Der Jahresrückblick 2023 der Aichacher Zeitung
Veröffentlicht am 24.03.2015 12:00

Stefan Bradl startet mit neuem Team in die Motorrad-WM

Stefan Bradl vor gut einer Woche   auf dem Loseil Internationale Circuit bei einer Trainingsrunde mit seiner neuen Yamaha. Die Generalprobe für den WM-Auftakt am kommenden Sonntag in Katar misslang gründlich.	Fotos: Forward-Racing (Fotos: Forward-Racing)
Stefan Bradl vor gut einer Woche auf dem Loseil Internationale Circuit bei einer Trainingsrunde mit seiner neuen Yamaha. Die Generalprobe für den WM-Auftakt am kommenden Sonntag in Katar misslang gründlich. Fotos: Forward-Racing (Fotos: Forward-Racing)
Stefan Bradl vor gut einer Woche auf dem Loseil Internationale Circuit bei einer Trainingsrunde mit seiner neuen Yamaha. Die Generalprobe für den WM-Auftakt am kommenden Sonntag in Katar misslang gründlich. Fotos: Forward-Racing (Fotos: Forward-Racing)
Stefan Bradl vor gut einer Woche auf dem Loseil Internationale Circuit bei einer Trainingsrunde mit seiner neuen Yamaha. Die Generalprobe für den WM-Auftakt am kommenden Sonntag in Katar misslang gründlich. Fotos: Forward-Racing (Fotos: Forward-Racing)
Stefan Bradl vor gut einer Woche auf dem Loseil Internationale Circuit bei einer Trainingsrunde mit seiner neuen Yamaha. Die Generalprobe für den WM-Auftakt am kommenden Sonntag in Katar misslang gründlich. Fotos: Forward-Racing (Fotos: Forward-Racing)

An die Rennstrecke im Wüstenemirat am Persischen Golf hat Bradl zwiespältige Erinnerungen. 2011, im Jahr seines WM-Triumphs in der Moto2, ist er dort zum Sieg gerast. Im vergangenen Jahr schied er in der MotoGP in Führung liegend nach einem Sturz aus. In den Abendstunden hatte sich Feuchtigkeit auf den Asphalt gelegt. Hinterher protestierten die Piloten beim Veranstalter. Mit Erfolg. Der Große Preis von Katar startet heuer eine Stunde früher.

An sich mag Bradl den 5380 Meter langen Kurs mit seinen 16 Kurven 20 Kilometer nördlich der Hauptstadt Doha, weil er „flüssig” ist. Allerdings bemängelt der 25-Jährige auch den inzwischen alten Belag des 2004 eröffneten Loseil International Circuit. Der fühle sich an wie Schmiergelpapier, was schlecht für den Grip der Reifen sei.

Führungskilometer geschweige denn ein Sieg sind für Bradl 2015 Utopie. Nach drei Jahren bei LCR Honda auf einer zweitklassigen Maschine muss er sich mit seinem neuen Team Forward Racing auf einer drittklassigen Yamaha weiter hinten anstellen. Der italienische Rennstall, der seine Werkstatt in Mailand hat und sein Büro in Lugano, strebe mit seinen Fahrern (neben der Nummer eins Bradl der Franzose Loris Baz) den Sieg in der Open-Wertung an, hat Teamchef Giovanni Cuzari unlängst in Mailand bei der Präsentation der Fahrer und des neuen Hauptsponsors Athina Eyewear gesagt. Das heißt, Bester zu sein hinter den Werksteams und den werksunterstützten Teams, wie LCR Honda.

Bradl muss seine Ziele zurückschrauben; ein Platz unter den ersten zehn wäre ein Erfolg. Zwischen der Honda, wie er sie im vergangenen Jahr pilotierte, und der Yamaha sei ein „kleiner Klassenunterschied”, erklärt er, „die Open Klasse fährt die Vorjahresmodelle”. Um die Einbußen in der Motorleistung (geschätzte 260 PS) und damit in der Geschwindigkeit wettzumachen, darf die Open Klasse vier Liter mehr Sprit mitnehmen und weichere Hinterreifen nutzen.

Bradl räumt ein, dass es für ihn keine leichte Situation gewesen sei, als sich im vergangenen Jahr das Ende der Zusammenarbeit mit Honda anbahnte. „So läuft das Geschäft. Es geht um viel Geld, da hat man nicht immer nur Freunde.” Die Ergebnisse, die das japanische Motorenwerk sehen wollte, konnte Bradl nicht liefern. „Ich war im letzten Jahr zu schlecht”, bekennt er. Neunter war er in der Gesamtwertung nach den Rängen sieben (2013) und acht (2012). Er habe sich „zu sehr unter Druck” setzen lassen, habe deshalb den „Kopf nicht frei” gehabt, sei „hektisch und ungestüm” gefahren und habe dann in der Konsequenz „zu viele Fehler gemacht”. Rang vier in Texas war die beste Platzierung 2014. Im Jahr zuvor hatte er in Laguna Seca (USA) die erste Pole Position in der MotoGP geholt. Tags darauf im Rennen wurde er Zweiter hinter Marc Marques, sein bis dato einziger Podiumsplatz in der Königsklasse.

