Weiße Stoffbahnen an der Decke, feierlich gedimmtes Licht - es steht allerdings keine der Hochzeiten bevor, die der Saal der Rosenaugaststätte sonst beherbergt. Ganz im Gegenteil haben die anstehenden Ereignisse eher das Potenzial für eine Scheidung. Der CSU-Kreisverband Augsburg West hat für Montagabend zur Kreisvertreterversammlung eingeladen - die Tagesordnung kündigt die Neuwahl des Vorstands an.
Die Versammlung ist gewissermaßen der parteipolitische Höhepunkt der Augsburger CSU im Westen der Stadt. Vorangegangen waren in den Wochen davor die Wahlen in den einzelnen Ortsverbänden. Die Weichen für den Ausgang der Wahl am Montag sind also längst gestellt. Die Bestätigung des Amtsinhabers Leo Dietz gilt als ausgemachte Sache. Und trotzdem. Kurz vor Beginn der Versammlung schwirrt Nervosität durch den Saal, in dem sich zu den 74 Delegierten auch reichlich Besucher eingefunden haben. Kommt es zum großen Krach?

Wahl im Kreisverband: Iris Steiner fordert Leo Dietz heraus
Gekracht hatte es zuletzt ja häufiger in den Ortsverbänden, kaum dass das Aufgebot bekannt war: Iris Steiner, eine Augsburger CSUlerin aus der zweiten Reihe, hatte Stadtrat Leo Dietz den Fehdehandschuh hingeworfen - Kampfkandidatur um das Amt des Kreisvorsitzenden. Dietz nahm die Herausforderung an und er nahm sie sehr ernst. Mit Kommentaren hielt er sich zurück, man müsse die Wahlen in den Ortsverbänden abwarten. Steiner war weniger zurückhaltend, sprach von Unzufriedenheit im Kreisverband mit Dietz, von der Bitte anderer an sie, für den Vorsitz zu kandidieren. In ihrer Wahlvorstellung freilich betont sie später, dass sie „selbstbestimmt” zur Kandidatur angetreten sei. Ob gedrängt oder aus freien Stücken, Iris Steiner musste Dietz schon bei den Ortsvorstandswahlen ausstechen, um eine Chance zu haben.

Entscheidend dabei war der Ortsverband Bergheim, mittlerweile der größte Ortsverband der Augsburger CSU - Dietz' politische Heimat und gleichzeitig Heimat einiger seiner größten politischen Widersacher. Doch Dietz, der selbst in Bergheim für den Ortsvorsitz kandidierte, setzte sich durch - und seine Wunschdelegierten für die Wahl am Montag.

Die Versammlung ist mittlerweile eröffnet. Johannes Hintersberger, Chef der Augsburger CSU und durchaus leidgeprüft, was die Streitereien unter seinen Parteifreunden anbelangt, stimmt in seinem Grußwort versöhnliche Töne an. Dass es zwei Bewerber gebe, sei einfach nur demokratisch. Und so erwarte er, dass die Ergebnisse der Wahl akzeptiert werden. Schließlich habe die Augsburger CSU mit dem Wahlkampf zur Bundestagswahl eine gemeinsame Aufgabe, der man sich geschlossen stellen müsse.

Schlagabtausch vor und nach der Wahl
Dietz ist in seinem Rechenschaftsbericht offen: „Es gab durchaus Ablehnung. Das gehört dazu, das muss man aushalten.” Den Zuwachs um mehr als 60 Mitglieder in den vergangenen zwei Jahren bezeichnet Dietz als Erfolg. Die Chance auf eine Aussprache lassen die Zuhörer ungenutzt verstreichen - haben sich Dietz' Gegner schon mit ihrer Niederlage abgefunden? Aber nun tritt Iris Steiner an die Mikrofone. Im hellen Sommerkleid zählt die Kulturmanagerin, Jahrgang 1971, ihre Stationen als wissenschaftliche Mitarbeiterin auf, rügt die Praxis von „Absprachen und Versprechungen”, die nur zu Politikverdrossenheit führten. „Kommunalpolitik interessiert mich”, betont Steiner.

Dietz verweist in seiner Vorstellung einmal mehr auf die Erfolge der vergangenen zwei Jahre - woraufhin sich das Lager Steiners doch noch zu Wort meldet. „Was sind das für Erfolge?”, will ein erboster Gerhard Schmid wissen. Dietz, nicht minder erbost, ätzt zurück, warum Schmid nicht nach dem Rechenschaftsbericht gefragt habe, warum Schmid selber Veranstaltungen immer am Kreisverbandsvorstand vorbei veranstalte - mit diesem Schlagabtausch geht es in die Wahl: 57 Stimmen für Dietz, nur 17 für Steiner. Deutlicher geht es kaum.

„Sie hat gewusst, dass sie verliert und ist trotzdem angetreten. Das verdient Respekt”, lobt Stadtrat und Ehrenvorsitzender im Kreisverband West, Rolf von Hohenhau, Iris Steiner, hinter deren Kandidatur vermutlich auch er steckt. Einen Blumenstrauß hat von Hohenhau für Steiner dabei - mit diesem Trostpreis muss sie sich begnügen. Denn auch in der Wahl zu den Stellvertretern zieht sie den Kürzeren - trotz eines flammenden Appells durch Thorsten Große, ebenfalls ein Unterstützer ihrer Kandidatur und in der Wahl vor zwei Jahren der knapp gegen Leo Dietz unterlegene Mitbewerber. Seine Ansprache wiederholt Große bei jedem neuen Wahlgang. Man möge nicht den Vorschlägen des wiedergewählten Vorsitzenden folgen, sondern den Vorschlägen der Ortsverbände - gemeint sind die, die gegen Dietz gestimmt hatten. „Der natürliche Feind der CSU ist die CSU.” So hat es der wiedergewählte Vorsitzende nur einige Minuten zuvor auf den Punkt gebracht.

Gegen den Protest einzelner CSUler und trotz der Warnungen Rolf von Hohenhaus setzt Dietz am Ende seine eigenen Vorstellungen durch. Dietz hat seine Gegner aus dem Kreisvorstand und dem Kreis der Delegierten für den Bezirksparteitag ausgeschlossen. Den Widerstand hat er nicht gebrochen.