Der Jahresrückblick 2023 der Aichacher Zeitung
Veröffentlicht am 07.06.2021 16:02

Wie ein Verein aus der Region Rehkitze vor den Mähmaschinen rettet

Mit Einmalhandschuhen und Gras werden die Rehkitze hochgehoben und in Kisten gelegt. So soll verhindert werden, dass die Tiere menschlichen Geruch annehmen.  (Foto: Rehkitzrettung Augsburg e.V.)
Mit Einmalhandschuhen und Gras werden die Rehkitze hochgehoben und in Kisten gelegt. So soll verhindert werden, dass die Tiere menschlichen Geruch annehmen. (Foto: Rehkitzrettung Augsburg e.V.)
Mit Einmalhandschuhen und Gras werden die Rehkitze hochgehoben und in Kisten gelegt. So soll verhindert werden, dass die Tiere menschlichen Geruch annehmen. (Foto: Rehkitzrettung Augsburg e.V.)
Mit Einmalhandschuhen und Gras werden die Rehkitze hochgehoben und in Kisten gelegt. So soll verhindert werden, dass die Tiere menschlichen Geruch annehmen. (Foto: Rehkitzrettung Augsburg e.V.)
Mit Einmalhandschuhen und Gras werden die Rehkitze hochgehoben und in Kisten gelegt. So soll verhindert werden, dass die Tiere menschlichen Geruch annehmen. (Foto: Rehkitzrettung Augsburg e.V.)

Wenn Rehkitze Gefahr wittern, ducken sie sich im hohen Gras und bleiben ganz still liegen. Und das wird zahlreichen jungen Rehen zum Verhängnis. Rund 100.000 Kitze sterben jedes Jahr während der Mahd, berichtet Cornelia Günther. Die Tierärztin aus Reinhartshausen hat deshalb den Verein „Rehkitzrettung Augsburg” gegründet. Gemeinsam mit mittlerweile mehr als 90 Vereinsmitgliedern sucht sie Felder im Großraum Augsburg ab, um die Tiere in Sicherheit zu bringen, bevor die Mähmaschinen anrücken.

Alles begann 2018. Günther wohnt am Ortsrand von Reinhartshausen. Eines Tages mähte ein Landwirt vor ihrer Tür sein Feld und erwischte dabei zwei Kitze. „Das eine war sofort tot”, berichtet die Tierärztin. „Dem anderen fehlten beide Hinterbeine und beide Vorderfüße. Es schrie markerschütternd.” Als Tierärztin habe sie das Jungtier einschläfern und so von seinen Schmerzen befreien können. Doch sie sei geschockt gewesen. „Ich dachte, sowas will ich nie wieder erleben und habe angefangen zu recherchieren”, erzählt Günther. Sie nahm Kontakt zu bereits bestehenden Hilfsorganisationen auf und legte sich bald darauf die erste Drohne zu.

Denn, so berichtet die Vereinsgründerin, Drohnen seien der effektivste Weg, um die Kitze, die im Feld eingerollt liegen, ausfindig zu machen. Mittels Wärmebildkamera erscheinen sie auf den Aufnahmen als weiße Flecken auf dunklem Grund. Wichtig sei, dass man die Drohne bereits in den frühen Morgenstunden einsetze, erklärt Günther. Nämlich dann, wenn der Temperaturunterschied zwischen Lebewesen und dem Boden noch möglichst groß sei. Direkt nachdem der Verein das Feld abgesucht hat, sollte dann gemäht werden, um sicherzugehen, dass sich nicht erneut Tiere im Feld verstecken. Die gefundenen Kitze liegen solange in Kisten, Körben und Boxen und werden wieder frei gelassen, sobald der Bauer seine Mäharbeiten beendet hat. Übrigens, ergänzt Günther, sind es oft nicht nur Kitze, die im hohen Gras kauern. Auch junge Hasen und Katzen werden jedes Jahr von Mähwerken verletzt oder getötet.

Voraussetzung dafür, dass die Tiere gerettet werden, ist aber, dass der Verein überhaupt kontaktiert wird und da seien viele Landwirte noch zurückhaltend, berichtet Günther. Oft seien es eher die Jäger, die sich an den Verein wenden. Einige Bauern beauftragten auch Lohnunternehmen, die dann die Felder mähen, so dass die Landwirte gar keinen Einfluss darauf haben, wann das passiert. „In solchen Fällen klappt es oft nicht, dass wir uns vor Tagesanbruch mit der Drohne auf die Suche machen können”, sagt Günther. Trotzdem könne der Verein auch in diesen Fällen helfen. Acht bis zehn Helfer gehen dann zu Fuß das Feld ab. Damit das strukturiert ablaufen kann, sind die Vereinsmitglieder dabei mit einem Seil verbunden und bilden quasi eine Menschenkette.

Strukturiert und organisiert muss der Verein laut Günther auch sein. Denn 80 Prozent aller Rehkitze kommen innerhalb von 20 Tagen im Frühjahr zur Welt. Je nach Witterung fallen diese 20 Tage meist in den Mai oder Juni. Zur selben Zeit gehen die Landwirte die erste Mahd an. Der Verein werde in dieser Zeit dann geballt von Anfragen überschwemmt. Dann gilt es, die 90 Mitglieder und die sechs Drohnen der Rehkitzrettung so zu verteilen, dass möglichst viele Felder abgesucht werden können. In diesem Jahr wurden rund 400 Hektar Land abgesucht, 80 Kitze konnte der Verein dabei retten. „Fünf oder sechs Hardcore-Tage waren da schon dabei”, sagt Günther und ergänzt: „Das ist oft ein logistisches Meisterstück.”

Noch im Vorjahr lag die Bilanz bei 175 Hektar Land und 20 geretteten Kitzen. Doch der Verein wächst. Cornelia Günther ist begeistert von ihrem Team. „Wenn ich an einem Sonntagvormittag in unsere Gruppe schreibe, dass um 18 Uhr ein Feld gemäht wird und ich bis 15 Uhr zehn Helfer brauche, dann hab ich die auch. Das ist einfach großartig.” Viele seien auch in den frühen Morgenstunden für die Rehkitzrettung im Einsatz und gehen danach zur Arbeit.

Nichtsdestotrotz ist der Verein weiterhin auf der Suche nach Helfern, denn die Mitglieder sind im ganzen Großraum Augsburg und im Landkreis Aichach-Friedberg im Einsatz. Wer Interesse hat, die Rehkitzrettung zu unterstützen, kann unter www.rehkitzrettung-augsburg.de Kontakt zum Verein aufnehmen. Auf der Internetseite finden sich auch viele Informationen über Rehkitze. Etwa was zu tun ist, wenn man ein verletztes Tier findet, oder warum es so wichtig ist, Hunde zwischen Mai und Juli anzuleinen und nicht über die Felder laufen zu lassen. Wer eine Wiese hat, die abgesucht werden soll, erreicht den Verein unter Telefon 0171/688 17 66.

Der Service des Vereins ist für die Landwirte übrigens kostenlos. „Aber natürlich freuen wir uns über eine Spende”, sagt Cornelia Günther. Es solle nur keine Frage des Geldes sein, ob das Leben der Tiere gerettet werde.


Von Kristin Deibl
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