Der Jahresrückblick 2023 der Aichacher Zeitung
Veröffentlicht am 20.06.2018 12:00

Strafbare Suche nach sexueller Orientierung

Während der Angeklagte die von Vorsitzender Richterin Eva-Maria Grosse ausgesprochene Verwarnung samt 80 Stunden sozialer Hilfsdienste sowie der Fortsetzung einer bereits vor einem Jahr begonnenen Therapie noch im Gerichtssaal annahm, wollte Staatsanwältin Saskia Eberle keine Erklärung abgeben. Die Vertreterin der Anklage hatte zuvor eine 15-monatige Jugendstrafe als zwingend erforderlich erachtet. „Hinter jeder Datei steckt irgendwo in der Welt ein Kind, das missbraucht wurde”, betonte Eberle. Allein durch den Besitz solcher Bilder und Videos unterstützte man solche Verbrechen. Sie stufte die Taten als sittlich auf niedrigstem Niveau ein und erkannte durchaus schädliche Neigungen und kriminelle Energie beim Angeklagten, der zur Tatzeit 20 Jahre alt war, sich in den Chat-Programmen aber als 15-Jähriger ausgegeben hatte.

Bei einer Hausdurchsuchung eines anderen deutschen „Lieferanten” von Kinder- und Jugendpornographie waren Kripobeamte bereits 2016 auf den Friedberger gestoßen. Dass sich das Verfahren bis jetzt hinzog, lag insbesondere an der Auswertung der umfangreichen Dateien, für die ein privates Gutachterunternehmen eingeschaltet wurde. Kostenpunkt: 12 000 Euro. Auch sie werden übrigens zu den Gerichtskosten gerechnet, die der inzwischen 22-Jährige zu tragen hat. Als die Polizei vor dem elterlichen Haus stand, Laptop und Handy mitnahm, habe er sich erleichtert gefühlt. Ohne Umschweife räumte der junge Mann, dem alle Seiten Reife-rückstände zugestanden, alles ein, zeigte sich kooperativ und legte auch seinen Eltern und Geschwistern sein Problem dar. Bis heute wisse er nicht, ob er sich eher zu Frauen oder Männern hingezogen fühle. Die Suche nach der eigenen sexuellen Orientierung sei es nach den Worten seines Verteidigers, Rechtsanwalt Florian Zenger, gewesen, warum sich der Angeklagte überhaupt auf die Suche nach Pornomaterial machte. In der Mehrzahl ging es um junge Männer in der Pubertät, dass auf den Bildern auch Kinder zwischen zwei und zehn Jahren zu sehen sind, habe ihn selbst geschockt. Danach gesucht habe er nicht, zum Teil waren ihm über Chat-Freunde offenbar ganze Archive über Cloud-Speicher zum download angeboten worden. Der Friedberger hat seit geraumer Zeit eine Therapie begonnen, die nach Auskunft des Therapeuten vielversprechend verläuft und die der 22-Jährige unbedingt fortsetzen möchte. In der Schule war er nach einer homosexuellen Erfahrung gemobbt worden, alleine die lange Verfahrensdauer belaste den jungen Mann schwer.

Das räumte Vorsitzende Richterin Eva-Maria Grosse ein. Die Schuldeinsicht und spürbare Reue des Angeklagten sowie die überaus positive Sozialprognose der Jugendgerichtshilfe und die bereits begonnene Therapie gaben den Ausschlag für ihr mildes Urteil. Die Taten seien zweifellos schlimm, doch eine Haftstrafe oder ein Arrest wären aus ihrer Sicht in diesem besonderen Fall ungeeignete Maßnahmen gewesen: „Sie haben ein Problem, aber sie arbeiten daran”, so die Richterin, die überzeugt war, den bis dato völlig unbescholtenen Friedberger nicht mehr vor Gericht zu sehen. Hätte es sich um einen Erwachsenen gehandelt, „der solche Dinge konsumiert und damit dafür sorgt, dass sie hergestellt werden, dann wäre er in den Knast gegangen”, unterstrich Grosse. In der Schule gemobbt


Von Bastian Brummer
north