurden.
Im zweiten, langsamen Satz glänzte der Solist mit warmen, weichen Melodiebögen und reizte die Dynamik seines Instruments in den leisen Passagen fast bis zur Unhörbarkeit aus. Das Orchester blieb in knisternder Konzentration fern von jeglicher Routine und auch das Publikum spitzte gebannt die Ohren.
Das direkt einsetzende brillante Rondo kam dann wiederum so funkelnd frisch, als wäre es gerade erst für diesen Abend komponiert worden. Perlende Läufe und Arpeggien aus der Klarinette wurden vom aufmerksam begleitenden Orchester aufgenommen und variiert. Dabei zeigte sich die Stärke der eher kleinen Besetzung mit nur 20 Streichern, die fast schon kammermusikalisch flexibel auf alle Impulse von Solist und Dirigent reagierten.
Das hingerissene Publikum klatschte begeistert und erhielt als Zugabe ein träumerisch-romantisches Abendlied von Robert Schumann in der Bearbeitung von Ferruccio Busoni für Klarinette und Streicher.
Nach der Pause ging es mit der häufig gehörten Sechsten Sinfonie, der Pastorale, von Ludwig van Beethoven weiter. Aber auch hier war keine Spur von Routine. Ohnehin kann programmatisch kaum eine Musik das Festival in Blumenthal besser abschließen als die ländlichen Szenen dieser Sinfonie.
Der inspirierende Dirigent Antonello Manacorda ist das absolute Gegenteil eines Orchester-Dompteurs. Ohne Taktstock, dafür mit ausholender Gestik und Mimik macht er den Musikern dennoch klar verständlich, was er von ihnen erwartet. Der weitgehende Verzicht auf das Schlagen des Taktes zwingt die Orchestermusiker dazu, aufeinander zu hören und ständig mitzugestalten.
So machen in Beethovens Sechster Sinfonie ständig Motive die Reise durch die Stimmgruppen des Orchesters und Manacordas besondere Dirigierweise fordert die Musiker geradezu auf, den vorhergehenden Noten eine musikalisch stimmige Antwort zu geben. Die vorwiegend jungen Musiker aus deutschen Spitzenorchestern waren voll konzentriert und mit viel Spielfreude bei der Sache.
Im ersten Satz „Erwachen heiterer Empfindungen bei der Ankunft auf dem Lande“ fand der Sonntagnachmittag mit dem „Wanderkonzert“ im Schlossgarten sozusagen seine natürliche Fortsetzung. Der zweite Satz „Szene am Bach“ glänzte mit friedlich schwingender Naturbeschreibung. Fesselnd hier, wie Manacorda den Instrumentalisten Freiheiten gibt, so dass die von Flöte und Klarinette imitierten Vogelstimmen mühelos die Brücke zwischen Naturlaut und Kunstmusik schließen.
Der dritte Satz wiederum spielte die Elemente ländlicher Tanzmusik so temperamentvoll aus, wie es der sinfonische Rahmen nur zulässt. Man meinte fast, die Drehungen der bäuerlichen Tanzpaare sehen zu können.
Als im vierten Satz das berühmte Gewitter ausbricht, meinte der Zuhörer dann, das Orchester wolle es mit den Wetterfronten der vergangenen Tage aufnehmen. Und wieder ist es das überschäumende Temperament gepaart mit stupender Virtuosität der Musiker, das Manacorda hier vom Zaum lässt. Die frappierende Intensität entsteht nicht aus Lautstärke und Masse, sondern aus der Spontaneität und Frische, mit der das so oft gehörte Werk hier neu erweckt wird.
Der abschließende „Hirtengesang“ im fünften Satz, mit der klingenden Erleichterung über das Ende des Unwetters, wird dann auch emotional dankend entgegengenommen. Das Publikum belohnte die bemerkenswert frische und anregende Darbietung mit donnerndem Applaus.
Der großartigen Initiative der Festival-Leitung ist es zu verdanken, dass derart hochwertige Darbietungen auf Weltklasse-Niveau ins Wittelsbacher Land kommen. Zu wünschen ist, dass der innovative Ansatz mit einem selbst zu wählenden Eintrittspreis auch wirtschaftlich erfolgreich war. Hoffen wir, dass dem noch jungen Blumenthaler Musikfestival eine lange Karriere bevorsteht.