Das Aufstehen von Sessel und Sofa fällt schwer, länger stehen geht gar nicht mehr - im Alter klappt vieles im Alltag nicht mehr so einfach oder wird gar unmöglich. Schlimmstenfalls bedeutet das für ältere Menschen, dass sie ihr gewohntes Umfeld verlassen müssen. Wie sich mit einfachen Hilfsmitteln der Alltag für Senioren in den eigenen vier Wänden einfacher gestalten lässt, demonstriert seit Montag eine Musterwohnung des Landkreises Augsburg.
Anfangs sei er der Idee, eine solche Musterwohnung einzurichten, skeptisch gegenübergestanden, gesteht der Augsburger Landrat Martin Sailer. Doch als er nun das Ergebnis sieht, platzt ein ums andere Mal aus ihm heraus: „Ich bin begeistert!”
Die Idee für das Projekt hatte Sailers Team in der Seniorenberatung. Und als auch noch das bayerische Sozialministerium 100 000 Euro Förderung zusicherte, war auch Sailer bereit, 10 000 Euro des Kreises beizusteuern. So entstand in ehemaligen Büroräumen die Musterwohnung.
Die Hilfsmittel in bereits bestehende Räume einzufügen, sei wichtiger Teil des Konzeptes gewesen, sagt Sabine Schmeikal von der Seniorenberatung. Denn: „Die Leute bauen sich ja auch nicht gleich ein komplett neues Haus.” Gemeinsam mit ihrem Kollegen Volker Bertram präsentiert sie das Ergebnis ihrer Bemühungen oder besser: die findigen Kniffe, mit denen sich die altersbedingten Einschränkungen austricksen lassen. Gegen müde Beine beim Kochen hilft eine Art Rollator zum Sitzen und mit einer in einem Schubladenfach verborgenen Arbeitsfläche ist auch gleich die passgenaue Arbeitshöhe hergestellt. Büro-Arbeiter kennen längst den höhenverstellbaren Schreibtisch, um den Rücken zu schonen - mit zwei integrierten Kochfeldern wird der Tisch zum Alltagshelfer in der Küche.
Höhenverstellbar ist auch die Toilettenschüssel im barrierearmen Badezimmer. Die Dusche dort ist mit einer massiven Haltestange entlang der Wand ausgerüstet, daran festgemacht findet sich ein Klappsitz. „Ruhig mal drauf sitzen”, fordert Volker Bertram zum Stabilitätstest auf.
Gedacht ist die Musterwohnung für alle im Regierungsbezirk Schwaben, die sich Anregungen für die altersgerechte Umgestaltung von Wohnraum holen wollen. Für Gruppen aus ganz Bayerisch-Schwaben will Schmeikal Vorträge anbieten, jeder Interessierte könne sich hier informieren. Währenddessen hat Bertram einen Tipp für eine altersgerechte Duschabtrennung: „Verzichten Sie auf Glas”, rät er. Falls es nötig ist, bei der Körperhygiene zu assistieren, sei ein Duschvorhang einfach praktischer. Selbst zur Tür ins Badezimmer hat Bertram einen Vorschlag: Schiebetüren, denn die lassen sich auch öffnen, wenn jemand im Bad vor der Tür gestürzt ist und nicht mehr hochkommt.
Schmeikal und Bertram haben einen großen Schatz an solchen Ratschlägen und kennen zahlreiche Alltagshelfer. Wichtig ist ihnen, dass diese Hilfsmittel in den bestehenden Haushalt integriert werden können und so gut es geht, den Geldbeutel schonen. Aber: „Wir sind keine Verkäufer”, betont Schmeikal. In der Musterwohnung gebe es nur Anregungen, mit denen dann jeder selbst zum Möbelgeschäft gehen müsse - oder in den Elektronikladen. Bertram demonstriert, wie sich vieles in der Wohnung einfach per Tablet steuern lässt, etwa die Gardinen im Schlafzimmer oder die ausfahrbare Kleiderstange im Schrank - alles eingebunden ins W-Lan der Wohnung.
Auf Landrat Sailer hat die Musterwohnung Eindruck gemacht. Sie zeige, wie mit finanziell überschaubarem Aufwand der Alltag etwas leichter gestaltet und so der Aufenthalt in den eigenen vier Wänden länger ermöglicht werden kann. „Eine tolle Idee”, lobt Sailer.
Wer sich selbst einen Eindruck verschaffen möchte, kann dies am Samstag, 27. April, tun. Von 10 bis 15 Uhr findet in der Musterwohnung in der Bismarckstraße 62 in Stadtbergen ein Tag der offenen Tür statt. Der Zugang erfolgt über die Straße „Stadtberger Steig”. Ansonsten sind die Besichtigungszeiten mittwochs von 10 bis 12 Uhr und donnerstags von 15.30 bis 17.30 Uhr.