Der Jahresrückblick 2023 der Aichacher Zeitung
Veröffentlicht am 24.01.2024 17:03

19-Jähriger wegen heruntergerissener Israelflagge verurteilt

Nach den Anschlägen Anfang Oktober des vergangenen Jahres hisste die Stadt Augsburg die Israelflagge als Solidaritätsbekundung vor dem Rathaus.  (Foto: Markus Höck)
Nach den Anschlägen Anfang Oktober des vergangenen Jahres hisste die Stadt Augsburg die Israelflagge als Solidaritätsbekundung vor dem Rathaus. (Foto: Markus Höck)
Nach den Anschlägen Anfang Oktober des vergangenen Jahres hisste die Stadt Augsburg die Israelflagge als Solidaritätsbekundung vor dem Rathaus. (Foto: Markus Höck)
Nach den Anschlägen Anfang Oktober des vergangenen Jahres hisste die Stadt Augsburg die Israelflagge als Solidaritätsbekundung vor dem Rathaus. (Foto: Markus Höck)
Nach den Anschlägen Anfang Oktober des vergangenen Jahres hisste die Stadt Augsburg die Israelflagge als Solidaritätsbekundung vor dem Rathaus. (Foto: Markus Höck)

Etwa dreieinhalb Monate nachdem die als Solidaritätsbekundung gehisste Israelflagge auf dem Rathausplatz heruntergerissen wurde, musste sich am Mittwoch ein Mann deshalb vor dem Amtsgericht verantworten. Der Vorfall sorgte bundesweit für Aufsehen, vor allem weil sich ein Handyvideo der Tat im Anschluss in diversen sozialen Medien wie ein Lauffeuer verbreitete.

Dem zur Tatzeit 18 Jahre alten Syrer wurde Beihilfe zur Verletzung von Flaggen- und Hoheitsrechten ausländischer Staaten in Tateinheit mit Sachbeschädigung vorgeworfen. Beihilfe deshalb, weil er derjenige war, der die Tat filmte. Der Haupttäter, der die Flagge vom Mast riss und versuchte, sie anzuzünden, muss sich in einem separaten Verfahren verantworten, ist jedoch bislang unbekannt verzogen und wird gesucht.

Er war es, der dem damals 18-jährigen Angeklagten, den er von der gemeinsamen Schule kannte, unmittelbar vor der Tat von seinem Plan erzählte und ihn mehrfach aufforderte, alles zu filmen. Ziel des Haupttäters war es wohl, das Video danach in verschiedenen sozialen Netzwerken verbreiten zu können. Das Handyvideo zeigt den Haupttäter, der binnen Sekunden den Fahnenmast hochklettert und die Flagge mit Gewalt herunterreißt. Am Boden versucht er daraufhin, sie mit einem Feuerzeug in Brand zu setzen. Bis auf eine couragierte Frau reagieren die umstehenden Passanten nicht. Sie konnte den jungen Mann zumindest vom letzten Teil seines Plans abhalten.

Während der Tat soll der Angeklagte, der vor Gericht ohne Verteidiger erschien, laut Übersetzung „Sieh' her, Palästina” und „reiß' sie runter, reiß' sie runter” gerufen haben. Das berichtet ein Beamter der Abteilung Staatsschutz der Polizei, der im Prozess als einziger Zeuge geladen war. Laut ihm sei der Angeklagte mit einem Zeitungsartikel bei der Polizei erschienen und habe die Tat gestanden. Kurz darauf sah der Beamte die beiden auf einer propalästinensischen Kundgebung in Augsburg. Beide hätten angegeben, eher unpolitisch zu sein. Auf seine Anwesenheit bei der Kundgebung angesprochen, erwidert der Angeklagte, dass er dort nur gewesen sei, um einen Schlüssel abzugeben.

Laut Aussage des Zeugen habe der Angeklagte bei den Vernehmungen von seiner Situation überwältigt und überfordert gewirkt. Ein Eindruck den die Mitarbeiterin der Jugendgerichthilfe bestätigt.

Angeklagter soll Haupttäter angefeuert haben

Sie sagt aus, der mittlerweile 19-Jährige sei eher zurückgezogen. Er flüchtete im Alter von 16 Jahren aus Syrien und blieb zunächst bei Verwandten in Zypern. 2022 kam er nach Augsburg, wo bereits sein älterer Bruder lebt, der sich auch um ihn kümmere. Seitdem versuche er, Deutsch zu lernen und strebe eine Ausbildung zum Kfz-Mechatroniker an. Auf die Frage des Richters, ob der Angeklagte mitbekommen habe, welche Kreise die Tat zog, beschrieb sie seine Reaktionen als überfordert und hilflos.

Der Angeklagte selbst entschuldigte sich im Laufe der Sitzung mehrfach. „Wenn ich gewusst hätte, dass es verboten ist, hätte ich es nicht gemacht”, antwortete er dem Richter auf die Frage, was er sich bei der Tat gedacht habe. Dieser verurteilte den 19-Jährigen nach Jugendstrafrecht zu einer Strafe von 80 Stunden gemeinnütziger Arbeit und einer Zahlung von 200 Euro an das jüdische Museum in Augsburg. Darüber hinaus erhielt er eine Gesprächsweisung von drei bis fünf Sitzungen zum Thema Antisemitismus. Weil Staatsanwaltschaft und Angeklagter auf Rechtsmittel verzichteten, wurde das Urteil sofort rechtskräftig. Der Prozess gegen den Haupttäter wird separat fortgeführt. Nach Angaben des Angeklagten soll dieser umgezogen sein und nun in einem anderen Bundesland leben.


Von Maximilian Tauch
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