Der Jahresrückblick 2023 der Aichacher Zeitung
Veröffentlicht am 16.08.2021 14:44

Ein Kreuz erinnert an den Lechhauser Wildererkönig

Zahlingereck   heißt dieses Waldstück an der Straße zwischen Pfaffenzell und Zahling. Nahe dieser Stelle hat Oberförster Bernhard Fischer den Augsburger Wildererkönig Friedrich Mahler gestellt und wenig später erschossen. Im Wald wird nun ein Marterl aufgestellt, das an das Ereignis erinnert. 	Foto: Wolfgang Glas/Repro: Hubert Haug (Glas/Repro: Hubert Haug)
Zahlingereck heißt dieses Waldstück an der Straße zwischen Pfaffenzell und Zahling. Nahe dieser Stelle hat Oberförster Bernhard Fischer den Augsburger Wildererkönig Friedrich Mahler gestellt und wenig später erschossen. Im Wald wird nun ein Marterl aufgestellt, das an das Ereignis erinnert. Foto: Wolfgang Glas/Repro: Hubert Haug (Glas/Repro: Hubert Haug)
Zahlingereck heißt dieses Waldstück an der Straße zwischen Pfaffenzell und Zahling. Nahe dieser Stelle hat Oberförster Bernhard Fischer den Augsburger Wildererkönig Friedrich Mahler gestellt und wenig später erschossen. Im Wald wird nun ein Marterl aufgestellt, das an das Ereignis erinnert. Foto: Wolfgang Glas/Repro: Hubert Haug (Glas/Repro: Hubert Haug)
Zahlingereck heißt dieses Waldstück an der Straße zwischen Pfaffenzell und Zahling. Nahe dieser Stelle hat Oberförster Bernhard Fischer den Augsburger Wildererkönig Friedrich Mahler gestellt und wenig später erschossen. Im Wald wird nun ein Marterl aufgestellt, das an das Ereignis erinnert. Foto: Wolfgang Glas/Repro: Hubert Haug (Glas/Repro: Hubert Haug)
Zahlingereck heißt dieses Waldstück an der Straße zwischen Pfaffenzell und Zahling. Nahe dieser Stelle hat Oberförster Bernhard Fischer den Augsburger Wildererkönig Friedrich Mahler gestellt und wenig später erschossen. Im Wald wird nun ein Marterl aufgestellt, das an das Ereignis erinnert. Foto: Wolfgang Glas/Repro: Hubert Haug (Glas/Repro: Hubert Haug)

98 Jahre ist das her. Jetzt wird am Zahlingereck, jenem Waldstück, in dem das Unglück geschah, ein Marterl aufgestellt. Keines, das die Wilderei verherrlichen soll, und auch keines, das von Heldentaten erzählt. „Wir möchten, dass die Leut`, die daran vorbei kommen, sich überlegen, wie sie in einer solchen Situation handeln würden”, erklärt Leonhard Knauer. Er ist der Vorsitzende des Derchinger Heimatkundevereins und hat lange zum Tod des Wildererkönigs recherchiert. Sein Fazit: „Natürlich war der Oberföster im Recht, als er auf den Wilderer schoss. Aber der Wilderer hat ja auch deshalb gewildert, weil er in Zeiten arger Not für seine Familie sorgen musste.” Der getötete Friedrich Mahler war Vater von zwei Töchtern (zehn und zwölf Jahre) und eines vier Monate alten Sohnes.

1923 waren die Zeiten der Wilderei eigentlich längst vorbei. Ein Matthäus Klostermayr, der „Bayerische Hiasl” aus Kissing, streifte 150 Jahre zuvor durch die Wälder links und rechts des Lechs. Er schoss Rehe und Wildsauen, die damals als alleiniges Eigentum des Adels galten, und ließ manches Stück armen Häuslerleuten zukommen.

