Der Jahresrückblick 2023 der Aichacher Zeitung
Veröffentlicht am 29.10.2008 10:40

„Ich träume mich zu dir“

<p> <b>Roy Black verbindet: </b> Sechs Jahre haben (von links) Michael Faga, Josef und Lorli Birrer aus der Schweiz gebraucht, um sich zu finden. Die Eheleute Birrer sind in diesem Jahr übrigens schon zum dritten Mal in Bobingen.   Fotos: Kuchar </p> (Fotos: Kuchar)
<p> <b>Roy Black verbindet: </b> Sechs Jahre haben (von links) Michael Faga, Josef und Lorli Birrer aus der Schweiz gebraucht, um sich zu finden. Die Eheleute Birrer sind in diesem Jahr übrigens schon zum dritten Mal in Bobingen. Fotos: Kuchar </p> (Fotos: Kuchar)
<p> <b>Roy Black verbindet: </b> Sechs Jahre haben (von links) Michael Faga, Josef und Lorli Birrer aus der Schweiz gebraucht, um sich zu finden. Die Eheleute Birrer sind in diesem Jahr übrigens schon zum dritten Mal in Bobingen. Fotos: Kuchar </p> (Fotos: Kuchar)
<p> <b>Roy Black verbindet: </b> Sechs Jahre haben (von links) Michael Faga, Josef und Lorli Birrer aus der Schweiz gebraucht, um sich zu finden. Die Eheleute Birrer sind in diesem Jahr übrigens schon zum dritten Mal in Bobingen. Fotos: Kuchar </p> (Fotos: Kuchar)
<p> <b>Roy Black verbindet: </b> Sechs Jahre haben (von links) Michael Faga, Josef und Lorli Birrer aus der Schweiz gebraucht, um sich zu finden. Die Eheleute Birrer sind in diesem Jahr übrigens schon zum dritten Mal in Bobingen. Fotos: Kuchar </p> (Fotos: Kuchar)

Halb elf in Straßberg: 30 Frauen und Männer – die Letzteren sind an einer Hand abzuzählen – eine Bushaltestelle im Nebel und gelbe Ahornblätter auf dem Asphalt. Zum zweiten Mal in der Geschichte des Bobinger Erinnerungswochenendes steht eine Busrundfahrt auf dem Programm.

Die Fans haben keine Mühen gescheut, haben Stunden im Zug oder auf der Autobahn verbracht, sämtliche Bobinger Gasthöfe in Beschlag genommen und sich herausgeputzt: Fast jede Dame trägt ihren Roy Black bei sich, eingraviert in ein goldenes Amulett, andere tragen ihn auf dem T-Shirt oder haben ihn in ihren Schlüsselanhänger montiert.

Zu denen mit T-Shirt gehört Yvonne Ziegenhagen aus Paderborn. „Ich habe außerdem Bettwäsche, Hosen, Regenschirme. Das lass ich alles selber machen.“ Im Auto ihres Kollegen Andreas Dinkel – Ziegenhagen selbst hat keinen Führerschein – liegen sie, die Pullis, T-Shirts und Schirme auf der Hutablage. Gemeinsames Merkmal: ein Roy Black vorne und hinten. Das sei nicht jedermanns Sache, findet die 43-jährige Angie Pavlicec aus Kempten: „Ich habe den Roy in meinem Herzen, das reicht.“

Kurz vor elf Uhr taucht Cannon-Mitglied Günter Ortmann auf, dann der Bus. Brav zahlen die Reisenden Fahrer Reinhart fünf Euro, klettern in den Omnibus und nehmen Platz. Der 63-jährige Ortmann, das „Küken“ der Cannons, greift zum Mikrofon und erzählt den Gästen, dass Roy Black mütterlicherseits aus Sizilien stammte, was das schwarze Haar, die ganze Optik erkläre. „Wunderbar“, seufzen ein paar Damen hinten, während der Bus durch die Bobinger Siedlung rollt.

Reinhart lenkt seinen Omnibus auf die B 17, indessen sinniert Ortmann über die Anfänge der Cannons, über Rock‘n Roll und „Blackys“ damalige Freundin Vivienne aus Liverpool.

Seit 1996 veranstaltet die Stadt Bobingen Gedenktage und -wochenenden anlässlich der Geburts- oder Todestage von Gerhard Höllerich alias Roy Black. Damals habe das Kulturamt die Bandmitglieder gefragt, ob sie Lust hätten, eine Gedenkfeier mitzugestalten. Zum 40. Geburtstag der Stadt Bobingen 2009 ist geplant, anstelle des Erinnerungs- einen Schlagerabend mit namhaften Künstlern aufzuziehen.

