Der Jahresrückblick 2023 der Aichacher Zeitung
Veröffentlicht am 19.10.2017 12:00

Speedway: Tim Wunderers verlorenes Jahr

Für den einen war die Saison   in der entscheidenden Phase beendet, der andere konnte 2017 überhaupt nicht Gas geben: Griesbeckerzeller Speedway-Brüder Tobias (links) und Tim Wunderer.	Foto: LJ (Foto: LJ)
Für den einen war die Saison in der entscheidenden Phase beendet, der andere konnte 2017 überhaupt nicht Gas geben: Griesbeckerzeller Speedway-Brüder Tobias (links) und Tim Wunderer. Foto: LJ (Foto: LJ)
Für den einen war die Saison in der entscheidenden Phase beendet, der andere konnte 2017 überhaupt nicht Gas geben: Griesbeckerzeller Speedway-Brüder Tobias (links) und Tim Wunderer. Foto: LJ (Foto: LJ)
Für den einen war die Saison in der entscheidenden Phase beendet, der andere konnte 2017 überhaupt nicht Gas geben: Griesbeckerzeller Speedway-Brüder Tobias (links) und Tim Wunderer. Foto: LJ (Foto: LJ)
Für den einen war die Saison in der entscheidenden Phase beendet, der andere konnte 2017 überhaupt nicht Gas geben: Griesbeckerzeller Speedway-Brüder Tobias (links) und Tim Wunderer. Foto: LJ (Foto: LJ)

Normalerweise wären auch Wunderers Söhne Tim, 16, und Tobias, 11, am Start gewesen. Aber die beiden haben den Sonntag stattdessen mit Mutter Anita zu Hause verbracht. Tobias, der heuer endgültig von der 50er- in die 125er-Klasse gewechselt war, stürzte im September beim Bayern-Cup in Landshut so schwer, dass er sich nicht mehr für das nationale Championat in Mecklenburg-Vorpommern qualifizieren konnte. Tim jagte 2017 auf seiner 250-ccm-Maschine nach einem schweren Verkehrsunfall im März überhaupt nicht über die europäischen Sandovale. Es war ein verlorenes Jahr für den Jugend-Weltmeister von 2016.

Dabei hatte 2017 für Tim Wunderer, der seit Beginn seiner Karriere vor acht Jahren für den MSC Olching fährt, so wunderbar begonnen. Am 13. Januar ehrte ihn der Deutsche Motorsport Verband auf der Gala in Wiesbaden, bei der die besten Rennfahrer des Landes zusammenkommen, für seine Leistungen. In seinem letzten Rennen in der Achtelliterklasse hatte Tim Wunderer im polnischen Speedway-Mekka Tosun die Youth Gold Trophy gewonnen, die inoffizielle Jugend-Weltmeisterschaft, danach stieg er in die 250-ccm-Kategorie auf.

Ende Februar fuhr Tim Wunderer ins Trainingslager nahe Verona, danach bereitete er sich in Kroatien auf die ersten Rennen vor. Er wollte gerüstet sein für die neue Saison. Denn nach dem Wechsel zu den schwereren Maschinen (40 statt 22 PS, über 120 km/h Spitze statt knapp hundert) hatte er zur Kenntnis nehmen müssen, dass es in der 250er ganz anders zur Sache geht als in der 125er. „Nachdem ich anfangs gar nicht zurechtgekommen bin, wollte ich mich heuer in der 250er etablieren”, sagt Tim Wunderer, der als eines der größten Speedway-Talente der Republik gilt.

Die Mutter erzählt, sie habe sich die Probefahrten um die Faschingszeit geschenkt, dafür lieber das Haus in Griesbeckerzell nach dem Winter wieder auf Vordermann gebracht. Ihren Älteren würde sie heuer noch oft genug auf den in der Regel 400 Meter langen Sandbahnen erleben, dachte Anita Wunderer.

Ein Trugschluss. Denn am Freitag, 17. März, verunglückte Tim Wunderer schwer. Auf dem Weg zum Unterricht im Aichacher Deutschherren-Gymnasium, wo er mittlerweile in die 11. Klasse geht, rammte ihn in Ecknach ein die Vorfahrt missachtender Autofahrer von seiner Yamaha. Die Enduro war das Geschenk der Eltern zum 16. Geburtstag am 3. Januar. Da die Schwere der Verletzungen zunächst nicht absehbar war, brachte ein Hubschrauber den Buben ins Augsburger Klinikum. Der geschockte Vater eilte mit dem Auto hinterher. Als ihm eine Schwester in der Aufnahme ganz aufgeregt sagte, „also ihr Sohn, der fährt am Wochenende bestimmt kein Rennen”, da war Stephan Wunderer erleichtert, wusste er doch damit, dass es seinem Filius den Umständen entsprechend einigermaßen gut ging. Tim Wunderer hatte seine Blessuren im Hospital zunächst als nicht so gravierend eingeschätzt und geglaubt, er könne gleich wieder nach Hause gehen und sich auf seine Maschine setzen.

