Der Jahresrückblick 2023 der Aichacher Zeitung

Ausverkaufte Vorstellungen, Kritik an Winnetou: Bilanz zum Brechtfestival 2024

Kritik am Auftritt: Für den Einsatz von Winnetou-Darsteller Matthias Nawo (links) bei der Einweihung von „Brechts Kraftklub” musste sich Festivalleiter Julian Warner rechtfertigen. (Foto: Markus Höck)
Kritik am Auftritt: Für den Einsatz von Winnetou-Darsteller Matthias Nawo (links) bei der Einweihung von „Brechts Kraftklub” musste sich Festivalleiter Julian Warner rechtfertigen. (Foto: Markus Höck)
Kritik am Auftritt: Für den Einsatz von Winnetou-Darsteller Matthias Nawo (links) bei der Einweihung von „Brechts Kraftklub” musste sich Festivalleiter Julian Warner rechtfertigen. (Foto: Markus Höck)
Kritik am Auftritt: Für den Einsatz von Winnetou-Darsteller Matthias Nawo (links) bei der Einweihung von „Brechts Kraftklub” musste sich Festivalleiter Julian Warner rechtfertigen. (Foto: Markus Höck)
Kritik am Auftritt: Für den Einsatz von Winnetou-Darsteller Matthias Nawo (links) bei der Einweihung von „Brechts Kraftklub” musste sich Festivalleiter Julian Warner rechtfertigen. (Foto: Markus Höck)

Zehn Tage lang hat das Brechtfestival den in Augsburg geborenen Dramatiker Bertolt Brecht gefeiert. Das Fazit der Stadt Augsburg fällt durchweg positiv aus, dabei wurden während des Festivals durchaus kritische Stimmen laut.

Angetreten war das Festival, zum zweiten Mal unter der Leitung von Julian Warner, mit dem Motto „No Future”, also „keine Zukunft”. Dabei war die Absicht der Veranstaltung, genau das Gegenteil zu beweisen, dass es eben sehr wohl eine Zukunft geben könne. „Entgegen der Provokation einer hoffnungslosen Welt entfaltete sich zehn Tage lang die Lebendigkeit und Vielfältigkeit der Augsburger Stadtgesellschaft”, beschreibt es das städtische Brechtbüro in seiner Mitteilung. Menschen aus den unterschiedlichsten Milieus seien sich begegnet. Als Beleg für den Erfolg führt das Brechtbüro an, dass zahlreiche Veranstaltungen ausverkauft waren.

„Die Menschen in der Stadt für Brecht begeistert”

„Erneut hat es Julian Warner geschafft, die Menschen in der Stadt für Brecht zu begeistern”, lobt Jürgen Enninger, Referent für Kultur, Welterbe und Sport der Stadt Augsburg. Aus Bühnenvorstellungen, Gesprächen, Sport- und Musikaktivitäten habe Warner in einer Zwischennutzung – dem ehemaligen Möbelhaus am Plärrer – „ein Kraftwerk, das uns Energie für die Zukunft liefert” gebaut. Der Titel „No Future” werde dadurch zu einem „begeisternden Zukunftsversprechen für die Stadtgesellschaft”, so Enninger weiter.

Das Festival rahmten in diesem Jahr zwei Brecht-Klassiker ein. Zur Eröffnung gab es „Mutter Courage und ihre Kinder“ in der Inszenierung von David Ortmann am Staatstheater Augsburg mit Hauptdarstellerin Ute Fiedler sowie der gehörlosen Schauspielerin Anne Zander. Das Festival schloss mit der inklusiven Adaption des „Kaukasischen Kreidekreises“ durch das Theater Hora sowie Helgard Haug und das Rimini Protokoll. Im „Justizpalast“ von Club Real konnte das Festivalpublikum auf der ebenfalls ausverkauften Brechtbühne erleben, „was es heißt, wenn Mitbestimmung auch die Bedürfnisse nicht-menschlicher Lebewesen einbezieht”. Weitere Aktionen der Organismenrepublik Augsburg seien für das Brechtfestival 2025 geplant, kündigt das Brechtbüro an.

