Der Jahresrückblick 2023 der Aichacher Zeitung
Veröffentlicht am 12.03.2010 16:02

Marathon in Siebenmeilenstiefeln

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Zwar hat der überaus strenge und hartnäckige Winter auch dem Riesen kalte Füße beschert, allerdings konnte der sich im vergangenen Jahr einen Vorsprung „erspurten“, von dem das Heer der Arbeiter zehrt. Entsprechend entspannt sind die Gesichter der Verantwortlichen aller Beteiligten. Bei der Arbeitsgemeinschaft (ARGE A8 Ausbau Augsburg-München), die für den Bau zuständig ist und pro Verlängerungstag 50 000 Euro Vertragsstrafe berappen müsste. Bei der Projektgesellschaft autobahnplus A8 GmbH, für die als Konzessionsnehmer und Träger der finanziellen Last jeder Tag „freie Fahrt“ zählt, an dem sie möglichst viel Mautgebühren auf der Habenseite zur Finanzierung des Betriebs und der Ausbaumaßnahmen verbuchen kann. Und schließlich bei der Autobahndirektion Südbayern, sprich dem Freistaat und eigentlichen Bauherrn, der zwischen Augsburg und München mit dem privaten Betreibermodell – Stichwort: Public Private Partnership (PPP) – bundesweit eine Vorreiterrolle übernahm. „Wir sind sehr zufrieden. Das Modell hat sich bewährt“, loben die beiden Bauoberräte Christian Brandes und Nadine Lewandowski unisono den zügigen und reibungslosen Baufortschritt sowie die ihren Worten zufolge „partnerschaftliche Zusammenarbeit“.

„In der Summe ist jeder stolz, eine solche Referenz in seinem Lebenslauf zu haben“, schmunzelt Tom Soreq. Ob sich das so genannte A-Modell für die Investoren lohnt, darüber sind dem Technischen Geschäftsführer bei autobahnplus keine Details zu entlocken: „Das wissen wir in etwa 27 Jahren. . .“

Zur Erinnerung: Die Projektgesellschaft investiert in den Bau rund 250 Millionen Euro – Soreq: „Wir liegen nach wie vor im kalkulierten Bereich“ – und ist 30 Jahre lang für den Erhalt und den laufenden Betrieb der Trasse zuständig. Im Gegenzug bekommt die Gesellschaft die auf dem Abschnitt erwirtschaftete Lkw-Maut. Zum Startschuss 2007 gab es zudem eine Anschubfinanzierung vom Staat im einstelligen Millionenbereich. Insgesamt wurde der Projektwert während der Konzessionsdauer auf rund eine Milliarde Euro taxiert.

Je mehr Laster die Straße nutzen, desto schneller rechnet sich die Investition. Zuletzt klingelte die Kasse nicht wie erhofft. Finanz- und Wirtschaftskrise haben sich auch auf das Transportgewerbe ausgewirkt. Der Lkw-Verkehr, so Tom Soreq, ging um 15 Prozent zurück. Nun setzt man auf wieder bessere Zeiten. Und letztlich auch auf den Spezialbeton, aus dem die Fahrbahn per modernster Technologie „gezimmert“ wird. Eine geräuscharme Waschbetonstruktur bildet die neue Trasse auf der 37 Kilometer langen Ausbaustrecke. Beton ist im Vergleich zu Asphalt nicht lauter, dafür aber griffiger, heller und vor allen Dingen haltbarer. Müssen viel befahrene Asphaltstraßen oftmals schon nach 15 Jahren saniert werden, halten die betonierten „Kollegen“ wesentlich länger. Bei autobahnplus hat man, um die Verfügbarkeit der Strecke weiter zu erhöhen, noch eine Chance ergriffen. Während der ohnehin vorhandenen Ausbauphase wurden und werden zum Teil an bestehenden Bauwerken entlang der Trasse Instandsetzungsarbeiten vorgezogen. Ziel: Die Zahl künftiger Baustellen soll bis zum Ende der Konzessionsdauer im Jahr 2037 so weit wie möglich reduziert werde – nur ein perfekter Verkehrsfluss optimiert die Kassenlage und damit die Wirtschaftlichkeit des PPP-Gesamtkonzepts.

