Der Jahresrückblick 2023 der Aichacher Zeitung

Messgerät aus Augsburg soll Entwicklung neuer mRNA-Medikamente erleichtern

Liso im Einsatz: Katharina Beck bedient den Liso-Prototyp im Labor der Physiologie an der Medizinischen Fakultät der Universität Augsburg. (Foto: Universität Augsburg)
Liso im Einsatz: Katharina Beck bedient den Liso-Prototyp im Labor der Physiologie an der Medizinischen Fakultät der Universität Augsburg. (Foto: Universität Augsburg)
Liso im Einsatz: Katharina Beck bedient den Liso-Prototyp im Labor der Physiologie an der Medizinischen Fakultät der Universität Augsburg. (Foto: Universität Augsburg)
Liso im Einsatz: Katharina Beck bedient den Liso-Prototyp im Labor der Physiologie an der Medizinischen Fakultät der Universität Augsburg. (Foto: Universität Augsburg)
Liso im Einsatz: Katharina Beck bedient den Liso-Prototyp im Labor der Physiologie an der Medizinischen Fakultät der Universität Augsburg. (Foto: Universität Augsburg)

Impfstoffe, die auf Boten-Nukleinsäuren basieren, wurden während der Corona-Pandemie der breiten Öffentlichkeit nicht nur bekannt, weltweit erhielten Milliarden Menschen eine Covid-Impfung auf dieser Grundlage. Boten-Nukleinsäuren, in der englischen Kurzform mRNA, sollen in Zukunft gegen zahlreiche Krankheiten eingesetzt werden – von Tuberkulose über Malaria bis hin zu verschiedenen Krebsarten. Grundlage für mRNA-Impfstoffe sind Lipide, also Fette. „Die Verwendung von Lipiden revolutioniert gerade die Medizin”, sagt Nicolas Färber. Er ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der Arbeitsgruppe „Biologische Physik” an der Uni Augsburg und forscht an lipidbasierten Medikamenten, wie den mRNA-Impfstoffen. Diese sind äußerst empfindlich. Ein Messgerät, das an der Schnittstelle zwischen dem Institut für Theoretische Medizin und dem Institut für Physik der Universität Augsburg entwickelt wird, kann die Struktur solcher Arzneimittel nun auch im gefrorenen Zustand messen. Davon versprechen sich die Wissenschaftler Erleichterungen bei der Lagerung und der Entwicklung stabilerer Impfstoffe.

„Liso” überwacht die Lipide

Dem Gerät haben die Forscher den Namen „Liso” gegeben. Die Abkürzung steht für „Lipid State Observer”. Liso ist demnach ein Zustands-Überwacher für die Fette. Färber und seine Kolleginnen und Kollegen aus der Physik, Pharmazie und der Medizin haben das kompakte Tischgerät entwickelt, das die Struktur lipidbasierter Arzneimittel prüfen und so ihre Einsatztauglichkeit feststellen kann, selbst wenn diese gefroren sind. In der Medizin werden Fette, beispielsweise bei neuen Krebstherapien, als Transportmittel eingesetzt. Der Wirkstoff wird dabei in ein kleines Kügelchen aus Lipidmolekülen verpackt, einen sogenannten Lipidnanopartikel. Solche Arzneimittel sind äußerst empfindlich und müssen bei Gefrierschrank-Temperaturen gelagert und transportiert werden. Bisher war es kaum möglich, sie zu untersuchen, solange sie gefroren sind. Liso mache dies nun möglich. „Unser großes Ziel ist es, diese neue Messmethode als Standard zur Prüfung von Lipidnanopartikeln mit Eintragung im europäischen Arzneibuch zu etablieren”, sagt Pharmazeutin Katharina Beck. Sie koordiniert die Kooperationen des Liso-Projekts mit Industriepartnern und Forschungsinstituten.

Das Gerät soll extrem tiefe Temperaturen von bis -80 Grad Celsius zur Verfügung stellen, aber ohne spezielle Kühlmittel wie flüssigen Stickstoff auskommen. Ein spezieller Farbstoff signalisiert, ob der jeweilige Lipidnanopartikel gerade eine dicht gepackte Kugel oder ein lockerer Verbund ist. Die Messdaten können mit einer eigens für Liso entwickelten Software direkt analysiert und bewertet werden.

Auf diese Weise könne man „schnell erkennen, ob ein neu entwickelter Impfstoff für den Praxiseinsatz vielversprechend ist oder nicht”, erklärt Färber, der das Liso-Projekt leitet. Die Einsatzbereiche für das neue Messgerät seien vielfältig: In Forschung und Pharma-Unternehmen könne es helfen, nachhaltige und lange haltbare Substanzen für Impfstoffe und für immunbasierte Krebstherapien zu entwickeln. Perspektivisch könnte das Mess-System auch in der In-vitro-Diagnostik genutzt werden, um krankhafte Veränderungen von Zellmembranen festzustellen.

Prof. Christoph Westerhausen, der die Arbeitsgruppe Biologische Physik leitet und zu Beginn des Jahres auf die Professur für Physiologie an der Medizinischen Fakultät Augsburg berufen wurde, betont, er freue sich „ganz besonders, dass durch dieses Projekt die Früchte unserer Grundlagenforschung zu Zellmembranen zur praktischen Anwendung kommen, um die Herausforderungen bei der Entwicklung neuartiger Impfstoffe und Therapeutika zu meistern”.

Gefördert wird das Projekt mit 1,1 Millionen Euro vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz sowie vom Europäischen Sozialfonds. Färber, Beck und Westerhausen planen nun, ein Biotech-Unternehmen aus der Universität heraus zu gründen und das neue Messgerät zusammen mit Kooperationspartnern und Pilotkunden aus Forschung und Industrie im kommenden Jahr bis zur Serienreife zu bringen.

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