Der Jahresrückblick 2023 der Aichacher Zeitung
Veröffentlicht am 01.05.2022 19:07

Fünf vor zwölf

„Sie sprechen erst über Geld, dann vom Klima und zum Schluss über die Bauern”, meinte Herb zu Beginn der Diskussionsrunde an Margraf gewandt. „Ich hoffe, dass das nicht Ihre Gewichtung ist”, ergänzte der Sielenbacher Landwirt. Die Bauern hält er für die am stärksten von einer Wiedervernässung und Reaktivierung des Donaumooses betroffene Gruppe. Dass ihnen allerdings niemand vorschreiben wolle, wie sie künftig zu wirtschaften hätten, sondern sie aktiv in die Umgestaltung des Moorkörpers eingebunden werden sollen, betonten alle Beteiligten unisono. Dass eine Reaktivierung des 18 000 Hektar umfassenden altbayerischen Donaumooses zwischen Neuburg, Pöttmes und Schrobenhausen aber nur mit Geld zu bezahlen ist, war wohl auch Herb klar. Ministerpräsident Markus Söder hatte es am 4. Mai 2021 bei einem Besuch auf dem Moosberg auch versprochen: 200 Millionen Euro in den kommenden zehn Jahren sollen es sein. „Es wäre schön, wenn davon auch bei den Bauern etwas ankommt”, betonte Reinhard Herb. Wie viel das sein müsse, das ist eine Frage, die der BBV-Kreisobmann offenbar ungern selbst aufwirft. Ulrich Sorg von der Interessensgemeinschaft (IG) Schorner Röste ließ sie dann fallen. „Reichen Ihnen 2000 pro Hektar und Jahr, Herr Herb?”, fragte er. Und der Landwirt hielt es, sichtlich überrascht, für einen „guten Anfang”. Damit ist eine wichtige Frage geklärt.

Allerdings ging es an dem Abend im Kultursaal des Pöttmeser Rathauses um weit mehr als den etwas abgedroschenen Schlagabtausch zwischen Landwirtschaft und Naturschützern. Die Ausstellung macht bereits am Eingang klar, worüber gesprochen wurde. „Der letzte Kiebitz im Donaumoos”, ein Gemälde von Viktor Scheck, begrüßt die Gäste im Foyer. Der Wiesenbrüter und sein letztes Küken stehen auf einer Moorscholle, kaum größer als die beiden Tiere, umringt von Schwarz. Das Bild, das betonte auch Ernst Haile, BN-Kreisgruppenchef in Aichach-Friedberg, veranschauliche, wie dringend der Handlungsbedarf im Donaumoos sei. Es ist, das kann man sagen, fünf vor zwölf. Schwarzmalerei ist das beileibe nicht. Allein bei Starkregen nimmt der Boden zu wenig Wasser auf. Schwarze Staubwolken verhüllen Orte wie Klingsmoos dann.

Die Tragweite des Themas untermauerte auch der Besuch des BN-Landesvorsitzenden Richard Mergner. Mit Peter von der Grün, der erst kurz vor Schluss kam und Dr. Klaus Metzger waren zudem die Landräte aus Neuburg-Schrobenhausen und Aichach-Friedberg anwesend. Günter Kraus von der IG Schorner Röste und Franz Schindele, der Altbürgermeister von Pöttmes, hielten flammende Plädoyers für das „Tun”. Der Worte sind also genug gewechselt. Bis die „Mösler” Taten sehen, wird es aber trotzdem dauern. Einigen Zuhörern missfiel das. Einer von ihnen merkte an: „Diese Probleme sind seit 50 Jahren bekannt.” Geld in Behörden, Bürokratie und Verbänden versanden lassen wolle er nicht. In der Angelegenheit pflichteten ihm Sorg und Kraus ebenso bei wie Franz Schindele und die BN-Vertreter.

