Der Jahresrückblick 2023 der Aichacher Zeitung
Veröffentlicht am 15.01.2024 17:36

Wirbel um Brechtfestival: Julian Warner distanziert sich von Boykott-Kampagne

Julian Warner, Leiter des Brechtfestivals,  (Foto: Maximilian Tauch)
Julian Warner, Leiter des Brechtfestivals, (Foto: Maximilian Tauch)
Julian Warner, Leiter des Brechtfestivals, (Foto: Maximilian Tauch)
Julian Warner, Leiter des Brechtfestivals, (Foto: Maximilian Tauch)
Julian Warner, Leiter des Brechtfestivals, (Foto: Maximilian Tauch)

Brechtfestivalleiter Julian Warner sieht sich seit dem Wochenende mit einem Vorwurf konfrontiert: Ein Augsburger Internetblog bringt ihn in einem als Meinungsbeitrag gekennzeichneten Text in Zusammenhang mit einer Boykott-Kampagne gegen Israel. Während die SPD-Fraktion im Augsburger Stadtrat Aufklärung fordert, stellen sich Kulturreferat, Kulturamt und Brechtfestival-Leitung der Stadt Augsburg vor Julian Warner und „weisen den Antisemitismus-Vorwurf als haltlos und auf das Schärfste zurück”.

Der Vorwurf gegen Julian Warner: Er gehörte 2020 zu den Erstunterzeichner eines Offenen Briefs, der im Kern den Beschluss des Bundestags kritisiert, die Kampagne „Boycott, Divestment, Sanctions“, die unter anderem zum Boykott israelischer Waren aufruft, als antisemitisch einzustufen. Unterzeichnet haben mehr als 1500 Personen, vor allem auch aus dem Bereich der Kulturschaffenden.

Den Umstand, dass Warner diesen Brief unterschrieben hat, erwähnt der Internetblog „Die Augsburger Zeitung” DAZ in einer Kritik zum von Warner kuratierten Programm des Brechtfestivals eigentlich nur am Rande. Nun müsse man nicht zwangsläufig, wenn man den BDS-Beschluss des Bundestags kritisiert, ein BDS-Unterstützer sein, heißt es in dem Text. „Doch nachfragen sollte man in diesem Fall als Veranstalter bei Julian Warner schon”, verlangt der Autor – und dieser Aufforderung kommt die SPD-Fraktion mit einer Pressemitteilung nach.

„Antisemitismus hat in Augsburg keinen Platz, dazu gehört auch der Aufruf zum Boykott von Jüdinnen und Juden. Dass der Leiter des Brechtfestivals einen offenen Brief unterzeichnet, in dem die Verurteilung der BDS-Kampagne durch den Bundestag kritisiert wird, wirft Fragen auf”, so SPD-Fraktionschef Florian Freund in der Pressemitteilung. Die SPD erwarte, dass die Stadt für Aufklärung sorge. Zudem solle sich Warner von der BDS-Kampagne distanzieren. Antisemitismus sei ein „Problem der gesamten Gesellschaft”, ergänzt Jutta Fiener, stellvertretende Fraktionsvorsitzende. Ein koordinierter und strukturierter Umgang mit Antisemitismus in Augsburg sei wichtig, wiederholt Fiener die Forderung nach einem Aktionsplan gegen Antisemitismus, den ihre Fraktion bereits im Herbst habe aufstellen wollen.

„Wir sind entsetzt über diese Form der Hetze und Meinungsmache”

In einer ersten Stellungnahme verurteilen Kulturreferat, Kulturamt und Brechtfestival-Leitung der Stadt Augsburg die Antisemitismus-Vorwürfe als haltlos. „Wir sind entsetzt über diese Form der Hetze und Meinungsmache, die wir für unseriös, unverantwortlich und brandgefährlich halten”, heißt es darin.

Doch der Verdacht, er könne antisemitisch sein, trifft Julian Warner offenbar sehr. In einer persönlichen Erklärung am Montag teilt er mit: „Hiermit distanziere ich mich von meiner Unterschrift unter dem Offenen Brief ,Nothing Can Be Changed Until It Is Faced' aus dem Jahr 2020.” Er habe damals den Israel-Boykott abgelehnt und das sei auch heute noch so. Warner sei „zu keiner Zeit ein Unterstützer des BDS gewesen”. Ihm sei es damals um den „interkulturellen Dialog und Räume, in denen wir als postmigrantische Gesellschaft an einer gemeinsamen ineinander verwobenen Erinnerungskultur arbeiten können” gegangen. Diesen Dialog und diese Räume habe er durch den Beschluss des Bundestages bedroht gesehen, rechtfertigt sich Warner. Im Rückblick müsse er eingestehen, „dass der Offene Brief wie auch die Initiative Weltoffenheit, die er unterstützte, eher zu einer Normalisierung von israelbezogenem Antisemitismus beigetragen haben. Dies bedauere ich sehr”.

Ob damit die Angelegenheit aus der Welt geschafft ist, muss sich erst noch zeigen. Denn mit dem Kulturwissenschaftler Diedrich Diederichsen steht ein weiterer Unterzeichner des Offenen Briefs im Programm des diesjährigen Brechtfestivals.


Markus Höck
Markus Höck

Redakteur Augsburg-Redaktion

north