Immerhin dieser Plan wurde auf Druck von Europas Top-Nationen verworfen. Das Turnier aber findet statt. Und die Wirren bleiben: Die Auswahlen der USA und von Tschechien mussten wegen Corona-Ausbrüchen zurückziehen, es rückten Teilnehmer nach, die sich nicht in einer Blase vorbereitet haben. Weitere Teams haben Sars-CoV-2-Fälle gemeldet. Norwegens Superstar Sander Sagosen bezeichnete die Hygiene-Maßnahmen vor Ort als „Parodie und Wilder Westen”. Stefan Knittl, Trainer der Herren des TSV, ist angesichts all dessen ebenfalls „zwiegespalten, ob das Turnier stattfinden muss. Es gibt gerade andere Probleme, als so ein Riesenprojekt auf die Beine zu stellen.” Zum anderen, ergänzt er, sei es eben „ein Lichtblick für die Fans und besonders für die Kids, die Handball spielen. Die darauf warten, selbst wieder in die Halle zu können. So können sie immerhin ihren Idolen zusehen.” Knittl wird die WM ebenfalls verfolgen, „wie jedes Mal auch Spiele ohne deutsche Beteiligung anschauen. Vor allem die der Top-Nationen.” Auch Rappel wird heute vor dem Fernseher sitzen, wenn Deutschland gegen Uruguay in die Gruppenphase startet. Auch sie spürt den Zwiespalt, den diese Weltmeisterschaft während der Pandemie mit sich bringt. Aus sportlicher Sicht ist es eben ein interessantes Turnier, das in Zeiten nächtlicher Ausgangssperren außerdem die willkommene Abwechslung verspricht, „dass man abends mal wieder etwas hat, auf das man sich freuen kann”. Auch wenn die WM nicht wie gewöhnlich zu einem großen gemeinsamen Ereignis mit ihrer ebenfalls handballbegeisterten Familie oder ihren Mannschaftskameradinnen wird. Rappel hat dabei zudem das große Ganze im Blick: „Für den deutschen Handball ist es wichtig, diese Großturniere zu spielen”, merkt sie an. Schließlich bringt eine WM Aufmerksamkeit - durch das derzeit stark limitierte Freizeitangebot womöglich noch mehr als sonst. TSV-Abteilungsleiterin Tini Wonnenberg sieht das genauso. „Klar ist unsere Hoffnung, dass Handball dadurch in den Köpfen bleibt, unsere Jugend uns treu bleibt und vielleicht andere dazukommen”, sagt sie und fügt an: „Ich bin allen Spielern, die sich dem Risiko in Ägypten aussetzen, sehr dankbar, dass sie unsere Sportart präsentieren.”Dass einige namhafte deutsche Nationalspieler aus Sorge vor Corona absagten, ist dennoch für alle verständlich. „Ich wüsste nicht, was ich in der Situation machen würde”, kommentiert Rappel. Auch für Knittl steht fest: „Familie geht vor.” Zumal beide unisono ergänzen, dass daraus eine tolle Gelegenheit für weniger arrivierte Spieler resultiert, sich zu zeigen. Darüber, was das für das deutsche WM-Abschneiden bedeutet, gehen ihre Meinungen hingegen auseinander. „Ich halte viel von Trainer Alfred Gislason. Er wird das Beste aus der Mannschaft herausholen”, ist Knittl sicher. „Es ist dennoch ganz schwierig, zu sagen, wo die Deutschen landen. Aber mit einem guten Start, der in einen Lauf mündet, kann eine Mannschaft in einem Handballturnier Berge versetzen.” Rappel sieht das ein wenig pessimistischer. „Ich bezweifle, dass es mit dem Kader weit geht. Es sind einfach zu viele Neue dabei, das Zusammenspiel wird deshalb noch nicht gut genug sein.” Ihre Favoriten auf den großen Wurf heißen Frankreich und Spanien, vielleicht noch Norwegen und Dänemark. Iva Vlahinic, die für den TSV in der Landesliga aufläuft, nimmt bei dieser Aufzählung eine kleine Ergänzung vor: „Ich glaube, Kroatien wird um den Titel mitspielen”, sagt Vlahinic, die bei jedem Turnier zwiegespalten ist. Hält sie zu Deutschland oder zu Kroatien, dem Land, aus dem ihre Familie stammt? „Das ist schwer. Ich drücke beiden Seiten die Daumen, aber ein bisschen mehr Kroatien”, gibt sie zu. 2019 war sie live dabei, als die Kroaten ihre Vorrundenspiele in München bestritten und ihre Fans in der Olympiahalle eine irre Stimmung entfachten. „Diese WM wird schon sehr komisch, so ganz ohne Zuschauer”, stellt sie fest. Dennoch freut sie sich auf heute Abend, denn auch Kroatien startet ins Turnier, um 18 Uhr gegen Japan.Ablenkung tut gerade gut. „Man merkt, dass uns allen der Handball sehr abgeht”, beschreibt Vlahinic die Stimmung in ihrer eigenen Mannschaft. Immerhin sieht sie ihre Kolleginnen jeden Dienstag - wenn auch nur in einem Videochat. „Wir trainieren gemeinsam. Unser Trainer Thomas Wonnenberg macht sogar Übungen mit dem Ball mit uns”, erzählt die Aichacherin und schiebt hinterher: „Aber alle freuen sich schon jetzt auf die Rückkehr in die Halle.” „Bezweifle, dass es für Deutschland weit geht”