Der Jahresrückblick 2023 der Aichacher Zeitung
Veröffentlicht am 24.04.2022 16:24

Zurück zu den Fundamenten

Inmitten von Pflanzen und Büchern   auf der Suche nach den Fundamenten: Dieter Heilgemeir, der am morgigen Dienstag 80 Jahre alt wird. 	Foto: Berndt Herrmann (Foto: Berndt Herrmann)
Inmitten von Pflanzen und Büchern auf der Suche nach den Fundamenten: Dieter Heilgemeir, der am morgigen Dienstag 80 Jahre alt wird. Foto: Berndt Herrmann (Foto: Berndt Herrmann)
Inmitten von Pflanzen und Büchern auf der Suche nach den Fundamenten: Dieter Heilgemeir, der am morgigen Dienstag 80 Jahre alt wird. Foto: Berndt Herrmann (Foto: Berndt Herrmann)
Inmitten von Pflanzen und Büchern auf der Suche nach den Fundamenten: Dieter Heilgemeir, der am morgigen Dienstag 80 Jahre alt wird. Foto: Berndt Herrmann (Foto: Berndt Herrmann)
Inmitten von Pflanzen und Büchern auf der Suche nach den Fundamenten: Dieter Heilgemeir, der am morgigen Dienstag 80 Jahre alt wird. Foto: Berndt Herrmann (Foto: Berndt Herrmann)

So blickt der gebürtige Münchner morgen zum Beispiel auf 70 Jahre Engagement in der katholischen Kirche zurück - 1952 ministrierte er erstmals in Aichach, bis heute ist er Lektor - , auf 48 Jahre als CSU-Stadtrat, davon 18 als Zweiter Bürgermeister, auf 24 Jahre als Kreisrat, auch Stellvertretender Landrat war er, und auf viele Jahre in verschiedenen anderen, nicht nur politischen Ämtern und Funktionen.

Auch „seiner” Schule, dem Aichacher Deutschherren-Gymnasium, blieb Heilgemeir bis zu seiner Pensionierung 2003 treu, nachdem er den Dienst dort 1979 angetreten hatte. Seit 1972 hat er die auf den ersten Blick ungewöhnliche Fächerkombination Biologie, Chemie und katholische Religion unterrichtet. Ungewöhnlich, weil sich Naturwissenschaften und Theologie widersprechen; oder zu widersprechen scheinen. Tun sie aber nicht, wie Dieter Heilgemeir schon seinen Schülerinnen und Schülern genau und geduldig darlegte, und gerade in den vergangenen Jahren beschäftigt er sich wieder damit. „Ich gehe zurück zu den Fundamenten”, erzählt er in seinem Wintergarten, der voll ist mit seinen geliebten und gepflegten Pflanzen und wo sich überall Bücher stapeln. Als würde der Raum verdeutlichen wollen, um was es bei den Fundamenten geht: Um die Frage nach Gott etwa, die Gottesvorstellungen, aber auch die Theodizee, also die Frage, wie Gott all das Leid in der Welt zulassen kann; und es geht bei den Fundamenten auf der anderen, der naturwissenschaftlichen Seite, um das Leben, seine Entstehung und was es ausmacht. Und während der Besucher den Blick auf die umfangreiche, auf mehrere Räume verteilte Bibliothek wirft, ist es ein wenig wieder wie in der Schule: Die Theologie und die Naturwissenschaften scheinen gar nicht mehr so weit voneinander entfernt zu sein.

Viele Menschen in Aichach und im Landkreis kennen Dieter Heilgemeir, der nach dem Zweiten Weltkrieg mit seiner Mutter und seinem Bruder in die Paarstadt kam, als Politiker. Erst jüngst wurde er nicht zuletzt für sein politisches Engagement mit der Bürgermedaille in Silber ausgezeichnet; spricht man mit ihm über Kommunalpolitik, dann mag man kaum glauben, dass sein Abschied erst zwei Jahre her ist. „Ich bin ganz bewusst aus der Politik ausgestiegen, ich habe meinen Dienst getan”, blickt er auf seine Entscheidung zurück, 2020 nicht mehr für den Stadtrat zu kandidieren. Und fügt hinzu: „Ich habe es wirklich als Dienst verstanden.”

Kontakt zu der aktuellen CSU-Stadtratsfraktion gibt es kaum. Heilgemeir bedauert das durchaus: „Da bin ich weit weg. Ich hatte mir das anders vorgestellt”, sagt er und fügt hinzu: „Mit meiner 'alten' Fraktion war ich befreundet...”. Nach kurzer Pause ergänzt er, in der für ihn kennzeichnenden, ruhigen und überlegten Art, mit Blick auf die heutige Situation: „Ich bin im Stadtrat sachliche Arbeit gewohnt gewesen, es ging nie um Persönliches.” Das Verhältnis zu Bürgermeister Klaus Habermann sei gut, was durchaus nicht selbstverständlich ist. Nach der Abwahl Heilgemeirs als Zweiter Bürgermeister war ihre Beziehung zeitweise belastet. Dass das nicht mehr so ist, mag auch den Unterschied zwischen Aichacher Kommunalpolitik früher und heute verdeutlichen.

Nach dem Abschied aus der Politik hat Dieter Heilgemeir nun noch mehr Zeit, für das, was ihm wichtig ist und an dem kein Mangel ist: die Bücher und die Musik, die Geschichte - nicht zuletzt ist er im Förderverein Sisi-Schloss und beim Geschichtspfad sehr engagiert -, das Reisen, das allerdings zuletzt coronabedingt nur eingeschränkt möglich war, und vor allem auch die Pflege von Freundschaften, oft per Telefon, deswegen aber nicht weniger intensiv.

Und Dieter Heilgemeir denkt viel nach, nicht nur über die Fundamente, Gott und das Leben, sondern auch sehr konkret über Politik und Gesellschaft; und wie jeder nachdenkliche und sensible Mensch kann er das nicht ohne Sorge tun. Ihn beschäftigt der Klimawandel, den er im Unterricht schon vor mehr als 30 Jahren behandelt hat; der Krieg, „der mir sehr weh tut”; die Pandemie, „als Biologe wusste ich, dass so etwas einmal kommen wird”; schließlich die Zersplitterung der Gesellschaft, ihre Zerstörung durch soziale Medien und Fake News. „Haben wir uns nicht immer bemüht, sachlich zu bleiben, und das auch vermittelt?”

Viele Fragen und Sorgen, und doch blickt er mit Hoffnung in die Zukunft. Da, auch da, ist er Christ, und der langjährige Jugendreferent im Stadtrat setzt seine Hoffnung auf die Jugend.

Geschenke wünscht sich Dieter Heilgemeir zu seinem Geburtstag nicht. Zumindest keine für sich. Aber er freut sich über jede Spende für die Stiftung, den St. Sebastian Fonds, die er vor zehn Jahren aus der Taufe gehoben hat und die in Not geratene Aichacher unterstützt. Spendenkonto: LIGA Bank-Stiftung, IBAN DE 79 7509 0300 0001 360 000. Abschied aus der Kommunalpolitik vor zwei Jahren

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