Der Jahresrückblick 2023 der Aichacher Zeitung
Veröffentlicht am 01.12.2022 12:29

Weitere Delle im Aichacher Kulturbetrieb

Luise Kinseher (Foto: Pressefoto)
Luise Kinseher (Foto: Pressefoto)
Luise Kinseher (Foto: Pressefoto)
Luise Kinseher (Foto: Pressefoto)
Luise Kinseher (Foto: Pressefoto)

Es wird keine weitere Auflage des Stereostrand-Festivals geben. Das gaben die Veranstalter Anfang dieser Woche bekannt (wir berichteten). Nun zieht sich ein weiterer Kultur-Ausrichter zurück: Anton Ettner will bis auf weiteres kein Kabarett mehr in Aichach organisieren. Damit fehlen Gastspiele namhafter Wort- und Musikkünstler wie Bruno Jonas, Wolfgang Krebs oder Luise Kinseher.

Sie kamen in den vergangenen Jahren regelmäßig ins Pfarrzentrum und bespielten dort volle Ränge. Doch scheinen nach Corona die Menschen aus der Region die Freude an dieser Kultur-Sparte verloren zu haben: "Die Vorverkaufszahlen sind eingebrochen", ist Anton Ettner resigniert. Die Gefahr, draufzuzahlen, sei enorm. Ganz abgesehen davon, "dass die bedeutende Künstler gar nicht kommen, wenn sie vor bloß 150 Zuschauern oder noch weniger auftreten müssen."

150 Zuschauer – das war auch die Kulisse im November bei "Boarisch glacht", einer Kult-Veranstaltung, deren 400 Plätze früher innerhalb weniger Wochen ausverkauft waren. Warum diesmal nicht mehr so viele ins Aichacher Pfarrzentrum kamen? "Corona verunsichert immer noch", meint Ettner. Niemand kaufe vorab Tickets, wenn man nicht sicher sein kann, ob die Veranstaltung nicht doch kurzfristig abgesagt werden muss oder man nicht hingehen kann, weil man selbst vom Virus befallen ist. Einen weiteren Grund führt der 57-Jährige ins Feld: "Aichach hat keinen Kartenvorverkauf mehr." Die drei Vorverkaufsstellen (VVK) Wörl, Urlaubsoase und Efinger, bei denen man sich Karten ausdrucken lassen und gleich mitnehmen konnte, schlossen vor Monaten mangels Nachfrage und Personal. Und gerade das ältere Publikum, das Kabarett-affine, sei es nicht gewohnt, sich online zu versorgen.

Das bestätigt auch Gustl Reil. Während Ettner mit seiner Agentur Zillmu jährlich etwa zehn Events organisierte, sind es bei dem Klingener Reil ein paar weniger. Seit dem Wegfall der VVK-Stellen (und damit einhergehend der fehlenden Präsenz in den Medien) sinke auch die Nachfrage. Seine GPR-Concert behilft sich inzwischen mit einer Kooperation mit dem Musikhaus Sedlmeyr am Oberen Tor, wo Hard-Tickets erhältlich sind, und mit einem eigenen Online-Ticketshop. Aber Reil sagt auch: "Die Leute sind total verunsichert. Erst Corona, jetzt Inflation und extreme Energiekosten – da sparen sie halt an der Kultur." Beispielhaft das Gastspiel der Bayerischen Kabarettpreisträgerin Eva Karl Faltermeier, die Reil im April nach Aichach geholt hatte: "Der Vorverkauf lief sehr gut bis zum 24. Februar. Dann begann Russland den Krieg, und wir haben keine fünf Karten mehr losbekommen." Selbst die Weltpolitik färbe also ab auf die lokale Kulturarbeit.

Einen anderen Eindruck hat Rainer Knauer. Der Wirt des Canada in Obermauerbach geht sehr optimistisch ins kommende Jahr, will sogar mehr Kleinkunst-Veranstaltungen anbieten. "Die Corona-Nachholwelle ist jetzt vorbei", sagt er und meint damit: Alle ausgefallenen Vereinsfeste und Jahreshauptversammlungen sind inzwischen aufgearbeitet, die verpassten runden Geburtstage nachgefeiert. Die Leute haben wieder Zeit für Neues. Er will in der Saison 2023 deshalb öfters drei statt nur zwei Veranstaltungen wöchentlich realisieren.

Wobei er auch einräumt, in einer vergleichsweise kommoden Situation zu sein: Seine Künstler sind dem Canada freundschaftlich verbunden und schätzen die Location wegen des einzigartigen Ambientes. Selbst Größen wie Lizzy Aumeier kommen zu Vorpremieren gerne in den gerade mal 100 Personen fassenden Saal, in dem sie sozusagen Körperkontakt mit dem Publikum haben. Die Dezember-Veranstaltungen (unter anderem Eva Karl Faltermeier, Gruber & Maklar, Stefan Leonhardberger mit Stephan Zinner, Tom & Flo) sind ausverkauft, ebenso Django 3000 im Januar. Für weitere fast 20 Abende läuft der hausinterne Vorverkauf.

Gustl Reil wird sich 2023 wohl auf zwei Veranstaltungen beschränken: Quadro Nuevo im April und Luis aus Südtirol im November. Anton Ettner holt am 24. März das mehrfach verschobene Gastspiel von Stefan Otto im Pfarrzentrum nach. Für danach plant der Aichacher, der im Brotberuf Event-Koordinator bei Audi ist, nicht mehr – will aber auch nicht ausschließen, wieder einzusteigen, wenn sich die Rahmenbedingungen wieder verbessern.

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