Das Trinkwasser in Dinkelscherben wird bis auf weiteres mit Chlor versetzt. Das ist die entscheidende Botschaft für die etwa 450 Gäste eines Informationsabends am Donnerstag, zu dem das Landratsamt eingeladen hatte.
„Es bleibt bei dieser Anordnung, daran wird sich nichts ändern”, fasst die Sprecherin des Landratsamtes, Kerstin Zoch, gegen Ende des Abends zusammen und enttäuscht damit viele Bürger, die noch gehofft hatten, die angeordnete Sicherheitschlorung könne ausgesetzt werden. Gegen Ende des Abends wissen sie es besser: Am 18. Juni begann die Chlorung für die Versorgungsgruppe Oberschöneberg, eine Woche später folgt die Versorgungsgruppe Dinkelscherben.
Und noch etwas wissen die Teilnehmer nach rund zwei Stunden: „Die Zusammenarbeit zwischen Gemeinde und Landratsamt hat noch Optimierungspotenzial”, wie es ein Zuhörer aus Oberschöneberg ausdrückt. Doch der Reihe nach.
Eigentlich will das Gesundheitsamt den Abend nutzen, um die Bevölkerung aufzuklären über die Hintergründe für die andauernde Abkochanordnung und die Sicherheitschlorung. In seinen Handlungen beziehe sich das Amt auf den sogenannten Besorgnisgrundsatz, sagt Christine Hagen, Leiterin der Behörde. Es dürfe keine Wahrscheinlichkeit, und sei sie auch noch so gering, für eine Gesundheitsgefährdung gegeben sein - ansonsten sei das Amt zum Handeln gezwungen. „Das Ermessen beschränkt sich nur auf die Auswahl der Maßnahmen”, führt Hagen weiter aus. In diesem Fall hält man im Amt die Chlorung des Trinkwassers von mehr als 6500 Bürgern für die richtige Maßnahme.
Doch diese sind zum großen Teil damit nicht einverstanden, wie sich in den Wortmeldungen zeigt. Vor allem die Frage, warum ein laut den von der Gemeinde veröffentlichten Laborergebnissen seit Wochen keimfreies Wasser nun mit Chlor versetzt werde, taucht immer wieder auf.
Das Gesundheitsamt argumentiert mit anderen Ergebnissen und zeigt, dass sehr wohl etwas im Wasser sei. So zitiert Hygienekontrolleur Uwe Breitfelder Koloniezahlen bei 22 und 36 Grad Celsius, verweist auf zwei kritische Wasserproben vom 7. Juni, in denen coliforme Keime nachgewiesen wurden. Dass in einer Probe der Marktgemeinde von diesem Tag an der selben Messstelle gar keine Keime gefunden wurden, stört ihn nicht. „Aus fachlicher Sicht erscheinen die Untersuchungsergebnisse des beauftragten Labors als durchaus plausibel”, heißt es dazu in einem Infoblatt, dass sich jeder Besucher nach der Veranstaltung mit nach Hause nehmen darf. Breitfelder führt aus, dass sich Keime nicht gleichmäßig im Wasser verteilen, eine Probe nur eine Momentaufnahme sei. Das von der Marktgemeinde mit der Analyse der Wasserproben beauftragte Labor Dr. Scheller dagegen kann sich die Ergebnisse des Gesundheitsamtes nicht erklären.
Den Vorschlag, gemeinsame Proben zu nehmen und auszuwerten, lehnt das Gesundheitsamt ab, wie es auf Nachfrage bestätigt. „Im Ergebnis können wir keinen weiteren Erkenntnisgewinn durch die parallele Entnahme einer Trinkwasserprobe mit dem Labor Dr. Scheller erkennen”, teilt Pressesprecherin Zoch mit - das Prinzip „Aussage-gegen-Aussage” zieht sich durch den gesamten Abend.
Spätestens als Bürgermeister Edgar Kalb seiner angestauten Wut Luft macht und den Punkten des Landratsamts seine eigenen entgegen stellt, gerät die Informationsveranstaltung immer mehr zur Glaubenssache. Ist Chlor doch schädlich für den Menschen? Zumindest für eine Besucherin auf jeden Fall. Die Frau reagiert auf Chlor allergisch und weiß nicht, wie sie die vielleicht jahrelange Chlorung überstehen soll. Hygiene-Ärztin Dr. Claudia Moerner kommentiert die Sorgen mit einem „Das ist aber sehr, sehr selten”, um dann in die Runde zur fragen: „Oder ist hier noch jemand allergisch?”. Immerhin: Aquarien sollte man aber nicht mit dem Wasser befüllen. Es ist nicht sicher, wie die Fische auf das Chlor reagieren.
Dr. Moerner provoziert dann auch allgemeines Gelächter, als sie davor warnt, sich aktuell Haare und Gesicht mit nicht abgekochtem Wasser zu waschen - in den Hinweisen zur Abkochanordnung vor vier Wochen hieß es noch, das Wasser könne ohne Bedenken zur Körperpflege verwendet werden. Mit der Chlorung hat sich diese Frage aber ohnehin erledigt. Sobald im gesamten Wassernetz eine bestimmte Chlorkonzentration besteht, wird die Abkochanordnung aufgehoben.
Entscheidend für die Bürger ist denn auch eher die Frage, wie lange sie nun gechlortes Wasser in Kauf nehmen müssen. Das kann an diesem Abend niemand mit Sicherheit beantworten. Hagen und Breitfelder verlangen von der Gemeinde eine Zustandsanalyse für die Wasserversorgung, bevor über die Aufhebung der Sicherheits-chlorung nachgedacht werden kann. Die Analyse, für die Dinkelscherben mit den Stadtwerken Augsburg zusammenarbeitet, ist laut Bürgermeister Kalb frühestens in fünf bis sechs Monaten fertig. Die bisher festgestellten Mängel lassen aber nicht hoffen, dass dann schon Schluss sein wird mit Chlor.
Am Ende verlassen die Dinkelscherber reichlich ernüchtert die Veranstaltung. Immerhin einen wirklich guten Tipp von Uwe Breitfelder nehmen sie mit: Sobald die Chlorung einsetzt, sollten die Bürger das Wasser laufen lassen, damit sich das Chlor möglichst schnell im Netz verteilt. (
Markus Höck )