Was Friedrich Mahler mit dem Bayerischen Hiasl verbindet: Armut und Hunger während der Inflation dürften auch ihn zur Wilderei gebracht haben. Der Augsburger marschierte nächtens in den wenige Kilometer entfernten Derchinger Forst, der sich bis nach Pfaffenzell und Zahling erstreckt, an der Südseite bis Haberskirch und Taiting. Ein großes Revier also, 4500 Tagwerk im Eigentum des Friedberger Unternehmers und Generaldirektors der Hasenbrauerei, Ernst Mezger. Der hat die Geschichte über den Wildererkönig in seinem Büchlein „Vom Hardl” aufgeschrieben, in dem er seinen langjährigen Oberförster Bernhard „Hardl” Fischer portraitiert. Die Begegnung mit dem Wildschützen lässt er den Hardl so erzählen: „I pirsch mi gegens Kreutholz, da fallt oben am Zahlingereck a Schuß, der sich ganz komisch anghört hat - der muaß sich im Holz verschlagn habn. I schleich glei drauf zua, mach kaum a paar Schritt, da laaft mir a ganz verdächtiger Kerl grad in d'Händ. I moan, i seg des Gewehr unterm Rock. I schrei glei: 'Hände hoch, Lump elendiger, oder i schiaß!' Er ist völlig überrascht und ko nix mehr macha und hebt d'Händ hoch. Wia i auf eam zuageh, sagt er 'Anrührn laß i mi net, absolut net!'”

Der Hardl, damals schon 68 Jahre alt und nicht mehr so flink auf den Beinen, marschierte mit dem Gestellten dann zur Gendarmerie in Stätzling. „Wenns die geringsten Fisimatenten machen, na kracht's”, soll er gesagt haben, „und jetzt geh ma.”

Weit kamen die beiden nicht, denn an der Tannenbrünnl-Wiesen zwischen Zahling und Latzenhausen sauste der Wilderer mit einem „Jetzt leckst mich am Arsch!” ins Dickicht. Der Oberförster schoss ihm nach, hörte ihn im Unterholz stöhnen, aber nachgegangen ist er ihm nicht. Zu groß war die Angst, dass er in einen Hinterhalt gelockt würde.

Bernhard Fischer eilte eineinhalb Stunden nach Stätzling, holte dort den Dorfpolizisten, und gemeinsam machten sie sich, wiederum zu Fuß, auf die Suche nach dem Angeschossenen. Sie fanden ihn tot. Die Augsburger Mordkommission bestätigte rasch, dass es sich um einen Fall von Notwehr gehandelt hatte. Der Hardl wurde nicht belangt. Aufs Gewissen drückte ihn das Erlebte aber schon: Er ließ die Feldkapelle, die an der Straße zwischen Derching und Frechholzhausen steht, für viel Geld herrichten.

Der Wildererkönig übrigens war bestens ausgerüstet: Er ging mit einem Gewehr samt Zielfernrohr und Schalldämpfer auf die Pirsch. Für Leonhard Knauer vom Heimatverein ein Indiz dafür, dass nicht nur der Hunger ihn in die Wälder trieb, sondern auch eine gehörige Portion Jagdlust. Knauer: „Sinn unserer Gedenkstätte ist es, darauf hinzuweisen, dass es immer mehr als eine Sichtweise auf ein Ereignis gibt und man aus der Vergangenheit Lehren ziehen kann.”

”Für den Mörder ist die Kugel schon gegossen”

Der Fischer Hardl war über 50 Jahre lang Förster im Mezgerwald. Er starb 1946 im Alter von 90 Jahren. Überlebt hat er das Attentat, das vermutlich die Bandenmitglieder des Lechhausener Wildererkönigs verübten. Sie hatten bei der Beerdigung von Friedrich Mahler öffentlich gedroht: „Für den Mörder ist die Kugel auch schon gegossen.”

Das Marterl am Zahlingereck, ein 1,30 Meter hohes Holzkreuz, das mit zwei Erklär-Stelen ergänzt wird, ist bereits aufgestellt. Pater Franz Schaumann und Diakon Richard Fuchs segnen es am Sonntag um 15 Uhr. Wer dabei sein will: Dem Feldweg, der zwischen Zahling und Pfaffenzell im Tal nach links in den Wald führt, etwa 500 Meter folgen.


Von Wolfgang Glas
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