„Nicht durchfahren bis Dresden“, mahnt Ortmann den Busfahrer aus Sachsen, der nimmt die Ausfahrt „Alte Messe“ und fährt in Richtung Augsburger Innenstadt, zum ersten Punkt der Spurensuche: dem „Mozartsaal“. Dort machten die Cannons1964 bei einem Schülerband-Wettbewerb mit und brachten die Stimmung zum Kochen.

„Die Bude hier war brechend voll“, erinnert sich Lehrerin Christa Otto, 61 Jahre alt, die damals dabei war und heute vor der Roy-Black-Fangruppe steht. „Die Teens haben gekreischt – von der Musik hat man fast nichts gehört.“ „Deshalb haben wir auch gewonnen“, sagt Ortmann und lacht.

Nächste Station ist das Holbein-Gymnasium dank eines Generalschlüssels, den Lehrerin Otto bei sich trägt. Ein Teil der Gruppe schlendert durch den Kreuzgang des ehemaligen Katharinenklosters, der Rest studiert eine Infotafel, die berühmte Schüler des Gymnasiums nennt: Rudolf Diesel, die Nobelpreisträger Johann Deisenhofer und Hans von Euler-Chelpin – und Roy Black, fügen die Fans für sich hinzu.

„Das war auch ein bedeutender Mann für uns“, sagt Ulrike Mohr. Die Mittfünzigerin stammt aus Lünen bei Dortmund und ist mit ihrer Freundin Helga Stauf aus Essen dabei, wie der Großteil der Roy-Black-Fans schon seit 16 Jahren. „Daraus ist eine Freundschaft geworden“, erzählt Mohr. Zwei Mal im Jahr pilgern sie nach Bobingen und waren deshalb bereits im Januar dort, um auf den 65. Geburtstag ihres Schwarms anzustoßen.

Kennen lernten sie sich 1992, ein Jahr nach Roy Blacks Tod. Die Fans fuhren damals scharenweise zum Wörthersee, die Gruppe der Freundinnen passte gerade mal in vier Busse. „Je älter er wurde, desto besser sah er aus“, gesteht Stauf und grinst.

Dieser Ansicht ist auch Marina Görlid aus Zirnberg bei Kassel. Die 70-Jährige schaut sich jeden zweiten Tag einen Film mit Höllerich an. Trotzdem, jetzt wirkt die Frau nicht glücklich. „Es ist viel zu wenig, was sie für Roy Black machen“, sagt sie und lässt die Mundwinkel hängen. Viel zu wenige nähmen an Busrundfahrt und Erinnerungsabend teil und jedes Jahr würden es weniger.

Eine andere Geschichte bewegt Michael Faga aus dem Berner Oberland. Der 25-Jährige ist zum ersten Mal mit Josef und Lorli Birrer nach Straßberg gereist. Sechs Jahre lang suchte er Lorli Birrer, nachdem er sie bei einer Fernsehsendung anlässlich des zehnten Todestages von Roy Black gesehen hatte. Erst vor Monaten spürte der 25-Jährige die Telefonnummer des Ehepaars auf und meldete sich.

„Ich habe mich gefragt, wie kann ein solch junger Mann ein Fan sein? Doch er hat mehr Filme und CDs als ich – und ich habe schon viel“, schildert die 65-jährige Lorli Birrer. „Und er hat allen Grund, Höllerich dankbar zu sein.“ Als Fünfjähriger lernte Faga Höllerichs Musik kennen: Seine Mutter hatte Krebs, längst hatten sie die Ärzte abgeschrieben. Doch sie wurde wieder gesund, als sie täglich Höllerichs Stimme und seine Lieder hörte.

Nachdem sich die Gruppe ein Foto aus dem Jahr 1964 von Roy Black und den Cannons angeschaut hat, geht es mit dem Bus zur „Zirbelnuss“, einem Lokal in der Jakobervorstadt, in dem die Band vor Jahren auftrat. Als der Omnibus hält, stürmen 30 Fans das italienische Lokal, bestellen sich einen Espresso oder suchen die Toilette auf. Ortmann verabschiedet sich – er muss seinen Geheimgast für die Matinee vom Bahnhof abholen – und übergibt Stadtführerin Regina Thieme Kommando und Mikrofon.

Die Reise geht zurück nach Straßberg, vorbei an der Roy-Black-Büste am Klausenberg und vorüber am Kurhaus, in dem die Cannons zum letzten Mal gemeinsam spielten. Als der Bus seine Insassen gegen 14.30 Uhr in Straßberg ausspuckt, bleibt noch genügend Zeit, um im Gasthof Reichsadler die von Ortmann gepriesene Roy-Black-Torte zu probieren, zum Roy-Black-Geburtshaus oder zum Grab zu spazieren. Iris Friedrich (48 Jahre) vom Essener Fanclub, Hannelore Fritz aus Bremen und Gertraud Lipski Schmid entscheiden sich für den Friedhof und marschieren los. Friedrich möchte nach dem Blumengesteck ihres Clubs sehen.


Von ALiebmann
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