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Aichacher Zeitung LogoOrgel mit Geschichte: Instrument der Hessing-Kirche war auf der Weltausstellung 1889 in Paris | Aichacher Zeitung

Der Jahresrückblick 2023 der Aichacher Zeitung
Veröffentlicht am 26.05.2023 09:37

Orgel mit Geschichte: Instrument der Hessing-Kirche war auf der Weltausstellung 1889 in Paris

Von der Seine an die Singold: Die Steinmeyer-Orgel war ursprünglich auf der Weltausstellung in Paris 1889 zu bestaunen. Heute befindet sich das Instrument in der Gögginger Hessingkirche. (Foto: Helga Eberle )
Von der Seine an die Singold: Die Steinmeyer-Orgel war ursprünglich auf der Weltausstellung in Paris 1889 zu bestaunen. Heute befindet sich das Instrument in der Gögginger Hessingkirche. (Foto: Helga Eberle )
Von der Seine an die Singold: Die Steinmeyer-Orgel war ursprünglich auf der Weltausstellung in Paris 1889 zu bestaunen. Heute befindet sich das Instrument in der Gögginger Hessingkirche. (Foto: Helga Eberle )
Von der Seine an die Singold: Die Steinmeyer-Orgel war ursprünglich auf der Weltausstellung in Paris 1889 zu bestaunen. Heute befindet sich das Instrument in der Gögginger Hessingkirche. (Foto: Helga Eberle )
Von der Seine an die Singold: Die Steinmeyer-Orgel war ursprünglich auf der Weltausstellung in Paris 1889 zu bestaunen. Heute befindet sich das Instrument in der Gögginger Hessingkirche. (Foto: Helga Eberle )

Bienenfleißig war er, der gelernte Schreiner und Orgelbauer Friedrich Hessing, pardon: der Königliche Hofrat Friedrich Ritter von Hessing, der von 1838 bis 1918 lebte. Berühmt wurde er in ganz Europa als Wegbereiter der technischen Orthopädie. Selbst die Kaiser-Gemahlin Auguste Viktoria wurde von ihm, den das Schicksal gerade mal 1,47 Meter groß hat werden lassen, erfolgreich behandelt. Im Übrigen sah der Begründer der im Augsburger Stadtteil Göggingen seit 1869 bestehenden Orthopädischen Heilanstalt nie eine höhere Schule oder gar eine Universität von innen. Sein exzellentes handwerkliches Geschick verband sich bei ihm mit einem ebenso herausragenden Gespür für die Musik. So schuf er das heute noch in der Anstaltskirche – dies ist der Traditionsname des kleinen Gotteshauses – gute Dienste verrichtende Harmonium gleich selbst.

Das gehört sich auch so für einen richtigen Musik-Instrumentenbauer. Und eine besondere Geschichte hat die Orgel der 1903, also vor 120 Jahren, geweihten Anstaltskirche. Schon deren geographischer Lebenslauf ist kaum zu überbieten: Sie verrichtete vor ihrer Installation in Göggingen künstlerische Arbeit im Rahmen der Weltausstellung 1889 in Paris. Unterm neu errichteten Eifelturm vertrat sie im deutschen Pavillon die damalige Hightech-Handwerkskunst unseres Landes und erhielt dabei viel Lob seitens der internationalen Musikwelt. Wurde sie doch vom renommierten Oettinger Orgelbau-Meisterbetrieb Steinmeyer ersonnen. Doch warum durfte sie ihr in Paris eingehauchtes musikalisches Leben an der Singold fortsetzen?

In den Mechanismus der Orgel ist ein Harmonium integriert

Hofrat Hessing, der aus einem kleinen Flecken bei Rothenburg ob der Tauber stammte, hatte als gelernter Schreiner bei Steinmeyer einige Berufsjahre verbracht und sich dabei zum Orgelbauer fortgebildet. Er erwarb daher für seine Anstaltskirche ein Werk seines vormaligen Brötchengebers. Auch ein wenig fränkisch-schwäbische Knickrigkeit gehörte wohl dazu: Schließlich wird es für eine gebrauchte Orgel einen ordentlichen Preisabschlag gegeben haben. Und natürlich übernahm Hessing dann auch die Disposition seiner Orgel, das heißt, Hessing setzte die komplette Anlage von Registern, Manualen, Spiel- und Registertraktur nach seinen Vorstellungen zusammen. Das für die Weltausstellung und dann an der Singold tätige Instrument sei wegen ihres Klangbildes und auf Grund konstruktiver Besonderheiten eine besondere Rarität, stellte der auf diesem Gebiet sehr bewanderte Gögginger Pfarrer Wolfgang Wunderer fest.

So ist in den Orgelmechanismus das von Hessing selbst ersonnene Harmonium integriert, damit – wenn auch mit reduzierter Klangstärke – das komplizierte Kunstwerk bei kleineren Anlässen auch ohne einen „Orgelbalgtreter“ bedient werden konnte. Und beinahe verwirrend ist das Geflecht von unzähligen Metallröhren zur Versorgung der Pfeifen mit Luft. Etwas Aufwendigeres wird es sonst wohl nicht so leicht geben. Nicht oft anderweitig anzutreffen ist auch die gedämpfte deutschromantisch ausgerichtete Klangfülle. Dies ganz im Gegensatz zu den das 20. Jahrhundert prägenden hellen Barockklängen. Man wird es so zu sehen haben: Hofrat Friedrich von Hessing revolutionierte nicht nur die technische Orthopädie weit über Deutschland hinaus. Er sorgte auch dafür, dass Göggingen mit einer nicht ganz unbedeutenden musikinstrumentalen Pretiose aufwarten kann.


Von Dr. Heinz Münzenrieder
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