Es ist ein ungewöhnliches künstlerisches Konzept, und die daraus entstandenen Arbeiten absolvieren ebenfalls ungewöhnlichen Grenzgang zwischen Kunst und Wissenschaft: Demnächst wird Christian Deutschmann Teile der Ausstellung, die er zuletzt im Pöttmeser Kultursaal gezeigt hat, nach Würzburg transportieren. Dort interessieren sich Armin Stock, Professor am Zentrum für die Geschichte der Psychologie, und Angela Schartl dafür. Sie betreut dort Akademiker aus dem Ausland.
Bei der Arbeit, die im Mittelpunkt der Pöttmeser Schau stand, handelt es sich um „A Matter of Taste“, also „Eine Frage des Geschmacks“. Dabei hat Deutschmann, der seit kurzem in Osterzhausen lebt, zu Namen aus aller Welt Speisen zusammengestellt. Sarah ist zum Beispiel eine Banane mit Honig und Rosinen, Zeyad ein Stück Weißbrot mit Sardellen und Kapern, Aby eine Ananasscheibe mit Tomaten und Speck.
Was das soll? Dazu muss man wissen, dass Deutschmann Synästhet ist. Bei ihm vermischen sich die Sinneswahrnehmungen. Synästheten können zum Beispiel Zahlen riechen, Buchstaben einen Charakter haben und Töne schmecken. Wobei das sehr vereinfacht ausgedrückt ist (siehe Kasten). Christian Deutschmann will in seinen Arbeiten zum einen die vierfältige, mehrdimensionale Wahrnehmung und Weltsicht eines Synästheten darstellen und vermitteln. Einer der Gründe, warum sich Psychologen dafür interessieren. „Wenn ich Bilder male, mache ich aus meiner vierdimensionalen Wahrnehmung eine zweidimensionale“, beschreibt es der 59-Jährige. Das Speisenprojekt ist ein Versuch, diese Reduktion zu überwinden.
Besonders freut er sich darauf, dass an dem Projekt in Würzburg ausländische Studenten und Akademiker teilnehmen. Die unterschiedlichen Sprachen, die sie sprechen, fügen „A Matter of Taste“ eine weitere Dimension hinzu: Möglichst viele Menschen möglichst vieler Sprachen sitzen an einem Tisch und sprechen, essen und teilen ihre Wahrnehmungen. „Der Turm von Babel – nur positiv“, nennt es Deutschmann mit einem Lachen. Vielleicht eher die Tafel von Babel. Aber die Sprachmetapher passt. Synästhesie zu vermitteln sei, wie „eine Sprache zu beschreiben, die keiner spricht“, formuliert es Deutschmann.
Wobei es dem gelernten Grafikdesigner nicht nur um die Vermittlung synästhetischer Wahrnehmung geht. „Die Menschen sollen nicht unbedingt Synästhesie verstehen, sondern in sich suchen und die eigene Wahrnehmung erforschen“, beschreibt es Deutschmann. Die Beschäftigung mit seinen künstlerischen Arbeiten ist also eine Art Muster oder Modell dafür, wie man auf den Vorgang der Aufnahme von Informationen aus der Außenwelt blickt, auf ihre Verarbeitung und die Schlüsse, die man daraus sieht.
„Warum denke ich, wie ich denke?“ könnte man diesen Prozess formulieren, und für Christian Deutschmann ist das ein entscheidender Ansatz, um Urteile und Vorureile zu hinterfragen. Damit bekommt Synästhesie eine gesellschaftliche-politische Dimension. An der Tafel von Babel wird sicher auch darüber gesprochen werden. Und geschmeckt. Und gerochen.