Der Jahresrückblick 2023 der Aichacher Zeitung

Nach versäumter Antragsfrist: Stadtrat diskutiert 28-Millionen-Euro-Panne

Sozialreferent Stefan Kiefer (auf dem Archivbild im Gespräch mit Eltern aus dem Stadtjäger-Viertel, in dem es seit Jahren keine eigene Kita mehr gibt) steht wegen einer Panne im Jugendamt in der Kritik. Eine Fristversäumnis könnte die Stadt 28,5 Millionen Euro kosten. (Foto: Janina Funk)
Sozialreferent Stefan Kiefer (auf dem Archivbild im Gespräch mit Eltern aus dem Stadtjäger-Viertel, in dem es seit Jahren keine eigene Kita mehr gibt) steht wegen einer Panne im Jugendamt in der Kritik. Eine Fristversäumnis könnte die Stadt 28,5 Millionen Euro kosten. (Foto: Janina Funk)
Sozialreferent Stefan Kiefer (auf dem Archivbild im Gespräch mit Eltern aus dem Stadtjäger-Viertel, in dem es seit Jahren keine eigene Kita mehr gibt) steht wegen einer Panne im Jugendamt in der Kritik. Eine Fristversäumnis könnte die Stadt 28,5 Millionen Euro kosten. (Foto: Janina Funk)
Sozialreferent Stefan Kiefer (auf dem Archivbild im Gespräch mit Eltern aus dem Stadtjäger-Viertel, in dem es seit Jahren keine eigene Kita mehr gibt) steht wegen einer Panne im Jugendamt in der Kritik. Eine Fristversäumnis könnte die Stadt 28,5 Millionen Euro kosten. (Foto: Janina Funk)
Sozialreferent Stefan Kiefer (auf dem Archivbild im Gespräch mit Eltern aus dem Stadtjäger-Viertel, in dem es seit Jahren keine eigene Kita mehr gibt) steht wegen einer Panne im Jugendamt in der Kritik. Eine Fristversäumnis könnte die Stadt 28,5 Millionen Euro kosten. (Foto: Janina Funk)

Es ist der Nachmittag des 29. Juni 2017 als ein Mitarbeiter der Stadtverwaltung eine Entscheidung trifft, die Augsburg im schlimmsten Fall nun 28,5 Millionen Euro kosten könnte. Der Sachbearbeiter des Amtes für Kinder, Jugend und Familie soll den Schlussantrag für Fördergelder aus Landes- und Bundesmitteln stellen. Doch es gibt technische Probleme mit dem Online-Portal des Freistaats. Der Computer des Mitarbeiters stürzt ab. Er fährt den Rechner herunter und geht schließlich nach Hause. Am Folgetag meldet er sich krank – es wäre der letzte Tag gewesen, an dem der Fördermittelantrag hätte gestellt werden können.

Neun Monate später sitzt sein höchster Vorgesetzter auf der Referentenbank des Stadtrats und versucht, das Debakel zu erklären. Stefan Kiefer, Sozialreferent und dritter Bürgermeister, lehnt sich nach vorne. „Es ist ein belastender Vorgang für uns“, sagt er mit ruhiger Stimme. Er selbst wisse erst seit dem 6. Februar von dem Vorfall. Denn obwohl der Antrag im vergangenen Sommer zu spät bei der Regierung von Schwaben, der zuständigen Behörde, eingeht, überweist der Freistaat wenig später das Geld.

Erst als der Bund, der mit 1,8 Millionen Euro an der Förderung beteiligt ist, den verspäteten Antrag bemängelt, erfährt die Stadtregierung von der Panne.

Der Sachbearbeiter sei an jenem Donnerstag, als er früher nach Hause ging, bereits krank gewesen, erklärt Kiefer. Am Montag danach, am 3. Juli, sei der Mitarbeiter wieder zur Arbeit gekommen und er und seine beiden Kollegen hätten festgestellt, dass „versäumt wurde, den Schlussantrag zu stellen“, beschreibt Kiefer. Umgehend sei dies nachgeholt worden.

