Als der Vorsitzende Richter Christoph Kern das Urteil verkündet, fließen im Gerichtssaal die Tränen. Tränen der Befreiung, aber auch Tränen der Verzweiflung. Im Prozess um einen Böllerwurf während eines Spiels zwischen dem FC Augsburg und der TSG 1899 Hoffenheim in der Augsburger Arena durch den zwölf Menschen verletzt wurden ist am Montag der 28-jährige Hauptbeschuldigte zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt worden. Gegen die drei Mitangeklagten verhängte die 3. Strafkammer des Landgerichts Augsburg Bewährungsstrafen.
Für einen der Mitangeklagten, einen 35-Jährigen, ist das Urteil ein Grund zur Erleichterung, saß er doch seit einem Monat in Untersuchungshaft. Mit dem Urteil ist für ihn der Haftbefehl aufgehoben, er wird von den Fußfesseln befreit.
Letztlich kommt ihm sein Geständnis kurz vor Torschluss zu Gute. Am letzten Verhandlungstag räumt er durch seinen Verteidiger alle Vorwürfe ein und gibt seine anfänglichen Versuche auf, den eigenen Anteil an der Tat kleinzureden. Die übrigen Angeklagten hatten schon zu Beginn des Prozesses gestanden. Und so geht es am Montag vor allem um die Frage, wie die Tat zu ahnden ist.
Die Staatsanwaltschaft fordert harte Strafen ohne Bewährung gegen den Hauptangeklagten und den 35-Jährigen. Für den 28-Jährigen sind es vier Jahre und zehn Monate, der 35-Jährige, der den 28-Jährigen in einem Whats-App-Chat zur Tat ermutigt hatte, soll für zwei Jahre in Haft - offensichtlich eine Horrorvorstellung für den Mann. In seinem letzten Wort kann er die Tränen kaum zurückhalten. Die Untersuchungshaft hat ihm sichtbar zugesetzt. Mit brüchiger Stimme bringt er sein Bedauern zum Ausdruck und will sich entschuldigen. „Ich habe Angst um mein Leben”, sagt er. Er habe Angst, dass er alles zerstöre, was er sich aufgebaut habe.
In seinem letzten Wort bittet auch der Hauptangeklagte noch einmal um Entschuldigung und gelobt, sich zu bessern. „Ich will und ich werde aus meinen Fehlern lernen”, beteuert er. Durch den Prozess und die Untersuchungshaft sei ihm die Falschheit seines Handelns bewusstgeworden. Er wirkt dabei gefasst, bereit, jeden Urteilsspruch zu akzeptieren. Er sitzt bereits seit der Tat im November 2023 in Untersuchungshaft und scheint die Belastung besser zu verkraften als sein Mitangeklagter.
Als der Vorsitzende Richter Kern das Urteil verkündet, bricht nicht der 28-Jährige in Tränen aus, sondern im Zuschauerbereich können sich mehrere Prozessbeobachter nicht mehr zurückhalten. Weinen und Schluchzen begleiten Kerns Ausführungen zur Strafe. Der Hauptangeklagte muss wegen der Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion und zwölf Fällen gefährlicher Körperverletzung für drei Jahre ins Gefängnis. Für den 35-Jährigen sind es wegen Beihilfe ein Jahr und sechs Monate, ausgesetzt zur Bewährung - die Tränen der Erleichterung rollen ihm über die Wangen, er muss nicht zurück ins Gefängnis. Die beiden anderen Angeklagten kommen ebenfalls wegen Beihilfe mit zehn Monaten beziehungsweise einem Jahr und drei Monaten auf Bewährung davon - der eine reichte dem Haupttäter das Feuerzeug, der andere verdeckte ihn mit einer Fahne, um ihn während der Tatvorbereitung zu verbergen.
Für Richter Kern ist klar, dass die Strafen angemessen und dringend erforderlich seien. Die vier Täter hätten „eine rote Linie deutlich überschritten”. Zwölf Personen wurden verletzt, darunter fünf Kinder. Ein 14-Jähriger trug eine Fleischwunde durch ein umherfliegendes Böllerteil davon. „Wer solch einen Böller in einem Stadion zündet, der muss damit rechnen, dass es zur Massenpanik kommt, dass es zur Verletzung von vielen Menschen kommt”, so Kern. Es habe sich ja nicht um einen Silvesterböller gehandelt. Vielmehr kommen solche Böller laut Kern beim Aufsprengen von Geldautomaten zum Einsatz. Deutlich betont er, dass man kein Exempel statuieren wollte. Spätestens durch die Berichterstattung sei jedem klar, dass Böller nichts im Stadion zu suchen hätten. Ein Stadionverbot, wie von der Staatsanwaltschaft angeregt, verhängt Kern nicht gegen die Hoffenheim-Fans. Aber: „Wenn Sie sich irgendwas in einem Stadion zu Schulden kommen lassen, kassiere ich die Bewährung schneller, als Sie schauen können”, droht Kern.