Sie sind der Albtraum für Patienten und medizinisches Personal gleichermaßen: überfüllte Notaufnahmen. Wie eine Umfrage der Deutschen Gesellschaft Interdisziplinäre Notfall- und Akutmedizin (DGINA) zeigt, sind von diesem Problem viele Kliniken betroffen. Vom 2. bis 4. Mai veranstaltet die DGINA im Kongress am Park Augsburg ihre Jahrestagung und will unter dem Motto „Professionalität und Passion” unter anderem über das sogenannte „Overcrowding”, also die gefährliche Überfüllung in Notaufnahmen, diskutieren lassen.
Zu der Tagung erwarten die Veranstalter mehr als 1800 Teilnehmer aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. In rund 70 Veranstaltungen wollen die 180 Referenten neueste wissenschaftliche Erkenntnisse in der Notfallmedizin präsentieren. Daneben rücken die Veranstalter aktuelle gesundheitspolitische Themen in den Fokus. „Die Tagung ist der größte notfallmedizinische Fachkongress im deutschsprachigen Raum”, betont die DGINA.
Damit versteht sich von selbst, dass es während der Tagung um die drängendsten Sorgen der Notfallmediziner geht. Denn wie das Problem überfüllter Notaufnahmen gelöst werden kann, ist noch nicht abzusehen. Zwei Blitzumfragen der DGINA in deutschen Notaufnahmen hatten 2022 und zuletzt im November 2023 bedenkliche Zustände dokumentiert.
In 59,1 Prozent der Notfallabteilungen, die sich an der Befragung beteiligten, wurde über eine gefährliche Überfüllung in den vorangegangenen 24 Stunden berichtet. „Der Hauptgrund für sogenanntes ,Overcrowding' ist die Tatsache, dass Kliniken nicht genügend Betten für Notfallpatienten vorhalten”, erklärt Kongresspräsident Professor Christoph Dodt, Chefarzt der Notaufnahme im Klinikum München-Bogenhausen. Die Umfrage der DGINA bestätigt das. Das Problem wird als „Exit Block” bezeichnet, das heißt, dass die stationär aufzunehmenden Patienten nicht aus den Notfallabteilungen auf die nachgelagerten Stationen der Krankenhäuser weiterverlegt werden konnten. Dieses Problem war laut Umfrage mit 83 Prozent Hauptursache für ein Overcrowding in den Notfallabteilungen. „Wenn wir die Patienten nicht zeitnah auf andere Stationen verlegen, können wir keine neuen Fälle aufnehmen”, zieht Dodt den logischen Schluss. Die DGINA fordere daher strukturelle Änderungen in den deutschen Krankenhäusern, insbesondere bei der Finanzierung.
Ein Augsburger Spezialthema ist „Klimawandel in der Notfallmedizin”. Dabei geht es einerseits um klimawandelbedingte Erkrankungen und gesundheitliche Folgen extremer Hitze, andererseits um Nachhaltigkeit und Müllvermeidung in Notaufnahmen. „Der Veranstaltungsort Augsburg hat einen starken Bezug zu diesem Thema”, sagt Kongresspräsident Dr. Markus Wehler. Er ist der Direktor der Zentralen Notaufnahme am Universitätsklinikum Augsburg. „In unserer Stadt gibt es eine lange Tradition in der Klimaforschung und eine hohe Expertise in Umwelt- und Gesundheitsmedizin mit mehreren Lehrstühlen an der Universität Augsburg. Deswegen war es uns wichtig, das Klima prominent ins Programm zu nehmen.” Und das Thema hängt direkt mit dem Problem überfüllter Notaufnahmen zusammen. „Durch den Klimawandel erhöht sich die Allergenbelastung. Wir sehen mehr Pollen, aggressivere Pollen und sie fliegen über einen längeren Zeitraum im Jahr. Hinzu kommen Phänomene wie Gewitterasthma, deren Zunahme im Zuge häufiger auftretender Stürme sehr wahrscheinlich ist”, erklärt Professorin Claudia Traidl-Hoffman, Inhaberin des Lehrstuhls für Umweltmedizin an der Universität Augsburg. Bei Gewitterasthma kann es während Gewittern bei Allergikern zu akuten, lebensbedrohlichen Asthmaanfällen kommen, „die wiederum zu Versorgungsengpässen in Notaufnahmen führen können”, warnt Traidl-Hoffman.
Ein ganz anderes Thema treibt Kongresspräsident Dodt um: „Anders als in vielen anderen Industrienationen gibt es in Deutschland bisher keine eigene Weiterbildung zu einem Facharzt für Notfallmedizin.” Die Einführung der Zusatzweiterbildung „klinische Akut- und Notfallmedizin” in fast allen Bundesländern sei ein erster wichtiger Schritt gewesen, „trotzdem halten wir weiter an unserer Forderung nach einem eigenen Facharzt fest”, erklärt Dodt.
Mehr zum Kongress gibt es auf dgina-kongress.de.