Der Jahresrückblick 2023 der Aichacher Zeitung
Veröffentlicht am 01.08.2022 17:19

„Plötzlich sagte jemand: Du stehst nicht auf der Anzeigetafel”

Hochkonzentriert:   Vinzenz Hartl bei seinem Lauf im Eiskanal. Kurz zuvor ist ihm der entscheidende Fehler unterlaufen - im Hintergrund ist der gelbe Überhang zu sehen, der die Zone markiert, in der die Fahrer die Eskimorolle ausführen müssen. 	Foto: privat (Foto: privat)
Hochkonzentriert: Vinzenz Hartl bei seinem Lauf im Eiskanal. Kurz zuvor ist ihm der entscheidende Fehler unterlaufen - im Hintergrund ist der gelbe Überhang zu sehen, der die Zone markiert, in der die Fahrer die Eskimorolle ausführen müssen. Foto: privat (Foto: privat)
Hochkonzentriert: Vinzenz Hartl bei seinem Lauf im Eiskanal. Kurz zuvor ist ihm der entscheidende Fehler unterlaufen - im Hintergrund ist der gelbe Überhang zu sehen, der die Zone markiert, in der die Fahrer die Eskimorolle ausführen müssen. Foto: privat (Foto: privat)
Hochkonzentriert: Vinzenz Hartl bei seinem Lauf im Eiskanal. Kurz zuvor ist ihm der entscheidende Fehler unterlaufen - im Hintergrund ist der gelbe Überhang zu sehen, der die Zone markiert, in der die Fahrer die Eskimorolle ausführen müssen. Foto: privat (Foto: privat)
Hochkonzentriert: Vinzenz Hartl bei seinem Lauf im Eiskanal. Kurz zuvor ist ihm der entscheidende Fehler unterlaufen - im Hintergrund ist der gelbe Überhang zu sehen, der die Zone markiert, in der die Fahrer die Eskimorolle ausführen müssen. Foto: privat (Foto: privat)

Aichacher Zeitung: Vinzenz, auf deiner Heimstrecke hat dich eine als unvollständig bewertete Eskimorolle um die Halbfinalteilnahme gebracht.

Vinzenz Hartl: Es war schon eine große Enttäuschung. Meine Zeit hätte am Ende für Platz elf gereicht (die ersten 20 der 104 Starter waren für die Finalläufe qualifiziert, Anm. d. Red. ). Schade, wenn man dann wegen solchen Regelverstößen scheitert. Zumal die Regeln in der jungen Sportart noch nicht ausgereift sind - es ist nicht festgelegt, wie lang die Zone exakt ist, in der die Eskimorolle vollführt werden muss. Mein Boot war innerhalb des Bereichs, der in Augsburg vorgegeben war, noch nicht komplett gekippt, die Rolle nur 320 statt 360 Grad vollendet. Es ist halt bitter, als einziger wegen einem Fehler bei der Eskimorolle auszuscheiden. Aber: Es war schon auch nicht gut, so ein Fehler darf mir nicht passieren.

AZ: Hast du gleich während deines Laufs gewusst, dass es ein folgenschwerer Fehler war?

Vinzenz Hartl: Nein, ich habe mich nur geärgert, dass mich die nicht so gute Eskimorolle Zeit gekostet hat. Als ich unten im Ziel ankam, leuchtete Platz eins auf - Bestzeit. Und das, obwohl vor mir schon mehr als 50 Fahrer gestartet sind. Darunter einige Topathleten wie der spätere Vizeweltmeister Anatole Delassus. Erst als ich aus dem Boot gestiegen bin und schon auf dem Weg nach oben war, hat jemand zu mir gesagt, dass mein Name nicht auf der Anzeigetafel steht. Das war ein Schock. Der Bundestrainer hat noch Einspruch eingelegt - aber vergebens.

AZ: Dein Start war am Samstagnachmittag. Du hast also schon fast vier Tage lang mitbekommen, was an der Olympiastrecke von 1972 los war. Was hast du gefühlt, als du selbst oben auf der Startrampe im Boot gesessen bist?

Vinzenz Hartl: Es war fast nur Vorfreude. Das war richtig stark, was da in Augsburg abging. So eine WM gab es selten, das war für alle ein krasses Erlebnis. Als es für mich in den Kanal reinging, war es von beiden Seiten laut. Es war ein heftiges Gefühl, da runterzufahren. Das macht es umso ärgerlicher, dass es ich mich nicht für die Endläufe qualifizieren konnte. Es waren wahnsinnig viele Leute da, die ich kenne - unter anderem unser Handballtrainer Stefan Knittl. Und bei den Läufen von Sideris Tasiadis oder Elena Lilik hat man gesehen, dass bei Augsburger Startern die Lautstärke des Publikums nochmal ein anderes Level erreicht.

AZ: Gib uns einen Einblick, wie für dich die Tage an der Rennstrecke aussahen.

Vinzenz Hartl: Ich habe mir natürlich möglichst viele Wettbewerbe angeschaut. Wir hatten aber auch Öffentlichkeitstermine, etwa am Stand der Deutschen Sporthilfe oder mit der Polizei und der Bundeswehr. Außerdem musste ich viele Anfragen beantworten, ob ich noch Tickets fürs Wochenende organisieren kann (lacht) . Leider war da auch für mich nichts zu machen.

AZ: Du fährst für den AKV Augsburg und bist Kadertrainer am Stützpunkt am Eiskanal. Wie denkst du, wird sich diese fantastische WM auf den Kanusport in der Fuggerstadt auswirken?

Vinzenz Hartl: Ich rechne schon mit einem kleinen Boom. Wobei man sagen muss, dass der Nachwuchs in Augsburg nie ein Problem war. Gerade bei den Kindern, die den Sport ausprobieren wollen. Es gibt allerdings zu wenige Trainer. Kanu Schwaben musste vor einigen Jahren sogar einen Aufnahmestopp ausrufen. Ein Trainer kann in diesem Sport eben maximal fünf Kinder betreuen. Die mediale Aufmerksamkeit während der WM hat außerdem bewirkt, dass die zuvor auf der Kippe stehende Finanzierung für das Internat am Stützpunkt nun gesichert ist. Ab 2023 können wieder Plätze angeboten werden. Außerdem hat sich Augsburg mit diesem top organisierten Event international einen Namen gemacht.

AZ: Wie lange bleibt Zeit, die Enttäuschung aus dem Neoprenanzug zu bekommen?

Vinzenz Hartl: Ich starte Ende August beim Weltcup im französischen Pau im Extrem-Slalom. Im September stehen die deutschen Meisterschaften im Kanu-Slalom an. Und die Enttäuschung? Die gehört eben zum Sport dazu. Ohne sie würde sich der Erfolg weniger gut anfühlen. Außerdem bin ich wahnsinnig stolz darauf, einer von 13 deutschen Startern bei der Heim-WM gewesen zu sein.

Das Gespräch führte David Libossek

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