Drei Kasernengebäude gehören zu den letzten Zeugen der Augsburger Geschichte als amerikanische Garnisonsstadt. Nun will die Stadt sie abreißen und auf dem freigewordenen Platz sollen neue Wohngebäude entstehen. Doch die Initiative „Augsburgs Erbe bewahren“ wehrt sich gegen die Pläne und setzt stattdessen auf Ausbau statt Neubau.
Die Reese-Kaserne gehörte zu jenen militärischen Einrichtungen in Augsburg, die von den Nationalsozialisten in den 1930er Jahren erbaut und nach dem Zweiten Weltkrieg von den US-amerikanischen Streitkräften weiter genutzt wurden. Nach dem Abzug der Amerikaner in den 1990ern plante Augsburg, auf den gewaltigen Flächen insbesondere neue Wohnviertel entstehen zu lassen. Doch rasch fanden sich auch andere, vor allem kulturelle Nutzungsmöglichkeiten für die bestehenden Gebäude. So hatte sich in den drei fraglichen Kasernenbauten der Kulturpark West etabliert. Bildende Künstler und Musiker hatten hier ihre Ateliers und Proberäume eingerichtet. Im ehemaligen Offizierscasino zog das Kulturhaus Abraxas ein und aus der Kantine wurde ein gleichnamiger Musik-Club. Doch während das Gebäude des Abraxas mittlerweile unter Denkmalschutz steht, fiel die Kantine bereits vor vier Jahren den Baggern zum Opfer. Grundlage war ein Bebauungsplan aus dem Jahr 2009.
Alex Blümel und die Initiative „Augsburgs Erbe bewahren“ hatten schon damals versucht, den Abriss zu verhindern – vergeblich. Der Stadtrat entschied sich gegen die Ideen und Vorschläge der Initiative. Aufschub gab es für die drei verbliebenen Gebäude nur, weil sich der Auszug der Künstler verzögert hatte. Die versprochenen Ersatzräume im Gaswerk waren nicht rechtzeitig fertig geworden. Doch inzwischen ist der mit Asbest belastete Außenputz abgeschlagen, der Abriss wieder ein Stück näher gerückt und Alex Blümel fürchtet um diesen Teil der Reese-Kaserne. Dabei hätte das Argument für den Abriss, dass die Schadstoffbelastung eine Sanierung unmöglich oder zumindest wirtschaftlich unrentabel mache, längst keine Grundlage mehr, so Blümel. Die Berechnung möglicher Sanierungskosten „fand deutlich vor den Baukostenexplosionen statt“, sagt Blümel. Für sie ist klar: Die Sanierung würde heute in einem Vergleich deutlich besser abschneiden.
Für Blümel und ihre Mitstreiter ist der Einsatz für die architektonischen Zeugen der Augsburger Geschichte eine Herzensangelegenheit. Wann immer ein Gebäude mit besonderer Geschichte, außergewöhnlicher Bauart vom Abriss bedroht ist, steht die Initiative bereit und versucht, durch alternative Planungsvorschläge, die Bauten zu erhalten und gleichzeitig neue Projekte zu ermöglichen. Größter Erfolg bislang war die Halle 116, eine ehemalige Außenstelle des KZ Dachau, in der Zwangsarbeiter untergebracht waren. Mittlerweile ist dort ein Lern- und Gedenkort entstanden.
In einem Offenen Brief an die Referenten für Soziales, Umwelt und Bau wirbt Blümel nun für ihre Idee, die Gebäude der Reese-Kaserne stehen zu lassen und weiter zu nutzen. In dem Brief geht sie auch intensiv auf die Schadstoffbelastung ein. Dafür hat sie sich die Mühe gemacht und die Laborberichte selbst durchforstet und kommt zu dem Ergebnis: „Kein Abrisszwang!“ Nahezu alles sei leicht oder mittelschwer zu beheben, beruft sich Blümel auf die Ergebnisse der Schadstoffbeprobung.
Und ohnehin müssten jegliche noch vorhandenen Schadstoffe, wie Bodenkleber, Asbest, DDT und Schwermetalle vor einem Abriss ausgebaut und auf Sonderdeponien gebracht werden.
Und Blümel hat ein weiteres Ass im Ärmel: den Klimaschutz. Denn durch eine Weiternutzung der schadstoff-sanierten Baukörper sieht die Initiative viel Einsparpotenzial bei „Ressourcen, Energien, CO2, Emissionen, also Klimakosten in hohem Ausmaß“, zählt Blümel in ihrem Brief auf.
Dass eine solche Umnutzung in Wohnraum ohne Weiteres möglich wäre, zeigten Beispiele aus anderen Städten. Selbst in Augsburg gebe es beispielhafte Kasernenumbauten, etwa im Hochfeld.
„Die Stadt und ihre Wohnbaugruppe können jederzeit einen Kurswechsel machen. Es ist kein privater Dritter oder Investor, der hier agiert“, appelliert Blümel.
Doch die Stadt bleibt bei ihrer Entscheidung: „Die Frage, ob und in wie weit ein Erhalt der drei Kasernen-Gebäude möglich oder gewollt ist, wurde bereits vor vielen Jahren intensiv diskutiert und entschieden“, teilt das Referat für Stadtentwicklung, Planen und Bauen auf Nachfrage mit. Die entsprechenden Aufträge für den Rückbau seien nunmehr erteilt.
Aktuell liefen die Vorbereitungen für das Bebauungsplanverfahren mit dem Ziel, bis Mitte 2027 Baurecht für rund 450 bis 500 neue Wohnungen zu ermöglichen. „Insofern ist der unermüdliche Einsatz von einzelnen Akteurinnen für den Erhalt der drei Bestandsgebäude dankens- und ehrenwert. Die Wiederholung der schon ausführlich geführten Diskussion würde zum jetzigen Zeitpunkt aber insbesondere zu einer maßgeblichen Verzögerung des Baurechts für die neuen Wohnungen führen“, so das Baureferat.
Dabei hat die Stadt erst in jüngster Vergangenheit gute Erfahrungen damit gemacht, eigentlich schon eingeschlagene Pfade noch einmal zu überdenken und dann neu zu entscheiden: Das Hallenbad im Spickel sollte ursprünglich saniert werden, so sah es der Bäder-Masterplan vor. Doch als die Verwaltung die Kosten für eine Sanierung und einen Neubau gegenüberstellte, zeigte sich, dass beide der Stadt gleich teuer gekommen wären und der Stadtrat entschied sich doch für einen Neubau.
Im Fall der Reese-Kaserne wünschen sich Alex Blümel und die Initiative „Augsburgs Erbe bewahren“ freilich genau den umgekehrten Schluss, dass die drei letzten noch stehenden Mannschafts- und Verwaltungsgebäude der früheren Reese-Kaserne als „authentischer Teil der Stadt-und Zeitgeschichte des 20. Jahrhunderts in die Zukunft mitgenommen werden“.