Der Jahresrückblick 2023 der Aichacher Zeitung
Veröffentlicht am 16.11.2009 18:52

Als Italien noch tiefstes Ausland war

<p> <h2> <p>„Wir wollen die Geschichte des Volkes darstellen.“ </p> </h2> </p>
<p> <h2> <p>&bdquo;Wir wollen die Geschichte des Volkes darstellen.&ldquo; </p> </h2> </p>
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Es war im Jahre 1950, Siegfried Bachter war gerade mal 13 Jahre alt, als er mit seiner Großmutter, einer Italienerin, zu deren Familie ins Trentino reiste. „Damals musste man sich ein italienisches Visum besorgen und für Österreich ein Durchreisevisum“, erinnert sich der 72-Jährige. An jeder Grenze habe man ein bis zwei Stunden warten müssen, bis man „durchgefilzt“ worden sei. Als die Italien-Urlauber zurück nach Deutschland fuhren, mussten sie selbst die Obstkiste – ein Geschenk der Verwandten – für 30 Pfennige verzollen.

Höhepunkt seiner Reise war damals ein Besuch in Venedig. Dort kaufte sich der ehemalige Stephaner den Briefbeschwerer, den er nun dem Haus der Bayerischen Geschichte für die große Landesausstellung im Textilindustriemuseum (tim) zur Verfügung stellt – als „ein frühes Zeugnis der Italienurlaube nach dem Krieg“, wie Reinicke sagt.

Schon seit einigen Jahren sammelt das Haus der Bayerischen Geschichte nicht nur Exponate, sondern auch die Erlebnisse der Menschen, die die Gegenstände ausleihen. „Indem wir das Publikum in unsere Ausstellungen miteinbeziehen, zeigen wir den Besuchern unsere Wertschätzung“, erklärt Reinicke. „Den Menschen ist es ein Bedürfnis, über ihr Leben zu berichten und ihre Erinnerungsstücke zu zeigen – für uns ist es unschätzbar wertvoll, weil wir so Gegenstände finden, die es in keinem Museum gibt.“ Gerade die 50er Jahre seien derzeit „en vogue“, was sich auch an der großen Resonanz auf die Landesausstellung „Wiederaufbau und Wirtschaftswunder“ in Würzburg gezeigt habe.

Zeitzeugen, die über ihren ersten Italien-Urlaub berichten, stehen im tim im Mittelpunkt. „Die Ausstellung wird absolut lebendig“, versichert Anja Brandstäter, Sprecherin des Hauses der Bayerischen Geschichte. Zu sehen ist nicht nur eine Auswahl der interessantesten Souvenirs, die mehr als 30 Menschen gestern für die Sammelaktion ins Maximilianmuseum gebracht haben, sondern auch kurze Filme mit den Zeitzeugen und die Inszenierung eines Campingplatzes und einer Gastarbeiterbaracke. Dazu stöbert der Bayerische Rundfunk in seinem Archiv und stellt der Landesausstellung alte Tonbandaufnahmen zur Verfügung, und auch der Audioguide erzählt die unzähligen Geschichten der Italien-Urlauber. „Wir wollen die Geschichte des Volkes darstellen“, sagt Reinicke. „Damit sind wir ganz nah am Besucher.“

Eine, deren Leihgaben ganz sicher im tim zu sehen sind, ist Christine Holl-Enzler. Die Gessertshausenerin hat den Koffer ihres Onkels und ihrer Tante mitgebracht, die oft nach Italien gereist sind. Viele Schätze befinden sich darin: ein Badeanzug, eine Sonnenbrille in Schmetterlingsform, alte Zeitschriften und ein ADAC-Heft, eine Leica mit Objektiv und Stativ, selbst die Dias, die ihr Onkel damit geschossen hat, hat Holl-Enzler mit eingepackt. „Für mich sind die Sachen wertvoll, weil sie mich an meinen Onkel und meine Tante erinnern“, sagt sie.

Ebenfalls oft in Italien waren die Eltern von Andrea Kieser. „Sie waren Künstler, sind dort viel gewandert und haben gemalt“, erinnert sie sich. Einmal hätten sie Anfang der 50er Jahre die Region Cinque Terre besucht, ein kleiner Küstenstreifen an der italienischen Riviera, wo sich viele Partisanen aufhielten. Dort seien ihre Eltern sogar mit Steinen beworfen worden. „Die Spannung gegenüber den Deutschen war damals noch nicht weg“, sagt sie. Kieser steuert eine schon leicht zerfledderte Original-Landkarte und einen Reiseführer aus dem Jahre 1957 zur Ausstellung bei.

Nicht geliehen, sondern gleich geschenkt hat Katharina Zerle dem Haus der Bayerischen Geschichte eine venezianische Gondel aus Metall, die ihr ihr Ehemann bei der ersten Italien-Reise verehrt hat. „Das war 1952, wir waren damals ein Jahr verheiratet“, erzählt sie. Auch in den nachfolgenden Jahren ist das Paar immer wieder nach Italien gereist, „mit dem Fiat sind wir gefahren“, erinnert sie sich, und „wir waren immer wieder begeistert“. Mittlerweile ist sie Witwe und trennt sich von dem Erinnerungsstück, „aber wenn Sie ganz große Sehnsucht danach haben, dann rufen Sie bei uns an“, beschwört Ralf Skoruppa, Mitarbeiter des Hauses der Bayerischen Geschichte, die Rentnerin und drückt ihr seine Visitenkarte in die Hand.


Von MHoeck
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