Die Kernspintomografie förderte dann aber eine dreifache Fraktur im linken Handgelenk (Kahnbein, Mondbein und Speiche) zutage. Die Chirurgen setzten zur Fixierung eine Titanschraube ein, die für immer dort bleiben wird. Eine winzige Narbe erinnert Tim Wunderer heute noch an den Eingriff. Außerdem ist seit dem Crash, bei dem er in weitem Bogen über das Auto flog, das linke Knie taub. Die Nerven seien „beleidigt”, haben ihm die Ärzte gesagt, das könne in ein paar Jahren vorbei sein. Dass auch zwei Rückenwirbel verschoben waren, haben die Mediziner erst später diagnostiziert, da der junge Patient über stetige Schmerzen klagte. Inzwischen sind die Wirbel wieder eingerenkt, Wasserbestrahlung und Gymnastik sollen einer Verkrümmung vorbeugen.

Der Unfall, bei dem Tim Wunderer trotz aller Verletzungen großes Glück im Unglück gehabt hat, ist mittlerweile strafrechtlich abgehandelt, der Verursacher verurteilt. Die Zivilklage läuft noch.

Das Handgelenk packten die Ärzte in Gips. Tim Wunderer hoffte, den nach acht Wochen wieder los zu sein, um noch in die Wettbewerbe auf nationaler und internationaler Ebene eingreifen zu können. Aber aus acht wurden zwölf Wochen Gips. Und auch lange danach war trotz optimaler physiotherapeutischer Versorgung an ein Comeback nicht zu denken. Tim Wunderer war frustriert. „Ich konnte mit der lädierten Hand die Kupplung nicht mehr richtig ziehen, dazu waren die Schläge durch die Unebenheiten auf der Bahn nicht auszuhalten, dann macht es keinen Sinn”, erklärt er.

Inzwischen hat Tim Wunderer im Handgelenk überhaupt keine Beschwerden mehr, er fiebert der neuen Saison entgegen. Es soll seine letzte werden in der Jugendklasse. 2019, in seinem Abiturjahr, will er in die U 21 oder gleich zu den Erwachsenen wechseln. Der Olchinger Speedway-Profi Martin Smolinski, der sein großes Vorbild ist, hat den Youngster in sein Speed-Performance-Team aufgenommen, in dem begabte Fahrer gefördert werden.

Tobias Wunderer ist im September in Landshut bei einem Bayern-Cup-Rennen gestürzt und hat sich am ganzen Körper Prellungen zugezogen. Die Schmerzen waren so groß, dass der Elfjährige zwei Tage danach beim Wertungslauf zur „Deutschen” in Olching nicht starten konnte. Vorbei war die Chance, sich für Güstrow zu qualifizieren. 2017 war Tobias Wunderers Debütjahr in der 125er. Für den Aufstieg hatte er sich mit Platz drei bei der „Deutschen” in der 50-ccm-Klasse empfohlen.

Wie Tim Wunderer in der Viertel-, so muss sich auch Tobias in der Achtelliterklasse seine Sporen erst verdienen. Nach einem „ruhigen Jahr” (Mutter Anita) werden die Wunderers 2018 von März bis Oktober wieder viel unterwegs sein mit ihrem umgebauten Transporter. „Unten passen vier Motorräder rein, oben schlafen wir”, sagt der Vater, der auch Sportlicher Leiter und Jugendleiter beim MSC Olching ist.

Stephan Wunderer, der in Dasing eine Putz-Firma hat, lässt sich die Leidenschaft seiner beiden Söhne einiges kosten. Mehrere Maschinen mit Ersatzmotoren müssen für die Rennen bereitgehalten werden. Dabei sparen sich die Wunderers noch viel Geld, weil sie ihre eigenen Mechaniker sind, unterstützt vom Adelzhausener Albert Blum. Eines steht für den Wunderer-Vater fest: Wenn er 2018 wieder zur deutschen Speedway-Meisterschaft aufbricht, dann will er seine Söhne um die Bahn pflügen sehen. Seit dem Unfall ist das linke Knie des 16-Jährigen taub An ein Comeback war in diesem Jahr nicht zu denken


Von Heribert Oberhauser
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