Christoph Daferner: Mittlerweile haben wir das schon verdaut. Es war aber schon bitter. Denn normalerweise hätten wir das Unentschieden mitnehmen müssen. Aber so bekamen wir in der letzten Minute noch das 1:2 - und fahren dann acht Stunden zurück mit dem Bus. Da hat man viel Zeit, sich zu ärgern. Aber es bringt nichts, sich jetzt noch länger damit aufzuhalten. AZ: Am Sonntag geht es zu Hause gegen 1860 München. Es ist für dich nach deinem Weggang 2017 von der Grünwalder Straße das erste Aufeinandertreffen mit deinem Ex-Klub. Wie groß ist die Wiedersehensfreude? Daferner: Natürlich sehr groß, auch wenn ich nicht mehr allzu viele Spieler kenne, viele haben den Verein seitdem erlassen. Es treffen zwei Traditionsvereine aufeinander, ein Klassiker eben. Das wird bestimmt ein geiles Spiel. AZ: Du hast die Löwen damals Richtung Freiburg verlassen. Nach dem Totalabsturz des TSV 1860 in die Regionalliga hättest du große Chancen auf einen Platz im Kader der ersten Mannschaft gehabt, nachdem du ein Jahr zuvor bereits einen Profivertrag unterschreiben hast. Warum hast du dich dann doch für einen Wechsel in den Breisgau entschieden? Daferner: Wenn ein Bundesligaverein wie der SC Freiburg anfragt, ist es natürlich schon so, dass man dann überlegt. Im Nachhinein mache ich mir keine Gedanken darüber, was wohl besser gewesen wäre. AZ: Unter Trainer Daniel Bierofka warst du in der Saison 2016/17, damals noch als A-Junior, in den ersten sechs Regionalligaspielen der U 21 gesetzt, hast deine Nominierung auch mit drei Toren gerechtfertig. Dann warf dich ein Kreuzbandriss zurück. Daferner: Ich war damals schon auf dem Weg zu den Profis. Klar, dass mich dann diese Verletzung zurückgeworfen hat. Ich trauere der Situation aber nicht mehr hinterher. AZ: Mit den beiden Torhütern Marco Hiller und Tom Kretzschmar sowie Dennis Dressel sind bei 1860 noch drei frühere Weggefährten von damals dabei. Gibt es da noch einen Kontakt? Daferner: Leider nicht mehr. Man lernt im Fußballgeschäft so viele Leute kennen. Da mit jedem in Kontakt zu bleiben, ist schwierig. AZ: Gibt es generell noch Kontakte zu den Löwen? Daferner: Eigentlich nur mehr mit Spielern von früher, die jetzt bei anderen Vereinen sind, wenn man auf diese dann in den Punktspielen trifft. AZ: Wie sind deine Erinnerungen an 1860? Daferner: Ich habe einen großen Teil meiner Jugend bei Sechzig verbracht, das hat mich schon geprägt. Ich habe wichtige Werte für meine weitere Karriere und auch fürs weitere Leben mitgenommen. Es waren solche Sachen wie Bodenständigkeit und dass man nur etwas erreicht, wenn man hart dafür arbeitet. Allgemein war es schon eine schöne Zeit. AZ: Zu deinem jetzigen Klub: Geht man als Zweitliga-Absteiger mit einem erhöhten Druck in so eine Saison? Daferner: Kann man schon sagen. Der Verein hat eine große Strahlkraft, so dass der Druck allgemein ein bisschen größer ist, nachdem man hier schon mehr in der Öffentlichkeit steht. Bei einem Sieg sind alle sehr schnell euphorisch, und bei Niederlagen kommt auch schnell mal Unruhe auf. Ich kann das auch gut verstehen, weil viele Anhänger mit Herzblut dabei sind und sich Erfolg wünschen. Es macht Spaß, für so einen Verein zu spielen, und ich fühle mich hier auch gut aufgehoben. AZ: Wieso hast du dich für Dynamo entschieden? Gab es auch anderes Interessenten? Daferner: Wenn man Dynamo hört, denkt man gleich an die geile Fanszene und das schöne Stadion. Aber es ist auch das familiäre Umfeld, das bei Dynamo herrscht. Ich war vor dem Wechsel nach Dresden mit meinem Vater einen Tag hier und habe mir alles angesehen. Ich spüre auch eine starke Identifikation mit Dynamo, weil ich hier fest unter Vertrag stehe (bis 2023/Anm. d. Red.). Es gab auch andere Interessenten, aber ich habe mich dann schnell für Dynamo entschieden. AZ: 1860, Freiburg, Aue, Dresden - Vereine mit einem speziellen Charakter scheinen eine besondere Anziehungskraft auf dich auszuüben... Daferner: Man kann sich in diesem Geschäft nicht immer alles selber aussuchen. Es ist schon der Wunsch da, dass man zehn, zwölf Jahre für den selben Verein spielt, vieles kann man aber nicht selber beeinflussen. Bisher bin ich aber zufrieden, fühle mich wohl bei Dynamo und bin glücklich, hier zu sein. AZ: In Aue hast Du deine erste komplette Saison in einer Profimannschaft erlebt. Ein Jahr, das dich in deiner Entwicklung vorangebracht hat, wie du in einem anderem Zeitungsinterview sagtest. Was genau hast du aus dieser Zeit bei den Veilchen mitgenommen? Daferner: Mit Rückschlägen umzugehen, das Profigeschäft näher kennen zu lernen und auch ein bisschen härter zu mir selbst zu sein. Es