Die größte Herausforderung an die „Macher“ der Jahrhundertbaustelle in der Region war weniger der technische Anspruch der einzelnen Bauwerke – unter anderem mussten allein 61 Brücken errichtet werden –, sondern der laufende Betrieb auf der Autobahn, die als eine der wichtigsten Ost-West-Achsen des europäischen Transitverkehrs gilt und an Spitzentagen von über 100 000 Fahrzeugen genutzt wird. Per so genannter „4 + 0“-Verkehrsführung wurde erreicht, Bauarbeiten und Verkehr unter einen möglichst sicheren Hut zu bringen. Dabei wird nicht kurzerhand jeweils links und rechts ein dritter Fahrstreifen angedockt. Die komplette Straße wird bei laufendem Verkehr neu gebaut. Dazu werden aus den künftigen drei Streifen einer Fahrtrichtung samt Standspur vier Stück für beide Richtungen, um gegenüber Tabula rasa machen zu können.

Das Konzept scheint aufgegangen zu sein. Der Verkehr lief, von den unabdingbaren Komplettsperrungen wie beispielsweise beim Abbruch ganzer Brücken abgesehen, für eine Baustelle dieser Größenordnung nahezu reibungslos weiter, die Zahl der Karambolagen ist nicht untypisch für eine Autobahn.

Zwar zählt Jean-Wulf Sommer, Geschäftsführer der für Betrieb und Unterhalt zuständigen autobahnplus Services GmbH, im Schnitt einen Unfall pro Tag, darin seien aber auch die kleinsten Blechschäden enthalten. „Es gab keinen einzigen direkten baubedingten Unfall“, beteuert in diesem Zusammenhang Tom Soreq. Der ist übrigens wie auch Jürgen Schmidt überaus zufrieden, was die Unfallbilanz unter den Bauarbeitern anbelangt. Im Schnitt sind etwa 300 Personen auf den zahlreichen Einzelbaustellen beschäftigt. Sie alle haben bis dato über 1,3 Millionen Arbeitsstunden geleistet. Dabei kam es nur zu 21 Zwischenfällen, die allesamt eher glimpflich ausgingen. Der im Baugewerbe übliche so genannte IF-Wert – Zahl der Unfälle pro eine Million geleisteter Arbeitsstunden – wird mit 15,8 angegeben. Er liege damit weit unter dem bundesweiten Durchschnitt von 40, so Schmidt.

Eifrig gewerkelt wird derzeit auch neben der Trasse. Direkt am Dasinger „Kraken“ entsteht das Betriebszentrum der autobahnplus A8 Services GmbH. Im Mai soll es fertig sein, im Sommer werden dort nicht nur die rund 30 Autobahn-Betreuer einziehen, sondern auch die Verwaltung des Konzessionsnehmers, der seine Zelte im Odelzhausener Gewerbegebiet abbricht.

