Helmut Sedlmeier aus Aichach weiß ein Lied davon zu singen. Der Rentner ist 65 Jahre alt und gehört damit zur Risikogruppe. „Ich wollte mich auch impfen lassen”, erklärte Sedlmeier im Gespräch mit unserer Zeitung. Bei vier Ärzten sei er gewesen, keiner hatte einen Impfstoff. Etwas angesäuert bezeichnete er Spahns Aufruf als „gut inszeniert”, aber viel zu kurz gedacht. Wo bleibt nun der Grippe-Impfstoff, wer hat ihn? „Wir haben nullkommanull”, meint eine Mitarbeiterin der Aichacher Arztpraxis Pfundmair vor einigen Wochen. Dort hatte Helmut Sedlmeier seine Suche nach dem Impfstoff fortgesetzt, nachdem er bei seinem Hausarzt in Gersthofen nicht geimpft werden konnte. In weiteren Arztpraxen, auch im Landkreis Dachau, sieht es ähnlich aus. Bestellt ist der Impfstoff, heißt es meistens - nur eben noch nicht da. Immerhin stünde man noch am Anfang der empfohlenen Grippe-Impfsaison, teilte ein Sprecher des Gesundheitsministeriums in München vor einigen tagen auf Nachfrage mit. „Nach den uns vorliegenden Informationen hat die Auslieferung von Impfstoff gegen die saisonale Influenza gerade erst begonnen.” Von „Einschränkungen beim Bezug von Impfstoffen” wisse man zwar, von einer Lieferunfähigkeit könne indes keine Rede sein. Es könnte lediglich sein, dass Arztpraxen die vorbestellten Impfstoffdosen noch nicht vollständig erhalten haben. „Nachbestellungen durch Ärzte oder Apotheken werden weiter entgegengenommen”, die Auslieferung der nachbestellten Impfdosen erfolge innerhalb der nächsten Wochen, hieß es aus dem Ministerium - übrigens vor ungefähr drei Wochen. „Nicht vollständig” beliefert wurde etwa der Apotheker Harald Tschernek. Er betreibt die Marien Apotheke in Pöttmes sowie die Easy-Apotheke am Aichacher Milchwerk. Bestellt habe er knapp 200 Impfdosen, eine sei bislang angekommen, sagt Tschernek. Was zunächst ironisch und beinahe amüsant klingt, verärgert und verunsichert Senioren wie Helmut Sedlmeier. Der ist übrigens immer noch nicht geimpft. Und auch an der Situation in den Arztpraxen hat sich nichts geändert. Hat hier etwa jemand verschlafen? Wenn man dem Ministeriumssprecher glaubt, hätte die Staatsregierung heuer eigentlich gut vorgesorgt. Speziell aufgrund der Pandemie habe man in München mit einer höheren Nachfrage an Impfstoff für die saisonale Grippe gerechnet, Ärzte- und Apothekerverbänden geraten, die höhere Nachfrage mit einzukalkulieren. Der Freistaat selbst hatte am 23. Juni dieses Jahres per Ministerratsbeschluss 550 000 Impfdosen zur „Verimpfung durch den öffentlichen Gesundheitsdienst” bestellt. Ein Drittel mehr Impfungen als sonst in einer Saison würden damit möglich gemacht. Konkret heißt das: Die Gesundheitsämter erhalten Impfstoffe. Ein solches Gesundheitsamt ist an jedem Landratsamt angesiedelt, etwa im Landkreis Aichach-Friedberg. Doch auch hier müssen die Verantwortlichen eine Antwort schuldig bleiben, wann der Impfstoff kommt. Verwenden kann man den übrigens nur innerhalb der laufenden Saison, da jedes Jahr andere Influenza-Stämme globale oder lokale Grippewellen auslösen. Der Impfstoff von 2016 bringe daher heute nichts, was die Situation zudem erschwere, auch wirtschaftlich, stellt Pharmazeut Tschernek deutlich. „Wenn ich heute 1000 Impfdosen kaufe, kann es sein, dass ich auf ihnen sitzen bleibe - und sie nach der Saison nicht mehr verkaufen kann.” Daher will eine Bestellung gut kalkuliert sein - und dann auch bedient werden. „Ende November soll eine gewisse Menge kommen”, sagt der Apotheker noch. Ob er recht hat, wird sich zeigen. Wer übrigens privat krankenversichert ist, den Impfstoff also selbst kaufen und erst danach abrechnet, muss sich noch länger gedulden. Zunächst werden die Apotheken nämlich Arztpraxen versorgen. Lieferung Ende November erwartet