Der Jahresrückblick 2023 der Aichacher Zeitung
Veröffentlicht am 25.02.2017 12:00

Es fehlt der Respekt: Angriffe auf Polizisten und Sanitäter

„Die Angriffe im klassischen Sinne, bei denen Kollegen körperlich angegangen werden, gab es auch schon früher”, weiß Thomas Winter. Er selbst könne sich an Einsätze erinnern, bei denen Rettungskräfte mit einer abgebrochenen Bierflasche bedroht wurden. „Das wurde dann aber nicht an die große Glocke gehängt”, erklärt der BRK-Rettungsdienstleiter.

Heutzutage werde Gewalt anders definiert, bereits verbale Attacken würden als Angriff gewertet. Dadurch entstehe manchmal der Eindruck, Einsatzkräfte würden ständig tätlich angegriffen, was nicht der Realität entspricht. Verbal, so Thomas Winter, gehe es aber durchaus zur Sache.

Der Rotkreuz-Chef bedauert vor allem, dass die Respektlosigkeit gegenüber Sanitätern und Feuerwehrkräften zugenommen habe. Dazu fällt Winter spontan eine lange Liste von Vorfällen ein. „Ein Kollege hielt zum Beispiel mit dem Rettungswagen, um einen Patienten auszuladen. Einem älteren Mann erklärte er, dass es nur einen kleinen Moment dauert. Der Mann wollte aber nicht warten, parkte aus und fuhr den Kollegen mit seinem Auto an”, berichtet Winter.

Früher hätten die Leute mehr Verständnis dafür aufgebracht, dass Feuerwehr, Polizei oder medizinische Rettungsdienste einen (lebens-)wichtigen Job leisten. Heute, so Winter, müsse man sich dafür rechtfertigen, weil man angeblich falsch parke, etwa direkt vor einer Arztpraxis. „Da muss man sich dann anhören, dass man zu faul ist zum Laufen”, sagt der Rotkreuz-Chef.

Besonders ärgert ihn, wenn er nach einem Einsatz E-Mails bekommt, in denen sich Leute beschweren, weil der Einsatzwagen fünf Minuten vor einer Metzgerei stand und sich irgendjemand seine Leberkässemmel nicht schnell genug holen konnte. Ohne die Unterstützung der Polizei, weiß Winter, könnten sich Sanitäter und mittlerweile auch Feuerwehrleute keinen Respekt mehr verschaffen. „Es gibt einen Film vom Tornadoeinsatz im Landkreis, der das schön zeigt. Da versucht ein Feuerwehrler eine Straße zu sperren. Irgendwann gibt er auf, weil die Maßnahme keiner ernst nimmt und er nicht umgefahren werden will.”

Die Zahl tätlicher Angriffe hingegen halten sich in Grenzen, sagt der BRK-Rettungsdienstleiter. Lediglich zwei Meldungen dieser Art gab es im vergangenen Jahr im Landkreis. In einem Fall wurde ein Sanitäter gekratzt - klingt harmlos, der Patient hatte jedoch HIV.

Im Einsatzgebiet der Aichacher Polizei gab es 2016 insgesamt 13 Fälle von Gewalt gegen Polizisten: fünf Widerstände gegen Vollstreckungsbeamte, fünf Beleidigungen und drei Körperverletzungen. Der Wert sei laut Erich Weberstetter in den vergangenen Jahren nicht wesentlich gestiegen. Das Problem liege ganz woanders, nämlich bei den Umstehenden, die sich immer häufiger bei der Durchsetzung einer Maßnahme einmischten. Gemeint ist damit: Sind Beamte vor Ort im Einsatz, um beispielsweise einen betrunkenen Raufbold aus dem Verkehr zu ziehen, müssen sie damit rechnen, von völlig Unbeteiligten angegangen zu werden.

Das Schwierige bei solchen „Angriffen von der Seite” sei, so Weberstetter, dass sie meist völlig unerwartet passierten, schwer zu verhindern und zudem schwierig zu verfolgen seien. „Bei einem großen Fest in Kühbach zum Beispiel wurden Beamte völlig unvermittelt mit Bier übergossen, als sie versuchten, jemanden aus dem Zelt zu befördern”, sagt der Inspektionschef.

Polizeibeamte dürfen sich von solchen Übergriffen nicht provozieren lassen. Bei Einsatztrainings lernen sie, bei Beleidigungen und dergleichen ruhig zu bleiben. „Die meisten Kollegen haben ein dickes Fell. Aber natürlich sind sie auch nur Menschen”, sagt der Polizei-Chef und meint damit wohl: Nicht jede Beschimpfung prallt spurlos an einem Beamten ab, auch wenn sie sich vielleicht „nur” gegen die Person in Uniform richtet.


Von Thomas Winter
north