„Ein Tapetenwechsel tut mir ganz gut”, urteilt Bradl über seinen Wechsel zu Forward. Eine Zeitlang hatte es danach ausgesehen, als gäbe es für ihn doch noch eine Zukunft bei LCR und damit im Elitezirkel des Motorradrennsports. Er behielte Bradl gerne, ließ sich Teamchef Lucio Cecchinello vernehmen, habe sogar einen Mäzen für eine Weiterverpflichtung gefunden. Er sei deshalb im Sommer 2014 „lange auf glühenden Kohlen” gesessen, sagt der Zahlinger, letztlich habe sich die Sache mit dem privaten Geldgeber aber als „unseriös” herausgestellt.

Dass er gleich nach dem WM-Gewinn in der Moto2 in die MotoGP aufgestiegen ist, hält Bradl nach wie vor für richtig. „Da spielt die Musik. MotoGP ist wie Champions League, Moto2 wie Bundesliga.” Das mediale Interesse sei in der Königsklasse ungleich größer. Kein Wunder bei dem Nervenkitzel angesichts schier unglaublicher Geschwindigkeiten. Bradl wurde auf seiner Honda in Austin (Texas) im Training mit 352 km/h gemessen, „aber mit Rückenwind und Windschatten”, beschwichtigt er. Den Weltrekord, den er 2008 für die 125-ccm-Klasse auf Phillip Island in Australien auf einer Aprilia mit 245,9 km/h aufgestellt hat, ist einer für die Ewigkeit. Denn die Zweitakter gibt es seit 2011 nicht mehr.

Drei Testreihen absolvierte Bradl mit Forward Racing. Die erste in Sepang (Malaysia) sei „die beste” gewesen, sagt er. Als Schnellster der Open Klasse fuhr er auf den bemerkenswerten achten Platz (1,4 Sekunden hinter dem alle dominierenden Marquez), was ihm Lob vom legendären Valentino Rossi einbrachte: „Bradl ist gut gefahren, seine Rundenzeit war sehr gut.”

Bei der zweiten Experimentierschicht ebenfalls vor den Toren der malaysischen Hauptstadt Kuala Lumpur legte das Team mehr auf die Rennsimulation wert. Der „Longrun” stimmte Bradl zuversichtlich, er haderte aber auch, mit seinem Team „nicht den optimalen Grip” gefunden zu haben.

Ein laut Bradl „totaler Schuss nach hinten” war die dritte Probeserie in Katar. Am ersten der drei Testtage sei es ihm mit einer Magen-Darm-Grippe „dreckig” gegangen, am zweiten habe er sich mit seiner Yamaha „auf die Schnauze gelegt”, und am dritten habe es geregnet, berichtet er über den unerquicklichen Trip an die Ostküste der arabischen Halbinsel.

Eine Generalprobe stellt man sich anders vor. Verständlich, wenn Bradl am vergangenen Dienstag nicht unbedingt froh gelaunt nach Zahling ins Elternhaus zurückgekehrt ist. In den letzten Tagen war Ausdauertraining angesagt. In den Läufen durch die Fluren rund um den Obergriesbacher Ortsteil tankt der Junggeselle Kraft für den mental wie körperlich strapaziösen Wettbewerb.

Er versuche, das Trainingsdebakel von Katar zu verdrängen und sich das Gute der Vorbereitung in Erinnerung zu rufen, sagt Bradl. Gelingt ihm das, kommt er zu der Erkenntnis, dass „wir am Sonntag etwas reißen können”. Das Training beginnt wegen der ungewöhnlichen Umstände (Nachtrennen) bereits am Donnerstag, die Startplätze werden am Samstagabend ausgefahren.

Bradls Vertrag gilt vorerst für eine Saison. Länger wollte er sich nicht binden. Wer weiß, was kommt im nächsten Jahr, wenn etwa alle Motorräder in der MotoGP mit Michelin (und nicht mehr teils mit Bridgestone) bereift sein werden?

Die Hoffnung, wieder in einem werksunterstützten Team Aufnahme zu finden, gibt er nicht auf. Warum auch als Weltmeister? Immerhin war er der Letzte, der dem inzwischen unwiderstehlichen Marquez Einhalt geboten hat (2011). Außerdem hat Bradl selbstredend Ambitionen, für die Werbewirtschaft attraktiv zu bleiben. Wenn er heute durch den Münchner Flughafen schlendert, begegnet er sich selbst. Auf einer Reklametafel preist er die edlen Chronometer eines Schweizer Uhrenherstellers an, dessen Markenbotschafter er hierzulande ist. Der Fünf-Jahres-Kontrakt läuft bis 2016. Bradl soll für Forward den Sieg in der Open-Wertung holen In Austin wird der Zahlinger mit 352 km/h gemessen


Von Heribert Oberhauser
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