Strukturen, in denen das „Steuergeld”, wie Schindele betonte, unbürokratisch dorthin komme, wo es hin sollte, gebe es noch nicht. Michael Hafner, Geschäftsführer des Donaumoos-Zweckverbands fühlte sich angesprochen und versuchte zu erklären, warum das - 31 Jahre nach der Verbandsgründung - noch immer so ist. Vor allem mangelndes Fachpersonal in den Behörden sei lange rar gewesen. Der Zweckverband hätte sich daher für die Stärkung der Behörden eingesetzt. Inzwischen scheint sich etwas zu tun. Es gibt ein „Entwicklungsteam Donaumoos”, in dem Behörden und der Verband gemeinsam aktiv sind. Gerhard Grande von der Unteren Naturschutzbehörde in Neuburg sowie sein Kollege Franz Rieber aus Aichach betonten zudem, dass sie alles tun würden, um den Wünschen aller Beteiligten schnell gerecht zu werden - dabei seien sie aber an Recht und Gesetz gebunden. Ein solches ist übrigens das seit 2000 bestehende Entwicklungskonzept, das eigentlich behördenverbindlich ist und ganz klar festlegt, dass etwa PV-Anlagen die Grundzüge der Entwicklung berühren. Darauf müssen die Ämter schauen. Hier sei, das sagte Grande, der Artenschutz eminent wichtig.

Den hatte auch einer der Zuschauer angesprochen. Acht Wiesenbrüterarten hätte es noch vor einigen Jahrzehnten im Moos gegeben, darunter das Birkhuhn. Zuletzt war der Kiebitz mit wenigen Brutpaaren eine der letzten Arten. „Es wird überhaupt nichts besser”, meinte er resigniert. Dass Moorschutz immer ein schwieriges Unterfangen sei, gab Richard Schöttner vom Landesamt für Umwelt (LfU) zu bedenken. Dass es aber funktioniere, zeigten Erfahrungen im schwäbischen Donaumoos rund um Leipheim. „Hier sind wir wesentlich weiter”, meinte Schöttner.

Zumindest Ideen, wie die Bewirtschaftung im Einklang mit einer Wiedervernässung funktionieren kann, gibt es. Das hat der Abend in Pöttmes einmal mehr gezeigt. Die Bewirtschaftung nämlich ist ein zentraler Punkt in der Diskussion. Rohrkolben etwa könnten zu Energie, Dämmstoff oder Papier werden. Dazu seien aber regionale Wirtschaftskreisläufe nötig, wie Richard Mergener zum Schluss forderte. „Den Ochsen aus dem Moos soll beim Dorffest in Pöttmes dann aber auch bitte auf dem Grill landen”, meinte der BN-Landeschef. Der hat am runden Tisch übrigens, das betonte er, eine „große Bereitschaft von Menschen und Verbänden gespürt, die oft als getrennt dargestellt werden”. Dass die Moore, derzeit Emittenten von Kohlendioxid, „zu CO2-Senken werden”, sei das Ziel. „Dafür ist ein Umdenken nötig und offenbar auch da”, sagte Mergener.

Das Umdenken sei übrigens auch bei den Landwirten angekommen, wie Reinhard Herb vom BBV berichtete. Allerdings, und das warf Zuschauer Hubert Birkmeir vom Demeter-Hof in Schorn ein, müsse man die Bauern „an die Hand nehmen und ihnen Wege zeigen, wie Bewirtschaftung funktionieren kann”. Auch aus diesem Grund warten die Beteiligten auf das von der Staatsregierung angekündigte „Moorbauernprogramm”, vergleichbar mit Förderprogrammen wie dem Vertragsnaturschutz und dem Kulturlandschaftsprogramm Kulap. Das soll die Bauern animieren, Flächen anders zu bewirtschaften.

Zumindest die Sorge vieler, durch eine Vernässung nicht mehr auf ihren Flächen arbeiten zu können, wollte Gerhard Grande einem Landwirt nehmen, dessen Felder im vergangenen Jahr überschwemmt waren. „Vernässung bedeutet, das Grundwasser anzuheben, nicht die Flächen zu fluten.” Nur so kann ein Moorkörper arbeiten und Kohlenstoffdioxid binden statt auszustoßen. Jährlich sind das im Donaumoos derzeit übrigens über 400 000 Tonnen. Grund also, etwas zu tun, wie die Teilnehmer am runden Tisch klar machten. Sorg zu Herb: „Reichen Ihnen 2000 Euro pro Hektar und Jahr?”

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