Eine der Messstellen liegt am Längenmoosgraben bei Laimering. Und dort, wo für gewöhnlich klares Wasser plätschert, leitet ein großes Rohr Oberflächenwasser aus dem oberhalb liegenden Straßengraben ein. Die Frage ist, ob die an dieser Stelle gemessenen erhöhten Nitratwerte auf das Grundwasser oder das eingeleitete Oberflächenwasser zurückzuführen sind.”Wir lehnen es ab, diesen Ort als Messstelle zu bezeichnen”, meinte der Sielenbacher Reinhard Herb kürzlich bei einem Treffen von Landwirten am Längenmoosgraben. Um zu demonstrieren, welchen Weg das Wasser nimmt, das im Graben entnommen und beprobt wird, hat der ehemalige Obmann des Bayerischen Bauernverbands (BBV) im Landkreis am Donnerstag ein mit Regenwasser gefülltes Güllefass an einem Schacht oberhalb des Grabens geparkt und das Wasser abgelassen. Was im ersten Moment skurril klingt, ist ein Versuch, der verdeutlichen soll, was den Landwirten stinkt.Seit Ende 2022 gilt in Bayern die neue Gebietskulisse zur Düngeverordnung. Ein großer Teil des Landkreises Aichach-Friedberg ist darin als sogenanntes rotes Gebiet gekennzeichnet. Auf diesen Flächen gelten strengere Regeln für das Ausbringen von Düngemitteln wie Gülle.Als rotes Gebiet gilt eine Fläche, wenn der darunter liegende Grundwasserkörper mit Nitrat belastet ist. Das trifft zu, wenn der Anteil des Stoffes bei über 50 Milligramm pro Liter liegt. Am Längenmoosgraben werden Werte von über 110 Milligramm Nitrat gemessen. „Aber das ist kein Grundwasser”, monieren die Bauern.Reinhard Herb, begleitet von Wolfgang Teifelhart, seinem Nachfolger als BBV-Obmann, Kreisbäuerin Sabine Asum, Kreisrat und BBV-Funktionär Erich Kerner und weiteren Vertretern aus der Bauernschaft steht inzwischen am Graben knapp 200 Meter südlich der Straße, wo das Wasser aus dem Fass läuft. Es gluckert und dröhnt. Plötzlich kommt ein Schwall aus dem Rohr. Der Beweis dafür, dass sich das Wasserwirtschaftsamt irrt, ist das aber nicht, wie Daniel Bischof vom WWA sagt. Der Geologe ist mit dem Ausbau des Messstellennetzes im Landkreis Aichach-Friedberg betraut. Aufgrund der Ergebnisse zahlreicher Messungen geht er davon aus, dass im Längenmoosgraben tatsächlich Grundwasser aus dem Boden sprudelt. „Dass hier noch eine Straßenentwässerung eingeleitet wird, ist zwar nicht optimal”, betont der Fachmann. Tatsächlich habe das WWA aber bislang keinen nachteiligen Effekt durch eingeleitetes Oberflächenwasser festgestellt, versichert Bischof. Geeignet sei die Messstelle damit auf jeden Fall.Die Landwirte um Herb, Teifelhart und Asum können das nicht nachvollziehen. Bereits 2021 haben Bauern Zusatz-Messstellen ans WWA gemeldet. Diese Orte sollen eine feinere und engmaschigere Probenentnahme ermöglichen, um ein detaillierteres Bild vom Nitratgehalt im obersten Grundwasserstockwerk zu zeichnen. So heißt die oberste Schicht des Wasserkörpers im Fachjargon. Herb zum Beispiel hatte seinen eigenen Brunnen gemeldet. Am Graben sprach er auch von einer Stelle am Silberbrünnl bei Aichach sowie von Brunnen in Hohleneich und Dasing, in denen deutlich weniger Nitrat gemessen werden kann. Bischof spricht von sieben Messpunkten im Landkreis, die dem WWA gemeldet worden sind. „Davon hat es das Silberbrünnl sogar ins amtliche Messstellennetz geschafft”, sagt der Fachmann.Die weiteren, etwa die Brunnen, eigneten sich hingegen nicht unbedingt für die Nitratmessung. Sie würden Wasser aus tieferen Schichten zu Tage fördern. „Wir möchten aber wissen, wie viel jetzt ganz oben ist und in den nächsten Jahren nach unten sickert”, erklärt Bischof, der derzeit auf vielen Veranstaltungen über rote Gebiete und die Arbeit seiner Behörde unterwegs ist. Das äußerst komplexe Thema nämlich werde vor allem emotional diskutiert. Die Landwirte sehen sich an den Pranger gestellt. Jetzt auch noch eine Messstelle dort vorzufinden, wo Oberflächenwasser eingeleitet wird, hält Herb für „eine Frechheit”. „Da wird gesalzen, wir haben Reifenabrieb, Bremsstaub und noch vieles mehr”, echauffiert sich der Landwirt.So einfach aber ist es laut Bischof eben nicht. „Alles fließt”, soll der griechische Denker Heraklit einst gesagt haben. „Und Wasser, das jetzt ganz oben ist, sickert unweigerlich nach unten”, verdeutlicht der Geologe vom WWA. Sein Kollege Rüdiger Zischak, der selbst Proben bei Laimering genommen hat, ergänzt: „Die vor Jahrhunderten ursprünglichen Quellen können aufgrund der Landnahme durch die Landwirtschaft durch vielfältige Maßnahmen tangiert sein. Sofern sie aber auch heute noch ganzjährig Grundwasser abführen und der gemessene Nitratgehalt nicht durch sonstige Faktoren erhöht ist, sind sie für Probennahmen geeignet.” Den Vorwurf der Landwirte weist das WWA damit zurück. „Wenn andere Faktoren als die Landwirtschaft den Nitratgehalt negativ beeinflussen, nutzen wir die Messstelle gar nicht”, erklärt Bischof.Den Frust der Bauern könne er sogar nachvollziehen, auch den Ärger darüber, dass manche Zusatz-Messstellen nicht berücksichtigt wurden, sagt Bischof. Das hingegen dürfe das WWA zum Teil gar nicht. „Das größte Problem ist, dass ich vonseiten des Gesetzgebers schlicht oft keine Möglichkeit habe, zum Beispiel gewisse Brunnen als Messstelle anzuerkennen”, meint er. „Selbst wenn manche Brunnen wirklich gut geeignet wären”, ergänzt Bischof, der übrigens weiterhin dazu aufruft, potenzielle Zusatz-Messstellen zu melden.Das Wasserwirtschaftsamt nämlich hat noch einiges zu tun. Ministerpräsident Markus Söder hatte bereits vor einigen Jahren versprochen, das Messstellennetz in Bayern auszubauen. Bis Ende 2024 will das WWA in Donauwörth das Ziel von elf Messstellen im Landkreis Aichach-Friedberg erreicht haben. Dann stehen auch die nächste Messung und eine neue Gebietsausweisung an. Den Bauern reicht das nicht. Eine Interessensgemeinschaft, der Herb vorsteht, klagt gegen die roten Gebiete. „Getan hat sich hier bis heute aber nichts”, sagt Herb. Wasserwirtschaftsamt hält Messstelle weiter für geeignet Fotos: Bastian Brummer