war eine gute Erfahrung, weil es mich gelehrt hat, wieder aufzustehen und weiterzumachen. So war es auch nicht nur immer negativ zu sehen, ich habe trotzdem immerhin 21 Zweitligaspiele gemacht. AZ: Welche persönlichen Ziele hast du bei Dynamo? Daferner: Bisher bin ich ganz zufrieden. Ich hoffe, dass wir am Ende der Saison unter den ersten drei stehen. Wir haben einen komplett neuen Kader, jeder ist mit dem Ziel hierher gekommen, mit dem Verein aufzusteigen. Dazu will ich meinen Teil mit Toren und Assists beitragen und der Mannschaft damit helfen. AZ: In den ersten Saisonspielen wurdest du als Stoßstürmer aufgestellt, die beiden letzten Spiele auf der linken Angriffsseite. Auf welcher Position fühlst du dich am wohlsten? Daferner: Ich bin schon offen für alles, weil ich am liebsten überhaupt spielen will. Ich würde mich aber schon eher als Stoßstürmer bezeichnen, weil ich jetzt nicht der technisch filigrane Außenbahnspieler bin, der außen eins gegen eins geht. Die Position hat aber auch ihre Vorzüge, weil man dort genauso torgefährlich werden kann. AZ: Du bist in vier Spielen nacheinander über die Einwechslung gekommen. Hatte das einen bestimmten Grund? Daferner: Wir haben einen guten Kader und nach der Niederlage bei Bayern 2 (0:3/Anm. d. Red.) war ich erst einmal draußen. Das ist aber auch völlig okay, wenn man dann mal auf der Bank sitzt. Wichtig ist in dieser Zeit, weiterzumachen, sich im Training zu zeigen. Den Kopf in den Sand zu stecken, wäre kontraproduktiv. Rückblickend lässt sich sagen, dass es gut war, locker zu bleiben, sich im Training weiter anzubieten, und das wurde letztendlich auch belohnt. Ich kann bislang ganz zufrieden sein. Ich habe mit dem Pokalspiel zehn Spiele gemacht, drei Tore erzielt und zwei Vorlagen gegeben. Und wenn ich mal nicht von Anfang an spiele, geht für mich die Welt auch nicht unter. AZ: Du bist im Osten der Republik geblieben, bist von Aue nach Dresden gewechselt. Was ist anders zwischen den beiden Vereinen und Städten? Daferner: Aue ist eher Land, Dresden ist eine Großstadt. Ich fühle mich hier schon wohler, Dresden hat sehr viel zu bieten mit der Elbe und der schönen Innenstadt, aber auch außerhalb gibt es sehr viele schöne Flecken, die ich noch gar nicht alle gesehen habe. Mir gefällt das Umfeld sehr gut, die Mitarbeiter im Verein sind sehr freundlich und haben mich mit offenen Armen empfangen, obwohl ich von einem Rivalen gekommen bin. Die Gegensätze, in einer Großstadt zu leben und dann mal wieder mal wieder die Ruhe und ländliche Idylle zu genießen und nach Hause zu kommen nach Immendorf, genieße ich sehr. AZ: Du durftest schon zu Saisonbeginn ein sportliches Highlight erleben: Beim Sieg im DFB-Pokal gegen den HSV hast du ein sehenswertes Tor geschossen, doch noch viel emotionaler fiel dein Jubel nach dem 2:0 aus, das du mit einer aggressiven Balleroberung eingeleitet hast. Wieso war das so? Daferner: Das Gegenpressing ist ein Stück weit mein Spiel, das mich auch auszeichnet, ständig Druck auf den Gegner zu machen, ihn aggressiv anzulaufen und so frühe Ballgewinne zu e zielen. Lieber gewinne ich in der Hälfte des Gegners den Ball, weil dann der Weg zum gegnerischen Tor kürzer ist. Ich freue mich da genauso über eine Vorlage wie über ein Tor - ich bin da schon ein Teamplayer. AZ: Ein nächster Höhepunkt war für dich die Rückkehr ins Grünwalder Stadion. Zwar erst einmal nicht gegen die Löwen, sondern gegen die „kleinen Bayern” und auch ohne Zuschauer. Wie war die Rückkehr ins „Sech'zger”-Stadion? Was macht speziell für dich den besonderen Reiz dieses Stadions aus? Daferner: Das Stadion ist schon Kult. Ich habe drei Jahre lange nicht weit weg von dort gewohnt, bin jeden Tag daran vorbeigefahren. Da verbindet man viel mit dem Stadion, zumal ich dort auch viele erfolgreiche Spiele mit Sechzig hatte. AZ: Am Sonntag werden keine Zuschauer zugelassen sein. Wie bei 1860 ist auch bei Dynamo die Unterstützung der Fans einzigartig, wie man im Pokalspiel gegen den HSV oder im Drittliga-Spiel gegen Waldhof Mannheim gesehen hat. Wie sehr vermisst man die Unterstützung von den Rängen? Daferner: Das vermisst man natürlich, vor allem, wenn man in den beiden Spielen in den Genuss gekommen ist, vor 10 000 Zuschauern zu spielen und mitzubekommen, was hier los sein kann. In der aktuellen Situation habe ich auch Verständnis dafür, dass wir ohne Zuschauer auskommen müssen. Das wäre ansonsten gegenüber anderen Branchen nicht gerechtfertigt. AZ: Dein Tipp für Sonntag? Daferner: Ich hoffe auf einen Sieg für uns, um so wieder vorne ranzukommen. Das Gespräch führten Herbert Walther und David Libossek