Bayers Amtsperioden in Aindling (von Januar 1994 bis Dezember 1997 sowie von September 2002 bis September 2004) waren, was Erfolge und Titel betrifft, die prägendste Ära in der jetzt 74-jährigen Klubhistorie. Aber einen Makel schleppte der heute 67-Jährige, der den oberbayerischen Bezirksligisten Oberweikertshofen trainiert, lange sechs Jahre mit sich herum: Das „Waldberg-Trauma”! 1997, nach ihrem dritten schwäbischen Pokalsieg (1984 und 1995 scheiterte der TSV jeweils in der Qualifikation zum DFB-Pokal an den „Club”-Amateuren), waren die Lechrainer nur noch einen Schritt vom großen Triumph entfernt. In der ersten bayernweiten Ausscheidungsrunde hatten sie im Grünwalder Stadion gegen die Amateure der Münchner „Löwen”, die damals Bayernliga-Meister geworden waren, durch zwei Tore von Christoph Merkle 2:1 gewonnen. 14 Tage später ging's zum entscheidenden Spiel hoch in den Norden des Freistaats, nach Waldberg in der Rhön. Waldberg, ein Ortsteil der Gemeinde Sandberg, zwischen Bad Neustadt an der Saale und Bad Brückenau, nur wenige Kilometer von der hessischen Landesgrenze entfernt gelegen, spielte damals in der Landesliga Nord. Spielertrainer der DJK war der frühere Bundesliga-Profi Werner Dreßel (Bremen, HSV, Nürnberg, Dortmund). Der damals fast schon 39-Jährige erzielte kurz nach dem frühen Führungstreffer von Jürgen Kedrusch (4.) den Ausgleich (9.). Sechs Minuten vor dem Ende riss ein Sonntagsschuss in den Winkel zum 2:1 für Waldberg die Aindlinger aus allen Pokalträumen. „Wir haben zu defensiv gespielt, keinen Druck ausgeübt”, erinnert sich Schreier. Teamkollege Thomas Maier fügte an, „dass wir nicht annähernd unser Spiel durchgezogen und nicht alles abgerufen haben”. Auch Bayer wollte 23 Jahre später nichts schönreden: „Wir hatten einen schlechten Tag, eine schlechte Einstellung und haben einfach die Form nicht gebracht.” Wie geprügelte Hunde schlichen die Aindlinger hinterher in den Bus. Die über 300 Kilometer weite Heimreise geriet zu einer Tortur. Doch so richtig in den Hintern haben sie sich erst ein paar Wochen später gebissen, als Waldberg mit Bayern München die ganz große Nummer zugelost bekam. Die Unterfranken zogen damals nach Nürnberg um, verloren 1:16, aber bei fast 36 000 Zuschauern blieb ein erkleckliches Sümmchen hängen. Doch für die Waldberger war das Spiel im Nachhinein ein Fluch. Keine vier Jahre später war die DJK pleite, musste während der laufenden Landesligasaison aussteigen. Heute spielt sie in der Kreisklasse. Sechs lange Jahre hat es gedauert, bis Aindling noch einmal die Chance bekommen sollte, dieses Trauma zu überwinden. „Das ist irre, dass wir noch einmal diese Möglichkeit bekommen haben”, erzählt Maier. Denn der Weg in den DFB-Pokal war selbst für einen gehobenen Amateurklub, wie ihn die Aindlinger in jener Zeit darstellten, sehr steinig und weit. Frag nach beim FC Augsburg, der sich damals regelmäßig blamierte, entweder schon auf Bezirksebene, spätestens dann aber in den Qualifikationsrunden gescheitert war. Wie eben in der Saison 2002/03, als der FCA bei den klassentieferen Aindlingern im Halbfinale mit 0:2 den Kürzeren zog. Mit einem Sieg nach Elfmeterschießen in Nördlingen wurde Aindling schwäbischer Pokalsieger. Das Elferschießen war damals eine Aindlinger Domäne. Torhüter Thomas Gebauer, noch heute Profi beim LASK in der österreichischen Bundesliga, war immer dafür gut, einen oder zwei Schüsse abzuwehren. Und 2003 wiederholte sich die Geschichte. In der ersten Ausscheidungsrunde warfen die Rot-Weißen, wie schon sechs Jahre zuvor, die „kleinen Löwen” aus dem Wettbewerb, weil sie erst spät durch Tore von Markus Mattes (82.) und Reinhold Heider (92.) einen 1:3-Rückstand wettgemacht haben und im anschließenden Elfmeterschießen Gebauer zwei Schüsse abwehrte. Das entscheidende Spiel um den Einzug in die DFB-Pokal-Hauptrunde führte die Aindlinger wieder zu einem Nord-Landesligisten, diesmal ins oberfränkische Frohnlach. „Klar, dass da