Ein sehr spezieller Teil des Festivals war „Brechts Kraftklub”. In einer ehemaligen Textilfabrik gegenüber dem Plärrergelände entstand auf zwei Ebenen die „Brechtinszenierung“ von Festivalleiter Julian Warner. Auf mehr als 4000 Quadratmetern – mit mehreren Bühnen, Kino, Bar und einem Fitnessbereich mit Tischtennisplatten, Skatefläche und Boxring. Der „Kraftklub” sollte die Begegnung von Menschen aller Milieus und Altersgruppen ermöglichen, um „Fit for No Future“ zu werden. „Trotz der vielbeschworenen Spaltung der Gesellschaft kann Theater ein Raum sein, wo die Stadtgesellschaft in ihrer Verschiedenheit zusammenkommen kann“, so Festivalleiter Warner.

Doch am Ablauf der Einweihung des „Kraftklubs” gab es Kritik. Warner hatte zu seinem „Turnfest” auch Matthias Nawo eingeladen, der früher in der Western-City Dasing den Winnetou spielte. In eben diesem Kostüm ritt Nawo auf das Veranstaltungsgelände und mahnte die Zuschauer zu Menschlichkeit, Frieden und Toleranz – für einige offenbar eine zu große Provokation. Es folgten Rassismus-Vorwürfe und Beschwerden wegen kultureller Aneignung. In einem Video auf der Plattform Instagram reagierte Festivalleiter Warner auf die Kritik und versuchte den Auftritt einzuordnen. Darin urteilt er selbst: „Winnetou als Repräsentation eines indigenen Volkes ist eine stereotype, rassistische Nummer. Geht gar nicht.” Aber als Kunstfigur, die auf Karl May zurückgeht, sei Winnetou interessant für ein Kunstfestival, das die Frage stellt, was mit all den alten Zeichen gemacht werden soll und herausfinden will, ob es einen Weg gebe, daraus etwas Neues zu entwickeln. Weiter weist er darauf hin, dass er selbst zu den Themen Rassismus und kulturelle Aneignung sowohl wissenschaftlich, als auch künstlerisch gearbeitet habe. Den Kommentaren unter dem Video lässt sich entnehmen, dass er damit nicht alle überzeugen konnte.

Für Warner ist es nicht das erste Mal, dass er sich mit Vorwürfen konfrontiert sieht, die weder zu seiner Biografie noch zu seinem Schaffen so recht passen. Kurz vor dem diesjährigen Festival musste sich Warner rechtfertigen, dass er 2020 zu den Erstunterzeichner eines Offenen Briefs gehörte, der im Kern den Beschluss des Bundestags kritisiert, die Kampagne „Boycott, Divestment, Sanctions“, die unter anderem zum Boykott israelischer Waren aufruft, als antisemitisch einzustufen. Während die SPD-Fraktion im Augsburger Stadtrat Aufklärung forderte, stellten sich Kulturreferat, Kulturamt und Brechtfestival-Leitung der Stadt Augsburg vor Julian Warner und wiesen „den Antisemitismus-Vorwurf als haltlos und auf das Schärfste zurück”. Doch Warner sah zudem die Notwendigkeit einer persönlichen Erklärung. Darin teilte er mit: „Hiermit distanziere ich mich von meiner Unterschrift unter dem Offenen Brief ,Nothing Can Be Changed Until It Is Faced' aus dem Jahr 2020.” Das brachte die Kritik schließlich zum Verstummen und das Brechtfestival konnte ohne diese Vorbelastung ablaufen.

Der Termin für das nächste Brechtfestival im kommenden Jahr steht schon fest. Vom 21. Februar bis zum 3. März darf Warner dann erneut den Augsburgern Brecht näherbringen.


Markus Höck
Markus Höck

Redakteur Augsburg-Redaktion

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