Svetoslav Dyakov blickt konzentriert auf den Bildschirm, hantiert mit an Joysticks erinnernden Hebelchen an einer Konsole. Doch Dyakov kämpft nicht gegen Drachen in einem Videospiel. Der Leiter der Robotischen Urologie am Uniklinikum Augsburg ist dabei, die Gesundheit eines Patienten zu retten durch eine urologische Operation - ferngesteuert. Der Patient liegt wenige Meter von Dyakovs Konsole entfernt auf dem Behandlungstisch, umringt von den Roboterarmen des „Da Vinci”-Systems, auf das die Bewegungen Dyakovs von der Konsole übertragen werden. Ohne Zittern, ohne Wackeln und mit einer deutlichen höheren Beweglichkeit, als ein menschliches Handgelenk es erlauben würde, finden Skalpell und Co. an die richtigen Stellen.
Seit Juni 2022 verfügt das Uniklinikum Augsburg über den Roboter-Assistenten im Operationssaal. Professorin Dorothea Weckermann, Direktorin der Klinik für Urologie schätzt den Einsatz des „Da Vinci”-Systems sehr. Der Roboter kommt bei Prostatakrebs und Nierenbeckenplastiken zum Einsatz und „seit Neuem bei Entfernungen der Harnblase bei Blasenkrebs mit innerer Harnableitung”. Der Patient müsse dann keinen Urinsammelbeutel außerhalb des Körpers tragen, erklärt Weckermann.
Ihr Kollege, Professor Matthias Anthuber ist überzeugt, dass Da Vinci die chirurgische Zukunft gehört: „Roboterassistierte Chirurgie wird die Chirurgie insgesamt revolutionieren.” In seinem Bereich gebe es keinen einzigen Eingriff bei schweren Tumorerkrankungen, den ein entsprechend ausgebildeter Konsolenchirurg nicht mit dem „Da Vinci”-System durchführen könne. Anthuber ist Direktor der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationsmedizin. Zudem kommt „Da Vinci” in der Augsburger Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe unter der Leitung von Klinikdirektor Professor Christian Dannecker zum Einsatz. Alle drei sind sich einig, dass der Roboterassistent viele Vorteile hätte, mit „Da Vinci” sei etwa das „Operieren in engen Räumen möglich”. Der Roboter gestatte viele Freiheitsgrade und eine „extrem gute 3D-Bildqualität”. Für die Patienten sei die Operation per Roboter schonender mit der Folge einer rascheren Erholung und einem früheren Abschied aus dem Krankenhaus.
Anthuber sieht große Chancen für den chirurgischen Nachwuchs: Neuere Systeme, die sogenannten Master-Slave-Systeme, hätten zwei Konsolen, über die der Chirurg dem Assistenten mittels grafischer Elemente zeigen könne, wo und wie tief dieser schneiden müsse. „Da ergeben sich phänomenale Ausbildungsmöglichkeiten für eine Generation, die ohnehin mit der Playstation aufgewachsen ist”, schwärmt Anthuber.
Längst nicht alle Mediziner teilen den Enthusiasmus. Jason Wright von der Columbia University in New York hat mit seinem Team 260 000 Gebärmutterentfernungen ausgewertet. Die Studie aus dem Jahr 2013 kommt zu dem Ergebnis, dass sich bei diesen Eingriffen herkömmliche Methoden und Roboterchirurgie nur in den Kosten unterscheiden würden. Kürzere Erholungszeiten oder weniger Komplikationen wären damit nicht verbunden. Ihre Erkenntnisse haben die Forscher im Fachmagazin „Jama” veröffentlicht. Das Klinikum Osnabrück weist in einer Veröffentlichung auf die hohen Anschaffungskosten hin: Rund zwei Millionen Euro kostet das System des US-amerikanischen Herstellers „Intuitive Surgical Operations”. Pro Behandlung fallen 1000 bis 2000 Euro an, „die durch das Krankenhausfinanzierungssystem nicht zusätzlich vergütet werden”, so der Bericht des Klinikums Osnabrück.
Wer sich ein eigenes Urteil bilden möchte, hat dazu Gelegenheit am Donnerstag und Freitag, 18. und 19. April, in der Eingangshalle des Uniklinikums Augsburg. Ärzte demonstrieren roboterassistierte Eingriffe. Zudem tritt FCA-Profi Raphael Framberger am Donnerstag gegen Da Vinci in einer Art „Elfmeterschießen” an. Der Wettstreit beginnt nach einer Pressekonferenz, die um 11 Uhr starten soll.