wieder Erinnerungen wach wurden”, sagt Bayer, „zwangsläufig, primär von der Vereinsführung, kochte das Thema Waldberg wieder hoch.” Die Qualifikation für den bundesweiten Wettbewerb war für jeden Amateurklub wie ein Sechser im Lotto, allein die Antrittsgage für die erste Runde betrug damals satte 50 000 Euro (heute 100 000 Euro). Es war also für Aindling, in Relation gesetzt, das „Millionenspiel” schlechthin. Die Voraussetzungen dafür waren aber nicht so gut. Eine weite Anreise unter der Woche, dazu waren ein paar wichtige Spieler wie Schreier angeschlagen, oder wie Michael Schmidberger gar nicht dabei - und natürlich tobte immer Waldberg im Hinterkopf. Auch Maier und Schreier, die als einzige schon sechs Jahre zuvor dabei waren, schoss auf der Hinfahrt immer wieder das kleine unterfränkische Dörfchen durch den Kopf. „Aber diesmal hat alles gepasst, die Mannschaft hat kämpferisch alles reingeworfen”, blickt Bayer zurück. Nach etwas mehr als einer halben Stunde entschied der heutige Fifa-Referee Deniz Aytekin auf Strafstoß für Aindling, den Steffen Adomeit verwandelte. In der Schlussphase trafen noch Kurt Schauberger und Deniz Samsa zum 3:0-Erfolg. Beim letzten Treffer war der aufgrund seiner Achillessehnenbeschwerden erst spät eingewechselte Schreier schon wieder draußen, nachdem er sich die Achillessehne kurz vor dem Ende angerissen hatte. Doch das hinderte Schreier nicht, mit seinen Teamkollegen das erfolgreichste Jahr in der Vereinsgeschichte auszukosten. Denn 2003 wurde der TSV Aindling obendrein noch schwäbischer und bayerischer Hallenmeister sowie schwäbischer und bayerischer Pokalsieger. „Der Sieg in Frohnlach hat dann ein wahnsinnige Euphorie ausgelöst”, sagt der Heimpersdorfer. Hinterher brachen sämtliche Dämme. Die Heimreise wurde, anders als sechs Jahre zuvor, zu einer Triumphfahrt. Zwischen Frohnlach und Aindling wurde fast jede Autobahnraststätte angesteuert, um den Getränkevorrat wieder aufzufüllen. „Das war eine unglaubliche Heimfahrt”, erinnert sich Maier an äußerst feuchtfröhliche Stunden im Bus. Es war schon fast hell, als die Reisegesellschaft wieder Aindling erreichte. „Einige sind an diesem Tag nicht in die Arbeit gegangen”, sagt Bayer schmunzelnd. Der ein oder andere Spieler quartierte sich in einem Aindlinger Gasthaus ein. Das 3:0 von Frohnlach war der Auftakt für die Aindlinger Festwochen. In der Marktgemeinde gab es nur noch ein Thema: die Auslosung. Und als der Tag der Ziehung näherrückte, stieg die Spannung ins Unermessliche. Bis eine Viertelstunde vor Mitternacht musste sich schier ganz Aindling, das sich im alten TSV-Sportheim versammelt hatte, gedulden, bis die Rot-Weißen aus der Lostrommel gezogen wurden. „Zu diesem Zeitpunkt waren schon fast alle Topklubs gezogen”, weiß Bayer noch genau. Doch als Schwimm-Star Antje Buschschulte die Kugel zog und der DFB-Spielausschuss-Vorsitzende Hermann Selbherr das Emblem von Schalke 04 in die Kamera hielt, brach ein Jubelorkan über das Schüsselhauser Kreuz herein, der das Sportheim bis auf die Grundmauern erzittern ließ. „Schalke mit seiner Zugkraft war natürlich ein brutales Hammerlos”, bedeutet Maier, „aber es war vor allem auch für die Leute, die viel für den Verein getan haben, eine Belohnung.” Ende August 2003 stieg dann das große Spiel gegen Schalke (0:3). „Ich werde nie vergessen, wie voll das Stadion war”, sagt Maier. Offiziell waren es 6400 Zuschauer, tatsächlich waren es aber viel mehr. Ein Jahr später wiederholten die Aindlinger das Kunststück, qualifizierten sich noch einmal für die DFB-Pokal-Hauptrunde und trafen in dieser auf Hertha BSC Berlin (0:1). Das Gastspiel des Hauptstadtklubs war einer der letzten großen sportlichen Höhepunkte für den TSV Aindling. Der schwäbische Pokalsieg Nummer fünf 2009 sowie der Gewinn der schwäbischen Hallenmeisterschaft 2011, jeweils unter Trainer Paula, waren bis heute die letzten Titel für die mittlerweile in die Bezirksliga abgestürzten Aindlinger.