Der Jahresrückblick 2023 der Aichacher Zeitung
Veröffentlicht am 18.09.2019 12:00

Zahnarzt vor Gericht

Der Angeklagte   (Zweiter von rechts) wird von drei Rechtsanwälten vertreten: Alexander Eckstein, Thorsten Ebermann und Richard Beyer verteidigen den 38-Jährigen. 	Foto: Monika Grunert Glas (Foto: Monika Grunert Glas)
Der Angeklagte (Zweiter von rechts) wird von drei Rechtsanwälten vertreten: Alexander Eckstein, Thorsten Ebermann und Richard Beyer verteidigen den 38-Jährigen. Foto: Monika Grunert Glas (Foto: Monika Grunert Glas)
Der Angeklagte (Zweiter von rechts) wird von drei Rechtsanwälten vertreten: Alexander Eckstein, Thorsten Ebermann und Richard Beyer verteidigen den 38-Jährigen. Foto: Monika Grunert Glas (Foto: Monika Grunert Glas)
Der Angeklagte (Zweiter von rechts) wird von drei Rechtsanwälten vertreten: Alexander Eckstein, Thorsten Ebermann und Richard Beyer verteidigen den 38-Jährigen. Foto: Monika Grunert Glas (Foto: Monika Grunert Glas)
Der Angeklagte (Zweiter von rechts) wird von drei Rechtsanwälten vertreten: Alexander Eckstein, Thorsten Ebermann und Richard Beyer verteidigen den 38-Jährigen. Foto: Monika Grunert Glas (Foto: Monika Grunert Glas)

Den 38-Jährigen könnte man als empathisch bezeichnen. Vielleicht zu empathisch. Denn sein Mitgefühl für seine Praxisassistentin war es, das ihn in das Schlamassel hineinriss. Die 34-Jährige hatte ein gutes Verhältnis zu ihrem Chef. Und so vertraute sie ihm auch die Probleme in ihrer Beziehung an. Ihr türkischer Freund misshandelte sie. So auch an dem schicksalhaften Tag im Oktober 2017. Da holte sie den Mann, der zeitweise in Straßburg lebte, am Busbahnhof ab. Und schon begann der Streit. Doch jetzt war es zu viel, die junge Frau konnte nicht mehr. Sie beendete die Beziehung, verlangte, der Mann solle ihre Wohnung in Mering verlassen. Doch er ging nicht. Sie war schwanger, sie hatte Angst, sie war in Panik. Da rief sie ihren Chef an.

Der Zahnarzt hatte seinen Feierabend genossen, am nächsten Tag stand nur Büroarbeit an. Weder er noch die zwei Bekannten, die er kurz vor der Sperrstunde aus dem Traditionslokal „Franziskaner in der Au” aufscheuchte, waren nüchtern. Eine Frau braucht Hilfe gegen ihren gewalttätigen Freund, sie will keine Polizei, denn der Vater ihres Kindes ist illegal in Deutschland? Die drei Stammtischfreunde holten sich ein Taxi und ließen sich nach Mering fahren. Das „Krischperl” würde man schon aus der Wohnung bewegen...

In Mering steht die Praxishelferin weinend und völlig aufgelöst auf der Straße, als die drei Musketiere ankommen. Einer, ein Fotograf, bleibt draußen. „Ich war schon immer eher ein Angsthase”, begründet er das. Der Zahnarzt und ein 58 Jahre alter Geschäftsmann hingegen gehen in die Wohnung. Sie treffen auf den Türken und „überzeugen” diesen, dass es besser wäre, zu gehen. Laut Anklage verwendet der Geschäftsmann dafür einen Baseballschläger, der Zahnarzt droht mit einer Schreckschusswaffe. Der Fotograf knipst durchs Fenster mit seinem Handy, auf den Bildern stehen der Dentist und sein Kumpel jedoch nur ruhig da, während der Türke einen Koffer und einen Rucksack packt.

Schließlich setzen sich der Zahnarzt, der Fotograf und der Ex-Freund der Helferin ins Taxi. Sie fahren nach Augsburg. Der Fotograf hebt am Bahnhof 500 Euro ab. Das Geld drückt man dem Türken in die Hand. Er soll den Zug nach Straßburg nehmen. Und nie wiederkommen.

Doch er kam. Er randalierte in der Praxis, provozierte. Und er erstattete Anzeige. Am 18. Dezember 2017 schickte man den Zahnmediziner in U-Haft. Und dort blieb er, denn die Augsburger Justiz sah Flucht- und Verdunkelungsgefahr. Bis zum Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe musste sich der 38-Jährige klagen, um frei zu kommen. Dessen Richter in der roten Robe, erste Kammer des zweiten Senats unter Vorsitz von Präsident Andreas Voßkuhle, rügten die „lediglich formelhafte Begründungen” des Landgerichts Augsburg, wieso Untersuchungshaft angebracht wäre, und bezeichneten Erwägungen des Oberlandesgerichts als „abstrakt, lückenhaft und nicht hinreichend nachvollziehbar”. Mitte 2018 war der Zahnarzt lebensgefährlich erkrankt, schon deshalb öffneten sich für ihn nun die Tore der JVA Gablingen.

Und jetzt also der Prozess gegen den Zahnarzt, den die Staatsanwaltschaft als Drahtzieher sieht. Mindeststrafe fünf Jahre, wenn es danach geht. Der erste Verhandlungstag war vergangene Woche schnell wieder vorbei. Einer der drei Verteidiger, Rechtsanwalt Richard Beyer, seines Zeichens nebenbei auch noch Honorarkonsul der Republik Angola, stellte gegen den Vorsitzenden Richter Roland Christiani und Beisitzerin Julia Buijze einen Befangenheitsantrag.

Abgelehnt. Diese Woche begann nach Verlesung der Anklageschrift durch Staatsanwalt Markus Eberhard mit ersten Zeugenvernehmungen. Weinend erzählte die Zahnarzthelferin von ihrer problematischen Beziehung zu dem Türken. Als sie begann, stiegen ihrem ehemaligen Chef auf der Anklagebank die Tränen in die Augen. Auf Bitten von Verteidiger Beyer verließen die zahlreichen Zuhörer dann aus Respekt freiwillig den Saal. Bis Mitte Oktober sind noch fünf Verhandlungstage vorgesehen. Mindeststrafe: Fünf Jahre Haft


Von Monika Grunert Glas
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