Der Jahresrückblick 2023 der Aichacher Zeitung
Veröffentlicht am 04.10.2022 15:14

Keine Kostenerstattung für Besuch des Gymnasiums in Augsburg

Eine Zwölfjährige aus dem nördlichen Wittelsbacher Land hat gestern am Verwaltungsgericht Augsburg gegen den Landkreis Aichach-Friedberg geklagt. Der Schülerin und ihren Eltern ging es um die Erstattung der Busfahrkosten zum Peutinger Gymnasium in Augsburg. Das Gymnasium ist von ihrem jetzigen Wohnort in etwa gleich weit entfernt wie das Deutschherren-Gymnasium in Aichach. Für Aichach hätte der Landkreis die Kostenerstattung für den Schulweg übernommen, im Falle der Augsburger Schule lehnte die Behörde den Antrag jedoch ab. Laut Rechtsanwalt Ingo Waibel muss das Mädchen das Fahrgeld nun selber übernehmen, rund 90 Euro monatlich. "Bis zu ihrem Abitur kommt da eine ganz schöne Summe zusammen", erklärte der Augsburger Anwalt am Ende der Verhandlung. Ein Urteil wird erst heute bekanntgegeben, die Richter stellten aber schon gestern klar: An der Entscheidung der Verwaltung, den Antrag abzulehnen, hegen sie keine grundlegenden Bedenken.

Zur Orientierung: Grundsätzlich gilt in Bayern eine Kostenfreiheit, wenn die gewählte Schule mit dem geringsten Aufwand an Kosten erreichbar ist. Im Falle der Zwölfjährigen wäre das nächstgelegene Gymnasium das in Aichach, obwohl die Einrichtung ebenso weit beziehungsweise laut Routenplaner sogar weiter von ihrem Wohnort entfernt liegt als das Peutinger Gymnasium in Augsburg. Die Schule in Aichach verfügt jedoch über eine besser beziehungsweise günstigere Anbindung mit den öffentlichen Verkehrsmitteln, konkret geht es um die AVV-Tarifzonen. Für die Klägerin und ihren Rechtsanwalt eine unbefriedigende Erklärung.

Seine Mandantin gehe es vor allem darum, drei Fremdsprachen erlernen, deshalb habe sie sich das Gymnasium in Augsburg An der Blauen Kappe 10 ausgesucht. Am Peutinger-Gymnasium, führte Anwalt Ingo Waibel weiter aus, gebe es die Möglichkeit, Spanisch als dritte Fremdsprache – neben Englisch und Französisch – zu wählen und mindestens bis einschließlich der 10. Klasse beziehungsweise bis zum Abitur zu erlernen. Dies sei in Aichach nicht möglich, argumenteierte Waibel. Zudem biete "das Peutinger" eine Chorklasse und eine Ganztagsbetreuung.

Auf die konkrete Reihenfolge der Sprachen, die an einem Gymnasium gelehrt werden, komme es nicht an, erwiderte der Vorsitzende Richter Sven Pommer. Entscheidend sei lediglich, dass ein sprachlicher Zweig angeboten werde. Zusätzlich zum Deutschherren-Gymnasium schlug das Landratsamt den Eltern des Mädchens übrigens vor, das Staatliche Gymnasium in Friedberg zu besuchen, auch dort, ebenso wie für Aichach, hätte der Freistaat die Kosten übernommen.

Nachdem alle Argumente der Klägerseite entsprechend der Rechtsprechung entkräftet waren, die Chorklasse ließ der Augsburger Richter Sven Pommer nicht gelten, weil sie nur in der 5. und 6. Klasse besucht werde, hob Rechtsanwalt Ingo Waibel zu einer grundsätzlichen Kritik am politischen Willen hinter dem Gesetz zur Kostenfreiheit des Schulweges an. "Im Grunde geht es bei dem Gesetz nur darum, die Schülerströme zu lenken", empörte sich Waibel. Der Schüler im Einzelnen stehe nicht im Mittelpunkt.

Beisitzender Richter Dr. Richard Wiedemann räumte dies freimütig ein. Es sei kein Geheimnis, dass der Freistaat durch das Gesetz die Schülerzahlen beeinflussen wolle. Andererseits handle es sich auch um eine freiwillige Leistung, die Bayern hier erbringe. "Ähnliche Angebote gibt es nicht in allen Bundesländern", konkretisierte Wiedemann. Die Kostenfreiheit des Schulweges sei nämlich kein Verfassungsrecht. Ausschlaggebend dafür, ob der Freistaat für die Fahrtkosten aufkommt, seien nicht die Entfernung in Kilometern oder eine bestimmte Dauer, wie lange ein Schüler unterwegs ist. "Wichtiger ist, ob der Schulweg preislich günstig ist."

Anwalt Ingo Waibel erwiderte, ihn störe die politische Geisteshaltung dahinter. Nicht die Verwaltung richte sich nach den Bedürfnissen der Schüler, sondern umgekehrt, der Schüler müsse sich nach den Bedürfnissen der Verwaltung richten. Richter Dr. Richard Wiedemann erläuterte, in Bayern sei Schülern weiterführender Schulen grundsätzlich freigestellt, welche Schule sie besuchen wollen. Bei Grund- und Mittelschulen hingegen gelte der Schulsprengel, sprich sie werden einer Schule in der Nähe ihres gewöhnlichen Aufenthaltsortes zugewiesen. Für weiterführende Schulen entfalle diese Plicht.

Wenn sich Eltern aber eine andere als die nächstgelegene Schule für ihr Kind wünschten, verwirkten sie damit eben den Anspruch auf Kostenerstattung, so Wiedemann. "Der Gedanke dahinter ist, dass Schulen Geld kosten." Würde man die Beförderung an jede x-beliebige Schule freistellen, würden Eltern bestimmte Schulen aufgrund ihres schlechten Rufs womöglich meiden. "Die Investition in das Schulgebäude wäre dann hinfällig", meinte der beisitzende Richter, worauf der Anwalt entgegnete: "Wenn eine Schule einen schlechten Ruf hat, dann hat sie ihn sich vielleicht auch verdient." Seiner Ansicht nach solle der Freistaat hier nicht eingreifen und schlecht beleumdete Schulen protegieren. "Ich verstehe, dass sie politisch damit nicht einverstanden sind, aber wir halten uns nur an die Rechtslage", beendete der vorsitzende Richter Sven Pommer nach etwa einer halben Stunde die Verhandlung. Das Urteil, das aller Wahrscheinlichkeit der Beurteilung der Verwaltung folgt, wird heute bekanntgegeben.

Im vergangenen Jahren besuchten übrigens rund 2050 Schülerinnen und Schüler eines der drei Gymnasien im Landkreis Aichach-Friedberg. Hinzu kamen annähernd 2800 junge Menschen, die auf eine der vier Realschulen gingen, und noch einmal 1000, die sich für eine Weiterbildung auf einer Fachschule entschieden haben. Weil das Wittelsbacher Land eher ländlich geprägt ist, heißt das konkret: Außerhalb der Ferien sind täglich Tausende Schüler mit dem Bus unterwegs.

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