Drei Tage später dann die vermeintlich gute Nachricht: Die Regierung von Schwaben schickt einen positiven Bescheid. „Damit war für die Mitarbeiter dann das Thema erledigt“, sagt Kiefer. Er wolle niemanden verurteilen, aber „auch nichts rechtfertigen“, betont der Sozialreferent, der in seiner Erklärung vor dem Stadtrat auch ausführlich auf die Rahmenbedingungen eingeht.

Die Fördermittel beziehen sich auf die Kinderbetreuung durch freie Träger. Das Amt für Kinder, Jugend und Familie erhält diese Zuschüsse von Freistaat und Bund und reicht sie an die jeweiligen Kita-Träger weiter. Insgesamt, erläutert Kiefer, gebe die Stadt für die Kitas von 149 Trägern rund 60 Millionen Euro im Jahr aus, rund die Hälfte davon werde durch staatliche Zuschüsse gedeckt, die nachträglich gewährt werden. Die Träger selbst müssen bis zum 30. April eines jeden Jahres ihre Anträge stellen.

In den zwei Monaten bis zum 30. Juni heißt es für die drei Sachbearbeiter aus dem Amt für Kinder, Jugend und Familie dann: Die einzelnen Anträge prüfen, Nachfragen stellen, Schlussantrag erarbeiten. Es sei unmöglich, jenen Schlussantrag deutlich früher als zum Ende der Frist zu stellen, sagt Kiefer.

Die Erklärungen des Sozialreferenten bezeichnet Rolf von Hohenhau (CSU) wenig später als „höchst unbefriedigend“. Es könne doch nicht sein, „dass es auf einen Sachbearbeiter ankommt. Da muss doch der nächste Vorgesetzte draufschauen“.

Bei einer solchen Summe, beanstandet von Hohenhau, reiche eigentlich auch kein „Vier-Augen-Prinzip“ – „da gehört ein Sechs-Augen-Prinzip her“. Stadtdirektor Frank Pintsch hält mit der „Allgemeinen Geschäftsanweisung“ dagegen. Sein Fazit: Die Zuständigkeit liege beim Amt.

Das Amt für Kinder, Jugend und Familie habe im Übrigen ein „Vier-Augen-Prinzip“, ergänzt Kiefer. Am Vormittag des 29. Juni sei der Vorgang entsprechend diesem Prinzip von zwei Mitarbeitern geprüft worden. Nur derjenige, „der den Knopf drücken sollte“, wie Kiefer es formuliert, habe gerade dies am Nachmittag dann eben nicht gemacht.

„Aber wenn ich als Angestellter der Stadt einen 28,5-Millionen-Antrag nach Ablauf der Frist stelle, dann muss ich doch den höchsten Vorgesetzten, also Sie, informieren“, moniert Peter Grab (WSA). Er könne nicht in die Köpfe der Mitarbeiter schauen, erwidert Kiefer. Hinzu komme der positive Bescheid der Regierung von Schwaben nur wenige Tage später.

Nach weiterer Kritik fordern Bernd Kränzle (CSU) und Wilhelm Leichtle (SPD) die Stadträte zur Zurückhaltung auf. Oberbürgermeister Kurt Gribl befinde sich in schwierigen Verhandlungen auf Landesebene, um abzuwenden, dass die Millionenbeträge zurückgezahlt werden müssen. „Mancher Vorredner sollte sich schon fragen, wie hilfreich da sein Beitrag gewesen ist“, kritisiert Leichtle.

OB Gribl selbst will indes „keine Angaben zu Erfolgsaussichten“ machen. Es handle sich um eine materielle Ausschlussfrist. Werde diese versäumt, bestünden keinerlei Ansprüche mehr. Das bedeute, dass der Bescheid vom Juli 2017 von der Regierung von Schwaben zurückgenommen werden könne. Die Frage sei, ob eine Wiedereinsetzungsfrist möglich ist. Zudem gebe es derzeit zwei weitere Lösungsansätze. Dazu sei er in engen Gesprächen mit der Regierung von Schwaben. Bis Juli müsse eine Lösung vorliegen.


Von Janina Funk

Redakteurin Augsburg-Redaktion

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