Für den Rest des Arbeiter-heeres beginnen dann auch schon die letzten Monate der dreijährigen A-8-Episode. Ende des Jahres löst sich die Arbeitsgemeinschaft auf, und auch Projektleiter Jürgen Schmidt macht sich auf zu neuen Ufern. Wo das sein wird, das wisse er heute noch nicht: „Das ist normal in unserer Branche.“ Odelzhausen/Aichach (roe) Große Teile der neuen Autobahn sind bereits fertiggestellt. Darunter auch die neue Anschlussstelle bei Derching, die inzwischen auf den Namen „Friedberg (Bayern)“ hört. Projektleiter Jürgen Schmidt hat im Grunde noch drei Schwerpunkte auf der Agenda stehen, ehe Ende des Jahres die komplette Übergabe der Trasse erfolgen kann. Noch bis zum Herbst wird der Teilbereich zwischen den Ausfahrten Augsburg-West und Friedberg eine Baustelle sein. Derzeit wird die Deckschicht auf der Südseite angelegt, etwa Mitte April wird der Verkehr umgelegt, dann kommt die Nordseite an die Reihe. Nebst umfassender Lärmschutzmaßnahmen am Rande der Fahrbahn zwischen Augsburg-Ost und -West wird dort auch ein offenporiger Asphalt aufgetragen – so genannter Flüster-asphalt, der den Verkehrslärm zusätzlich drosseln soll. Offen ist noch die Südfahrbahn zwischen den Anschlussstellen Dasing und Adelzhausen. Die Vorbereitungen laufen bereits auf Hochtouren, in der Endphase wird es nochmals zu Verkehrsbehinderungen kommen: Vermutlich von Ende April bis Ende Juli muss die Ausfahrt Dasing aus Richtung Augsburg kommend gesperrt werden. Seit geraumer Zeit bereits abgeriegelt ist die Anschlussstelle Odelzhausen. Auch dort wird an der Südfahrbahn gearbeitet. Laut Plan soll die Anschlussstelle Ende Mai wieder freigegeben werden; das hänge aber von den Witterungsbedingungen in den nächsten Wochen ab, so Schmidt. Die zahlreichen Einzelbauwerke sind zum Großteil abgeschlossen beziehungsweise zumindest halbseitig fertig. Viel los ist derzeit noch von Augsburg kommend kurz vor der Ausfahrt Dasing. Dort überquert die Autobahn die Bahnlinie, die Paar und die Ortsverbindungsstraße von Dasing nach Taiting. • Die reine Ausbaustrecke ist 37 Kilometer lang, die Konzessionsstrecke umfasst 52 Kilometer und reicht bis zur Eschenrieder Spange. • Der Flächenbedarf für Bau beziehungsweise Ausbau beläuft sich auf 180 Hektar, dazu kommen 44 Hektar an Ausgleichs- und Ersatzflächen. • Auf der Strecke wurden 61 Brückenbauwerke neu errichtet. Davon sind 19 Überführungen, der Rest Unterführungen. Insgesamt wurden 26 Regenrückhaltebecken gebaut. Auf den ersten Blick wirken sie wie riesige Krater, die sich nach Regen in „Pools“ verwandeln. • Nach Schätzungen von Projektleiter Jürgen Schmidt wurden für die Fahrbahn rund eine Million Kubikmeter Erdreich bewegt, inklusive der Nebenbauwerke sind es 1,4 Millionen Kubikmeter. Etwa eine Million Quadratmeter Betonfahrbahn wurden angelegt. Bis jetzt wurden rund 400 000 Kubikmeter Beton verbaut, am Ende werden es 480 000 Kubikmeter sein. Mit der Betonausführung, die als besonders dauerhaft gilt, seien auch die Autofahrer zufrieden. „Wir hören nur Positives“, so Schmidt und Bauoberrat Christian Brandes von der Autobahndirektion unisono. • Die errichteten Lärmschutzwände umfassen miteinander eine Fläche von etwa 40 000 Quadratmetern. Dazu kommen auf einer Länge von 20 Kilometern aufgeschüttete Lärmschutzwälle. • Im Schnitt sind auf den Baustellen rund 300 Mitarbeiter beschäftigt. Bis jetzt wurden von ihnen insgesamt über 1,3 Millionen Arbeitsstunden geleistet. • Die Kosten für den Ausbau belaufen sich auf rund 250 Millionen Euro. Odelzhausen/Aichach (roe) Heuer zum 31. Dezember wird der sechsstreifige Abschnitt der Autobahn zwischen München und Augsburg offiziell übergeben. Möglichst nahtlos sollen dann die Arbeiten für den Bereich von Augsburg-West bis nach Ulm aufgenommen werden. Dies erklärten die beiden Bauoberräte Christian Brandes und Nadine Lewandowski von der Autobahndirektion Südbayern im Gespräch mit unserer Zeitung. Dieses Projekt gehört zur zweiten Staffel der Betreibermodelle, sprich: Auch hier wird ein Privatunternehmen den Ausbau tragen und im Gegenzug die Lkw-Maut kassieren. Die Ausbaustrecke ist 41 Kilometer lang, die Konzessionslänge umfasst 58 Kilometer. Wie im Falle von Augsburg-München ist auch bei Augsburg-Ulm bereits ein Teil der Trasse auf konventionelle Weise ausgebaut worden (zwischen Günzburg und dem Autobahnkreuz Ulm/Elchingen). Baubeginn wird Anfang 2011 sein, die Fertigstellung ist für Ende 2014 angepeilt. Über den Winter wurden bereits Baumfällarbeiten durchgeführt. Rund 80 Hektar wurden dabei gerodet. Derzeit läuft das komplizierte Vergabeverfahren, das nach mehreren Verhandlungsrunden erst Ende des Jahres abgeschlossen sein wird. Wie viele Bewerber es gibt, wollten die Vertreter der Autobahndirektion mit Blick auf die Verfahrensrichtlinien nicht sagen. Nicht mit von der Partie ist definitiv die autobahnplus A8 GmbH. Die, so Technischer Geschäftsführer Tom Soreq, sei ausschließlich für den Abschnitt zwischen Augsburg und München ins Leben gerufen worden. Damit ist freilich nicht ausgeschlossen, dass daran beteiligte Firmen und Gesellschaften unter anderer Konstellation erneut antreten.


Von REdler
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