Der Jahresrückblick 2023 der Aichacher Zeitung
Veröffentlicht am 20.09.2022 13:00

Wie erwartet ist die Beschuldigte im Falle der Messerattacke in einem Lokal im nördlichen Teil des Landkreises Aichach-Friedberg gestern zu einer Unterbringung in einer Psychiatrie verurteilt worden. Die 8. Strafkammer des Augsburger Landgerichts sah es als erwiesen an, dass die 51-jährige Rumänin mit einem Steakmesser auf eine Wirtin losgehen wollte und Schlimmeres nur durch das Eingreifen des Sohnes der Wirtin verhindert wurde. Die Frau, die als Küchenhilfe in dem Restaurant angestellt war, bestritt die Tat bis zuletzt.

Laut Vorsitzendem Richter Dr. Roland Christiani stehe zudem fest, dass die Küchenhilfe, die von Italien aus über einen Arbeitsvermittlungsanbieter in den Landkreis gekommen war, schuldunfähig ist und bezeichnete diesen Umstand als "großes Privileg", denn dadurch sei das Urteil keine Strafe, wie in einem üblichen Strafrechtsprozess. Nicht ein böser Mensch oder dessen kriminelle Energie seien in einem solchen Fall, das laut Christiani zum kompliziertesten Rechtsgebiet gehört, ausschlaggebend für eine Tat, sondern die zugrundeliegende Störung. Eine Psychiaterin hatte bei der Rumänin eine paranoide Schizophrenie diagnostiziert. Auf dieses Gutachten berief sich das Schwurgericht, bestehend aus drei Berufsrichtern und zwei Schöffen. Die 51-Jährige nahm das Urteil stillschweigend zur Kenntnis, senkte immer wieder den Kopf bei der Begründung, die ihr von einer Dolmetscherin übersetzt wurde, und machte mehrmals das Kreuzzeichen. Am Ende antwortete sie auf die Frage des Richters, ob sie das Urteil akzeptiere mit einem kurzen "Nein". Die Rechtskraft erlangt die Entscheidung erst, wenn nicht innerhalb von einer Woche Revision eingelegt wird. Ob ihr Strafverteidiger diesen Schritt, also die Prüfung des Verfahrens auf Rechtsfehler, gehen wird, stand gestern noch nicht fest. "Ich muss mich erst mit meiner Mandantin absprechen und ihr erklären, was es genau bedeutet, in Revision zu gehen", sagte Jürgen Steppe. Denn eine neue Beweisaufnahme, samt etwaiger Aufklärung der sexuellen Belästigung, die die Beschuldigte im Prozess mehrmals erwähnte, würde es nicht geben.

Rechtsanwalt Steppe, der in seinem Plädoyer vor einigen Tagen, statt einer Unterbringung in einer Psychiatrie die Bereitstellung eines Betreuers gefordert hatte, kommentierte die Entscheidung des Gerichts mit den Worten: "Die Kammer ist überzeugt, dass von meiner Mandantin ähnliche Taten zu erwarten sind. Diese Ansicht kann ich nicht teilen. Im Vorfeld hatte es keine Taten gegeben." Seiner Meinung nach. hätten die Richter die Unterbringung zur Bewährung aussetzen sollen.

Was sich wirklich am Abend des 10. Februar 2021 in dem Lokal abgespielt hat, wissen nur die Beteiligten: die Beschuldigte, die Wirtin, der Ehemann und der gemeinsame Sohn. "Keiner kann von absoluter Wahrheit sprechen", meinte der Richter. Allerdings ändere das nichts daran, dass der Wirtsfamilie geglaubt wird. "Die Zeugen wären unseres Erachtens nicht in der Lage, sich abzusprechen und alles zu erfinden, ohne dass wir es gemerkt hätten."

Nachdem die Kammer das Risiko sieht, eine ähnliche Tat könnte sich bei erneutem Erregungszustand durchaus wiederholen, sei die Behandlung in einer Anstalt die einzige Möglichkeit in Zukunft Schlimmeres zu verhindern.

Die Dauer der Behandlung bestimmt nicht das Gericht, sondern die entsprechende Einrichtung. Die Unterbringung wird nach gewisser Dauer und immer wieder überprüft. "Das kann auch open end bedeuten", sagte Verteidiger Jürgen Steppe. Dahingehend riet Richter Christiani der Beschuldigten, sich der Behandlung nicht - wie bislang - zu verwehren. "Sich mit ärztlicher Hilfe seiner Selbst anzunehmen, sollte keine Schande sein und ich bin mir sicher, es wird der Tag kommen, an dem Sie einsehen, dass es die Krankheit war, die Sie dazu gebracht hat, auszuflippen."

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